30.01.2023 "Der Lehrer" im Interview

Hendrik Duryn: "Regeln sind zu oft wie Fußfesseln für Ermittler"

Von Marcus Italiani
Hendrik Duryn ist den meisten als "Der Lehrer" bekannt.
Hendrik Duryn ist den meisten als "Der Lehrer" bekannt. Fotoquelle: RTL / Stephan Rabold

Hendrik Duryn ermittelt als Tjark Wolf auf unkonventionelle Weise in idyllischen Örtchen an der Nordsee. Für prisma öffnete der Mann, den die meisten deutschen TV-Zuschauer immer mit seiner Rolle als „Der Lehrer“ verbinden werden, sein Herz zu Themen wie „Dünentod“, Probleme der Polizeiarbeit und die Bedeutung von Action im Film.

Herr Duryn, wie herausfordernd war für Sie die sehr spezielle friesische Mentalität bei der Beschäftigung mit Ihrer Figur in „Dünentod“?

Tjark Wolf ist ein Großstädter. Er hat sich, das ist charakterlich aber auch schmerzvoll biografisch bedingt, sehr früh von seiner Herkunft emanzipieren müssen. Die Herausforderung bestand viel mehr darin, seinen sehr verborgenen Charakter zu entdecken.

Tjark umschifft den offiziellen Dienstweg oft wenig subtil, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Wie steht der Mensch Hendrik Duryn zu dieser prägenden Eigenschaft seines Serien-Charakters?

Er ist bereit, Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Der bricht keine Regeln, weil er gern ein Enfant terrible sein will. Regeln sind zu oft wie Fußfesseln für Ermittler. Die steife Einhaltung von Regeln steht in einer überregulierten Institution oft der Lösung von Problemen im Weg. Tatsächlich gibt es Regeln, die selbst bei einem Zugriff auf Zielpersonen, die Einhaltung zum Beispiel religiöser Besonderheiten verlangen. Das macht die Arbeit der Polizei nicht wirklich praktikabel, wenn man vorher seine Schuhe ausziehen muss. Stellen Sie sich vor, nach jedem Interview müssten Sie ein Protokoll über den gesamten Werdegang des Interviews schreiben. Inklusive der Angaben über Ihr Frühstück und ihre aktuelle mentale Verfassung, um möglichen Klagen Ihres Interviewpartners vorzubeugen. Das versucht Tjark Wolf einfach wegzulassen.

Wie sehr waren Sie an der Ausgestaltung Ihrer Figur beteiligt? Was haben Sie noch hinzugefügt?

Gute Drehbücher legen die Figur sehr genau fest. Es gilt, diese dann im Gespräch, in der Arbeit am Buch zu erkennen. Am Set gibt es darüber – zumindest von mir aus – keine Diskussionen mehr. Der Schauspieler ist für die Figur verantwortlich und bringt sie jeden Tag mit, so wie der Kameraassistent die Kamera. Der Entwurf des Körper- und Sprachgestus ist das Hinzufügen. Wie die Figur letztlich im Film erscheint, ist wiederum ein Zusammenspiel von sehr vielen Faktoren. Dabei ist der Schauspieler nur noch Material: im Schneideraum, bei der Mischung, bei der gesamten Postproduktion

„Dünentod“ lebt auch von wohl dosierten Actionszenen. Gerade die amerikanische Konkurrenz ist in diesem Bereich den Europäern natürlich aus wirtschaftlichen Gründen lange enteilt. Wie wichtig ist dieses Stilmittel für ein solches Format, und wo sind dem deutschen Film natürliche Grenzen gesetzt?

Action um der Action willen macht man, wenn man die Show braucht, um eine Geschichte zu erzählen. Action, wenn sie durch Figuren, durch ihre Charaktere und Zwänge provoziert wird, ist handlungstreibend und ein Mittel innerhalb einer Erzählung. Grenzen für Action bestehen für mich im Genre, der Ästhetik und vor allem der Authentizität. Amerikanische TV-Produktionen kennen wir hierzulande kaum bis gar nicht. Wodurch genau die Grenze im deutschen Film gesetzt werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir haben zwei Filme fürs TV gedreht, mit dem Anspruch, den Zuschauer mit verschiedenen Charakteren, herausfordernden Perspektiven auf das Leben, unterhaltsam in das Labyrinth unserer Lebensentwürfe mitzunehmen.

Sie sind in vielen Krimi-Formaten aufgetreten. Welche neuen Facetten bietet „Dünentod“ den Zuschauern?

Sven Koch, der Romanautor, hat eine Thriller-Reihe entwickelt. Aus dieser Literatur sind Drehbücher entstanden. Viel weniger Krimi. Eben mehr Thriller. Es geht wenig bis gar nicht um die Frage; „Wo waren Sie gestern Abend zwischen 21.33 und 21.34?“ Es geht um Menschen, um uns und unsere schlummernden Kräfte. Im Positiven wie im Negativen. Neue Facetten sind schwierig. Das E-Auto ist auch nicht neu. Es bleibt ein Auto, und das braucht Räder, und das Rad wurde vor tausenden von Jahren erfunden. Die Facetten sieht der Fachmann. Wir setzen auf den Blick in die Augen des Zuschauers und lassen ihn gleichwohl uns direkt in die Augen, in die Seele schauen. Spannende Filme auf Augenhöhe könnte man sagen.

In Deutschland haben Sie sich vor allem als „Der Lehrer“ in die Herzen der TV-Zuschauer gespielt. Hätten Sie mit dem Erfolg der Reihe gerechnet? Und können Sie sich erklären, warum das Publikum gerade diesen Charakter als Ihre Paraderolle wahrnimmt?

Ja. Das habe ich. An den „Lehrer“ habe ich geglaubt, als ich das erste Drehbuch aus dem Hause Sony in der Hand hatte. Die „Schreibweisen“ unter Peter Freiberg hatten das Projekt entwickelt und es war Literatur. Jeder Charakter hatte seinen Sprachgestus, seine Art zu sprechen und zu handeln. Großartig. Ich habe damals einen Kniefall vor den Autoren gemacht. Ernsthaft!

Diese Serie hat eine ganze Generation als Freund und Freundin gewonnen, weil sie authentisch war, weil sie glaubwürdig war und weil der Charakter des Stefan Vollmer genau das verkörperte. Wir haben die Zuschauer zu Partnern gemacht. Wir hatten etwas zu erzählen, das haben wir uns bei jedem Buch sehr schwer erarbeitet. Wir haben jedes Thema solange untersucht, bis wir den für uns zu akzeptierenden Wahrheitsgehalt destilliert hatten. Stefan Vollmer ist demnach keine Paraderolle, er ist ein Kumpel, Freund geworden. Etliche Lehrer – und ich habe einige E-Mails und persönliche Begegnungen, die davon erzählen – haben meinen Vollmer mit in den Unterricht genommen. In Düsseldorf zum Beispiel hat sich eine Kollegin ihren eigenen „Materialraum“ kreiert, auch wenn das im steifen Reglement von Schulgesetzen eher eine Grauzone ist. Aber sie hat dadurch Konflikte von Schülern in wenigen Minuten zu Konflikten von jungen Menschen werden lassen und sie dadurch lösen können. Was sonst Wochen gebrodelt hätte. Das waren ihre Worte.

Sie engagieren sich neben der Schauspielerei auch als Botschafter für das Kinderhospiz Bärenherz oder für das sächsische Kultusministerium in Sachen Bildung. Was muss ein Projekt mitbringen, um Sie zu packen?

Ehrlichkeit. Authentizität.

Was steht 2023 für Sie an?

Mein Buch erscheint. Das macht mich doch ein wenig kribbelig. Es kommt zur Buchmesse Leipzig raus. „Sie sind doch der Lehrer, oder?“

Meine 150 Kurzfilme, circa 750 Sendeminuten für die Plattform Museum virtuell werden alle zwei Wochen Stück für Stück zugänglich gemacht. Das sind Geschichtsstunden in 15 Burgen und Schlössern Sachsens der anderen Art. Für Schüler, Lehrer, Schulklassen, Ausflügler. Ich erobere mit sehr viel Fragen jede Burg und kläre dabei zum Beispiel, was das aktuell höchste Hochhaus der Welt – Burj Khalifa – mit Karl dem Großen zu tun hat. Ein Leidenschaftsprojekt von mir. Alles selbst gemacht. Handarbeit sozusagen. Passt alles, werden wir zwei weitere Filme aus der Dünen-Thriller Reihe von Sven Koch drehen.

Ich werde voraussichtlich ein Projekt – wie das Schlösserprojekt Sachsen – für den Mittelstand machen. Nachwuchs und Lust auf Arbeit an der Basis. Durch meine saisonale Arbeit als Waldpfleger habe ich seit einigen Jahren wieder den körperlichen und direkten Zugang zu dem Bereich unserer Gesellschaft. Ebenfalls wollen wir das Schlösserprojekt auch in anderen Bundesländern machen. Dafür stehen die 150 Kurzfilme.

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