31.03.2024 Neue Miniserie über den Autor

Joel Basman über Kafka: „Er hätte einen Riesenspaß an TikTok gehabt“

Von Danina Esau
"Kafka"-Darsteller Joel Basman im Interview.
"Kafka"-Darsteller Joel Basman im Interview. Fotoquelle: Anne Orthen

Zum 100. Todestag von Franz Kafka zeigt das Erste eine sechsteilige Miniserie über den meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache. Joel Basman hat die Hauptrolle übernommen. Wie er sich Kafka vorstellt, warum er ein schlechter Mitbewohner gewesen wäre und was ihn heute immer noch relevant macht, erzählt er im Interview.

Prisma: Herr Basman, hatten Sie vor den Dreharbeiten einen Bezug zu Kafka? Haben Sie seine Bücher in der Schule oder in ihrer Freizeit gelesen?

Joel Basman: Ich hatte bisher ein sehr oberflächliches Wissen über Franz Kafka und habe mich erst durch meine Rolle intensiv mit ihm beschäftigt. Seine Bücher sind unvergleichlich genial geschrieben, so etwas habe ich vorher noch nie gelesen. Es fällt mir immer noch schwer, mir Kafka als realen Menschen vorzustellen. Für mich passt das nicht zusammen – der unscheinbare Versicherungsangestellte mit Mittelscheitel und geglättetem Hemd und der geniale Autor mit total verrückten Gedanken und Ideen.

Prisma: Sie konnten sich keine alten Videos von Kafka anschauen, um seine Gestik und Mimik zu imitieren. Wie haben Sie sich an die Rolle angenähert, ohne eine Vorstellung von ihm zu haben?

Joel Basman: Ein paar Fakten sind historisch überliefert. Zum Beispiel soll er sehr komisch gelacht, viel Sport gemacht und sich gesund ernährt haben. Daraus konnte ich mir ein paar Merkmale ableiten: Sein Gang war wahrscheinlich sehr gerade, seine Haltung ein Traum für jeden Osteopathen. Die Schuhe wahrscheinlich eng geschnürt, der Scheitel streng gekämmt. Deutsch hat er von Österreichern gelernt, er muss also ein wenig Wienerisch geklungen haben. Parallel dazu habe ich mich in Kafkas Biografie eingelesen, um zu verstehen, was die Beziehung zu seiner Mutter, das gestörte Verhalten seines Vaters und seine Freundschaften mit ihm gemacht haben. Ich habe aber auch der Fantasie viel Raum gegeben und weiß, dass ich nicht jeder Vorstellung gerecht werden kann. Aber damit muss ich mich als Schauspieler abfinden.

Prisma: Es heißt, sie hätten es geschafft, Kafka darzustellen, ohne ihn bis ins Letzte zu erklären. Wie ist Ihnen das gelungen?

Joel Basman: Die Rolle des Kafka hätte mich wahnsinnig machen können. Es gibt noch Tausende weitere Aspekte, die ich hätte berücksichtigen können, seine Geschichte wäre auch nach acht Staffeln nicht auserzählt. Am Anfang war ich etwas überfordert von der Flut an Material, habe mir einen Plan gemacht, was ich bis zum Dreh alles lesen will. Irgendwann habe ich mich aber entschieden, dass es gar nicht schlecht ist, Kafka nicht vollkommen zu erschließen, sondern mit einem gewissen Unwissen an ihn heranzugehen. Ich habe Kafka nie gesehen, nie gespielt, nie inszeniert – dadurch war ich unvoreingenommen und das hat mir letztendlich geholfen.

Prisma: Was glauben Sie – was war Kafka für ein Mensch?

Joel Basman: Er war extrem hungrig nach Wissen. Nicht so, dass er deshalb in die Bibliothek gegangen ist und alles über Quantenphysik herausfinden wollte. Ihn hat der Mensch und das Leben interessiert. Mir war es wichtig, diese Seite an ihm zu zeigen. Ich wollte ihm gerecht werden, ohne ihn zu Gott zu machen. Und dass er ein wenig von seinem Vampir-Schimmer verliert – der Typ, der nie schläft und nur tolles Zeugs schreibt. Das war er auch, aber nicht nur. Kafka hatte mit tiefen Emotionen und Selbstzweifeln zu kämpfen. Wenn er noch leben würde, hätte ich ihn gerne zum Mittagessen getroffen, daraus hätte sich dann ein Abendessen entwickelt und irgendwann säßen wir um vier Uhr nachts in einer Bar, ohne dass uns der Gesprächsstoff ausgeht. Trotzdem würde ich nie mit ihm zusammenwohnen wollen.

Prisma: Konnten Sie Ihre eigene Kafka-Interpretation mit einbringen?

Joel Basman: Ja, mit Drehbuchautor Daniel Kehlmann und Regisseur David Schalko war ich die ganze Zeit im Austausch. Die beiden sitzen schon so lange an diesem Projekt, ich habe keine Sekunde Unsicherheit von ihrer Seite gespürt. Sie haben mir in meiner Interpretation von Kafka sehr viel Freiheit gegeben, ich konnte eigentlich machen, was ich will. Wir haben aber viele Szenen erst durchgesprochen, um herauszufinden, wie Kafka sich wohl gefühlt haben muss.

Prisma: Ist Kafka heute überhaupt noch relevant?

Joel Basman: Ich bin überzeugt, dass sich niemand um die Überlebensfähigkeit von Kafka sorgen muss. Er war ein unglaublich moderner Mensch, seine Bücher sind zeitlos und aktuell wie nie zuvor, nichts muss überarbeitet und an die Zeit angepasst werden. Ich kann mir vorstellen, dass Kafka auch in der heutigen Zeit leben könnte. Er wäre zwar enttäuscht von der Welt, aber er hätte bestimmt einen Riesenspaß an TikTok.

Prisma: Welches Adjektiv würden Sie Ihrer Zeit als Kafka geben?

Joel Basman: Ich werde jetzt nicht kafkaesk sagen, das wäre zu klischeehaft. Es war gewaltig und herausfordernd, eine Massage für deinen Intellekt. Ich bin gefühlt 2500 Weisheiten reicher.

Das Erste zeigt „Kafka“ mit jeweils drei Folgen am 26. und 27. März ab 20.15 Uhr.

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