18.04.2022 Schauspielerin im Interview

Ursula Strauss: "Kultur ist in Österreich ein Teil unseres Alltags"

Von Felix Förster
Ursula Strauss kann sich über mangelnde Rollenangebote nicht beklagen.
Ursula Strauss kann sich über mangelnde Rollenangebote nicht beklagen. Fotoquelle: Rafaela Pröll

Ursula Strauss gilt als eine der besten Schauspielerinnen Österreichs, die sowohl von den Kritikern gepriesen wird, als auch beim Publikum beliebt ist. Ihre besondere Wandlungsfähigkeit beweist sie auch aktuell wieder.

So ist sie ab 14. April im Kino in dem Kinderfilm "Geschichten vom Franz" als liebevolle Mutter zu sehen, im TV spielt sie die absolutistische Herrscherin "Maria Theresia" in Folge 5 der Miniserie auf ARTE, und im ARD-Mehrteiler "Euer Ehren" agiert sie an der Seite von Sebastian Koch als Kommissarin Gabriele Kirchner (alle Folgen in der ARTE- und ARD-Mediathek). prisma hat mit der Niederösterreicherin gesprochen.

Sie gelten als eine der beliebtesten Schauspielerinnen Österreichs, einem Land mit einer großen Bühnen- und Filmtradition. Was bedeutet Ihnen Ihr großer Erfolg in Ihrem Heimatland?

Ursula Strauss: Ich bin sehr dankbar für den Weg, den ich bis jetzt als Mensch gehen durfte und freue mich sehr über die Wahrnehmung meiner Arbeit in Österreich – aber auch in den anderen europäischen Ländern, in denen ich arbeite. Ich habe letztes Jahr in Österreich, Belgien, Deutschland, der Slowakei und der Tschechei gedreht. Ich bin eine große Freundin und Verfechterin des europäischen Gedankens, der offen für die Welt ist. Dass ich mit meiner Arbeit Teil dieses Europas bin, empfinde ich als großes Privileg, genauso wie einen Beruf ausüben zu dürfen, den ich wirklich mag. Dann auch noch so viel Unterstützung vom Publikum zu bekommen, das ist ein großes Geschenk.

Ihr schauspielerisches Repertoire ist sehr breit gefächert, darin ähneln Sie anderen österreichischen Schauspielerinnen wie Romy Schneider, Christiane Hörbiger, Senta Berger, Maria Schell oder Birgit Minichmayr. Die Liste könnte noch ewig fortgeführt werden. Wie kann ein kleines Land wie Österreich so viele herausragende Schauspieler hervorbringen?

Ursula Strauss: Ich glaube, das liegt daran, dass wir weniger Menschen sind. Unsere sozialen Wege sind dementsprechend kürzer. Wenn wir von etwas Gutem hören, wissen wir das schneller und sind als Nation sehr neugierig, das unmittelbar zu sehen, zu erleben. Dazu ist Kultur in Österreich ein selbstverständlicher Teil unseres Alltags. Wir gehen schnell mal spontan ins Theater, Kino oder ins Konzert. Die Hemmschwelle ist da bei uns niedriger, einfach mal eine Karte zu kaufen und zusammen mit anderen Kultur zu erfahren. Zudem haben wir eine besondere Wertschätzung für Menschen, die ihre Arbeit, ihr Handwerk gut machen. Deshalb wertschätzen wir Menschen, die ihr Handwerk können und geben ihnen den Raum und die Aufmerksamkeit. Menschen sind wie Pflanzen. Raum und Aufmerksamkeit funktionieren dann wie Sonne und Wasser. So, stelle ich mir vor, können Talente aufwachsen.

In Deutschland sind Sie ebenfalls ein bekanntes Gesicht aus Film und Fernsehen. Worin unterscheidet sich die Arbeit in beiden Ländern?

Ursula Strauss: Österreich ist ein sehr kleines Land und mit seinen fast neun Millionen Einwohnern die wirklich sehr kleine Schwester des großen Bruders Deutschland. Das schafft allerdings für die österreichischen Filmschaffenden einen freieren Raum, der im wirtschaftlich funktionieren müssenden Deutschland vielleicht nicht ganz so gegeben ist. So werden die österreichischen Filme ja oft als sehr mutig bezeichnet. Aber in der konkreten Arbeit am Set kann ich keinen großen Unterschied erkennen.

Sie haben mit vielen bekannten Film-Regisseuren zusammengearbeitet, sind aber auch nach wie vor im Theater zu sehen. Wo liegt Ihre besondere Leidenschaft?

Ursula Strauss: Ich habe meine Karriere am Theater begonnen und die ersten zwölf Jahre meiner Laufbahn eigentlich vor allem dort verbracht. Nach wie vor empfinde ich beim Betreten einer Bühne das Gefühl von Nach-Hause-Kommen. Mein Beruf ist auch nach so vielen Jahren noch so vielseitig, und ich kann immer wieder neue Facetten kennenlernen und ausprobieren. Das Singen zum Beispiel ist erst seit kurzem ein Teil meines künstlerischen Lebens, und ich bin unendlich dankbar dafür, mit so tollen Musikern wie Ernst Molden, Bartholomey Bittmann oder Herbert Pixner auf der Bühne stehen und arbeiten zu dürfen. Die Bühne wie die Leinwand sind für mich Möglichkeiten, unsere Geschichten zu erzählen. Ich drehe immer noch am liebsten Filme, aber freue mich über jeden Ausflug auf die Bühne.

Aktuell sind Sie im Kino In der Verfilmung von Christine Nöstlingers Kinderbuch-Reihe "Geschichten vom Franz" zu sehen. Darin spielen Sie Franz' Mutter. Erzählen Sie kurz, wie die Rolle angelegt ist.

Ursula Strauss: Das ist eine sehr liebevolle Person: Die Mama vom Franz ist eine berufstätige Frau, die sich nicht so wichtig nimmt. Sie ist glücklich verheiratet und isst gerne die Unmengen an Backwaren, die ihr Mann bäckt, wenn er Stress hat. Und die Mama vom Franz liebt den Franz, den Bruder vom Franz und den Papa vom Franz.

Was machen für Sie die "Geschichten vom Franz" aus?

Ursula Strauss: Das Wunderbare an diesem Film ist, dass er die Probleme der Kinder, in diesem Fall die Probleme vom Franz und seinen Freunden Gabi und Eberhardt, aus der Sicht der Kinder erzählt. Christine Nöstlinger versteht es wie keine andere respektvoll, gerade, klar und mit viel Humor ihre Kindersicht zu zeigen und die Kinder darin auch ernst zu nehmen. Sie macht die Kleinen ganz groß und schafft es immer wieder, die zu erstarken, die anfangs schwach erscheinen. Sarah Wasserader ist eine tolle Adaption gelungen, und das Drehbuch zum Film sprüht vor Witz. "Geschichten vom Franz" ist ein temporeicher, kluger Film für die ganze Familie.

Die erste "Geschichte vom Franz" erschien bereits 1984, die Handlung wurde nun in die Gegenwart versetzt. Sie selbst waren in den 80ern Kind. Wenn Sie vergleichen, wären Sie heute gerne noch einmal klein?

Ursula Strauss: Ich bin ganz zufrieden mit meiner Kindheit, und würde sie nur ungern eintauschen wollen. Jede Generation wächst mit ihrem Gepäck auf. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es noch nicht selbstverständlich war, dass Frauen ein eigenes Konto haben oder ganz selbstbestimmt arbeiten dürfen. Den Zugang zu einem feministischeren – nicht, dass wir da schon auf Augenhöhe wären – Weltbild musste ich mir erst mühsam erarbeiten. Die Kinder und Jugendlichen heutzutage stehen vor ganz anderen Problemen. Wir hinterlassen ihnen eine kaputte Welt und die Hoffnungslosigkeit, die damit einhergeht. Ich denke, das macht es vielen Kindern und Jugendlichen schwer, einen Sinn im Leben zu erkennen. Andererseits steht ihnen diese Welt offener als je zuvor gegenüber und der unglaubliche Entwicklungssprung, den die Technologien in den letzten 50 Jahren gemacht haben, birgt zwar einerseits Gefahren, aber auch viele Chancen.

An welche Altersgruppe richtet sich der Film?

Ursula Strauss: Ich würde meinen, dass Kinder ab dem sechsten Lebensjahr schon große Freude an dem Film hätten. Nach oben hin ist die Altersgrenze offen.

Was ist besonders an der Arbeit an einem Kinderfilm?

Ursula Strauss: Kinder stehen zurecht unter einem strengeren Arbeitsschutz und dürfen nur eine gewisse Zeit am Set verbringen. Das macht das Arbeiten oft effizienter, da man gut mit der Zeit umgehen muss, die man hat. Es bleibt weniger Zeit für Diskussionen. Die Kinder, die ich bis jetzt am Set erleben durfte, waren alle auf eine sehr positive Weise professionell. Sie hatten Lust am Spielen und waren sehr freundlich und natürlich.

Wie ist es für Sie, mit Kindern zusammenzuarbeiten?

Ursula Strauss: Wenn die Kinder auch am Set Kinder bleiben und nicht dem "Starsein" zum Opfer fallen, macht es großen Spaß. Auch wegen der gewissen Unberechenbarkeit und Spontaneität, der man im Spiel mit Kindern begegnet. Sie analysieren sich nicht selbst, während sie spielen, sondern spielen einfach. Das macht die Momente mit ihnen ganz besonders.

Soll es weitere Verfilmungen über Franz geben, immerhin umfasst die Reihe 19 Bände?

Ursula Strauss: Wir beginnen im Herbst mit der zweiten Franz-Geschichte. Ich freue mich sehr auf die Arbeit, das Buch ist wieder sehr gut gelungen.

Dies ist nach "Maikäfer flieg" bereits die zweite Nöstlinger-Adaption, in der Sie mitwirken. Zudem haben Sie ihre Werke schon mehrfach vertont. Was verbinden Sie mit der bekannten Autorin?

Ursula Strauss: Ich bin eine große Bewunderin ihrer Sprachkunst. Sie bediente die verschiedensten Genres mit Leichtigkeit. Christine Nöstlinger hat einen schonungslosen, klaren und nicht gerade zimperlichen Blick auf das Leben. Dadurch entsteht ein großer Respekt vor demselben und vor den Menschen, die sie beschreibt. Sie erzählt ihre Geschichten mit großer Kraft und Genauigkeit und mit sehr viel Humor. Man lacht mit ihren Figuren und nicht über sie.

Welche Kinder- und Jugendautoren hat Ursula Strauss gelesen?

Ursula Strauss: Christine Nöstlinger, Mira Lobe, Michael Ende … um nur einige Autoren zu nennen. Ich habe als Kind sehr viel gelesen und mich richtig mit den Büchern verkrochen. Gute Bücher sind Seelennahrung.

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