28.02.2017 Reise

Ein Job zum Niederknien

Von Florian Blaschke

Wer den Job von Esther Kelder verstehen will, der muss erst einmal auf die Knie gehen und darf keine Angst haben vor Kälte, Regen oder schmerzenden Knochen. All das gehört für die 34-Jährige zum Alltag. Also: ab auf die Knie, im Arbeitsoverall und in Gummistiefeln, bewaffnet mit einer kleinen, flachen Schaufel.

Vor uns liegt ein Stück Park, vielleicht zehn Quadratmeter, darauf fein säuberlich verteilt Blumenzwiebeln. Es ist ein Vormittag im Februar, die Luft ist schneidend kalt, und eigentlich ist es viel zu spät, um noch Zwiebeln zu setzen. Doch ich will den Job von Esther Kelders verstehen, also muss ich auch mitarbeiten. Das gilt nicht nur für mich, sondern auch für jeden, der auf dem Keukenhof anfängt zu arbeiten – nicht nur als Gärtner, auch für Kollegen aus dem Marketing, für das Kassenpersonal. Wer nicht mindestens einmal diesen Job gemacht hat, begreift ihn nicht.

Dabei klingt das alles eigentlich wahnsinnig romantisch: Tulpen pflanzen für den Keukenhof, diesen Gartenpark im kleinen Ort Lisse in der Provinz Südholland, in der Nähe vom Amsterdam. Das Blumenmeer im Frühling zieht jedes Jahr mehr als eine Million Besucher an, aus den Niederlanden und Deutschland, aber auch aus den USA, China, Japan und dem Nahen Osten.

Romantisch aber ist die Arbeit im Park nicht immer. Zwiebeln setzen ist Akkord-Arbeit. Die Reihenfolge: immer gleich. Die Zwiebel leicht drücken, um zu prüfen, ob sie nicht faulig ist, dann mit der Schaufel ein Loch graben, genau in der richtigen Tiefe, genau im richtigen Abstand zu den anderen Löchern, die Zwiebel in die Erde setzen, nächstes Loch. Was harmlos klingt, wird erst mit der Menge an Blumen, die hier Jahr für Jahr erblühen sollen, zu harter Arbeit. Rund sieben Millionen Zwiebeln, rund 1600 Sorten, setzen Kelder und ihre Kollegen jedes Jahr.

Dabei hat Esther Kelders Karriere auf dem Keukenhof eigentlich ganz anders angefangen, mit einem Nebenjob als Parkplatzeinweiserin. Doch schnell merkte sie, dass sie eigentlich etwas anderes will. Und so bewarb sie sich als Gärtnerin und wurde eingestellt – als einzige Frau unter 40 Männern. Elf Jahre ist das jetzt her. Ein Traumjob? Esther Kelder zögert kurz, vielleicht denkt sie an die Regentage, an den Schnee, an den vom Frost gefrorenen Boden. "Ja, es ist ein Traumjob", sagt sie dann und fügt hinzu: "Vor allem zur Saisoneröffnung, wenn alles blüht und die ganzen Menschen hierherkommen und wir sie glücklich machen können."

Das Unplanbare planen

Damit der Plan aufgeht und die Beete mit ihren Mustern und Blumenbildern auch wirklich perfekt aussehen, braucht es eine minutiöse Planung. Schon kurz nachdem der Keukenhof im Mai nach nur achtwöchiger Öffnungszeit seine Tore wieder schließt, macht sich Chefdesigner Martin Elling deshalb wieder ans Werk. Er plant die Beete und lässt sich jedes Jahr wieder neue Motive einfallen, die die Besucher begeistern sollen. In diesem Jahr hat er beispielsweise ein riesiges Mondrian-Beet anlegen lassen, das für das Design-Jahr "Von Mondrian bis Dutch Design" zum 100-jährigen Jubiläum der Künstlergruppe "De Stijl" für das passende Flair sorgen soll. Ob sein Plan aufgeht? Das weiß er erst, wenn der Keukenhof am 23. März öffnet.

"Im Schnitt blüht jede Tulpe nur rund eine Woche", sagt er, "je nach Wetter aber können es bis zu drei Wochen sein". Deshalb setzen die Gärtner die Zwiebeln an vielen Stellen nach der sogenannten Lasagne-Technik in bis zu drei Schichten. Ganz unten die langstieligen Sorten, dichter unter der Erdoberfläche kurzstieligere wie Krokusse oder Hyazinthen. Und: Nicht immer bekommt Elling von den rund 100 Züchtern die Sorten, die er sich für seine Motive gewünscht hat. "Blumenzüchten ist zwar eine Industrie, aber sie funktioniert nicht auf Knopfdruck", sagt er. Und so versucht er, Jahr für Jahr das Unplanbare zu planen, damit jedes Beet zu jedem Zeitpunkt in voller Blütenpracht steht.

"Jeder mag Blumen, oder?"

Esther Kelder und ihre Kollegen sind dafür zuständig, Ellings Pläne in die Tat umzusetzen. Und damit beginnen sie ebenfalls gleich nach dem Saisonende im Mai. Dann holen sie die sieben Millionen Zwiebeln wieder aus der Erde, damit sie nicht faulen und sie für das nächste Jahr mit frischer Erde anfangen können. Erst dann geht es in einen Urlaub, nach dem die Arbeit für das nächste Jahr beginnt.

Bei der ist es mit Zwiebelnsetzen allein nicht getan. Auf rund 32 Hektar müssen Beete angelegt, Laub geharkt, Hecken und Büsche beschnitten, Wege frei gehalten und Rasen gesät werden.

Auch Bart Siemerink hat schon neben den Gärtnern in der feuchten Erde gekniet. Was für alle Mitarbeiter gilt, gilt auch für den Direktor des Keukenhofs, doch als gelerntem Gärtner ist ihm das nicht wirklich schwergefallen. Schwerer war da schon die Aufgabe, die er vor sich hatte, als er die Leitung des Parks 2012 übernahm. Sowohl die Eingangs- und Kassenbereiche als auch die Infrastruktur wie Parkplätze waren dem Besucheransturm kaum mehr gewachsen. Also investierte er – rund 15 Millionen Euro in zwei Jahren. Das Ergebnis: ein neues Eingangsgebäude sowie ein größerer Parkplatz für 4500 Autos und 1000 Reisebusse. Notwendige Veränderungen, muss sich doch auch der Keukenhof der größer werdenden Konkurrenz im Freizeitbereich stellen. Doch Siemerink ist gelassen. "Jeder mag Blumen, oder?", sagt er stolz. Und gerade ein so schlichtes, aber schönes Konzept funktioniere nach wie vor.

Auch nach Feierabend haben Kelder, Elling und Siemerink noch nicht genug von Blumen. Siemerink leistet sich auch privat einen Tulpengarten, Elling wohnt inmitten der Tulpenregion Alkmaar und auch Esther Kelder kümmert sich um den eigenen Garten. Nur das Rasenmähen, das will sie zu Hause nicht auch noch selbst erledigen. Dafür hat sie einen Rasenmäher-Roboter angeschafft.

Tipps für Tulpengärtner

Damit auch Sie zu Hause mit Freude und Erfolg Tulpen und andere Blumenzwiebeln setzen und genießen können, haben wir uns von Esther Kelder einige Tipps geben lassen, wie das am besten gelingt.

1. Pflanzen auch Sie Blumenzwiebeln nach der Lasagne-Technik. Dabei sollten Frühblüher als obere Schicht gesetzt werden, darunter Zwiebeln, die im April blühen, und im untersten Teil spät blühende Sorten.

2. Pflanzen Sie möglichst verschiedene Sorten zusammen.

3. Wenn Sie sich für verwildernde Blumenzwiebeln entscheiden, sind die Kosten lange nicht so hoch, wie oft gedacht. Und: Sie können sich jahrelang an den Blüten erfreuen.

4. Die richtige Kombination macht’s: Zwiebelpflanzen, niedrige Stauden und Bodendecker passen im Garten beispielsweise sehr gut zusammen.

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