Jeroen Krabbé

Lesermeinung
Geboren
04.12.1944 in Amsterdam, Niederlande
Alter
79 Jahre
Sternzeichen
Biografie
Jeroen Krabbé, Bruder des bekannten Schriftsteller Tim Krabbé, ist Schauspieler, Maler und auch Regisseur. Sein Kino-Regiedebüt "Kalmans Geheimnis" stellte er in Deutschland auf dem Münchener Filmfest 1998 vor. Seit seiner internationalen Visitenkarte mit der Rolle des paranoiden Alkoholikers in Paul Verhoevens "Der vierte Mann" (1983) war Krabbé nur noch selten in niederländischen Filmen zu sehen. Während der Aufnahmen zu der - vorerst - letzten Folge der TV-Serie "Denver-Clan" fragte Krabbé seine Schauspiel-Kollegin Joan Collins, warum man nur einen Take pro Szene aufnehmen würde. "Darling, weil du so gut bist!", bekam er als Antwort. Er musste lachen, obwohl sie recht hatte.

Doch die überaus bequeme Position, in der sich Krabbé befindet, kam natürlich nicht von alleine. Denn Krabbé hat sich in vielen verschiedenen Richtungen der Schauspielkunst umgesehen, um so seinen eigenen Stil zu finden. Er kann sich noch gut daran erinnern, dass er bereits als Sechsjähriger wusste, dass er Schauspieler werden würde. Eine Ambition, die er schnell zu verwirklichen wusste. Auch wenn er in seinem Debütfilm "Fietsen naar de maan" (1963) nur "Guten Morgen" sagte, sah sein damaliger Regisseur, Jef Van Der Heyden, für ihn eine große Zukunft.

Eigentlich dafür prädestiniert Maler zu werden, - sein Vater und sein Großvater sind ebenfalls Künstler gewesen - meldete sich Jeroen Krabbé auf der "Kunstenijverheidsschool" in Amsterdam (die heutige Rietveld Akademie) an. An sein Talent als bildender Künstler wollte Krabbé nicht recht glauben. So wechselte er bald ins dramatische Fach auf die "Toneelschool Amsterdam" und schloss diese als noch 20-Jähriger ab. Nach seinem erfolgreichen Bühnendebüt in dem Shakespeare-Stück "Love Labours Lost" spielte er in einigen Komödien sogar an der Seite von niederländischen Theatergrößen wie Mary Dresselhuys, Ko Van Dijk und Guus Hermus. Auch wenn die Stücke nicht gerade kulturelle Meisterwerke waren, so dienten sie immerhin dazu, sich bestimmte Finessen als Schauspieler anzueignen. In den Jahren 1965 bis 1971 spielte Krabbé mit den Theatergruppen Centrum und Globe. Außerdem war er in diversen TV-Produktionen zu sehen und startete seine Karriere als Filmschauspieler mit Filmen wie "Professor Columbus" (1968, Regie: Rainer Erler) oder "Alicia" (1974, Regie: Wim Verstappen).

Ein absoluter Wendepunkt seiner Karriere war die Hauptrolle in Paul Verhoevens Golden Globe-Gewinner "Der Soldat von Oranien" (1977) an der Seite von Rutger Hauer. Krabbé war während des Drehs über seine Arbeit dermaßen erbost, dass er sich schwor, nie wieder auf einem Filmset zu erscheinen. Verhoeven konnte ihn zum Glück vom Gegenteil überzeugen, und schließlich war es diese Rolle, die Krabbé den Durchbruch brachte. Doch Krabbé kam mit seinem unerwarteten Starruhm nicht zurecht und zog sich zurück, um sich noch einmal der Bildenden Kunst zu widmen. Er meldete sich bereits einen Tag nach der Premiere des Films bei der "Rijksacademie voor Beeldende Kunsten te Amsterdam" an. Malen erschien ihm damals realer als die Schauspielerei: "Wenn ich eine Rolle spiele, erschaffe ich das Produkt eines anderen aufs Neue; mit meiner Malerei drücke ich meine Persönlichkeit direkt aus, ohne Kompromiss." Auf der Leinwand seiner Staffelage war er sein eigener Regisseur.

Weil sich Krabbé nicht richtig zwischen Schauspiel und Malerei entscheiden konnte, akzeptierte er wiederum Arbeiten am Theater und nahm auch wieder kleinere Filmrollen an: Karst Van Der Meulens Kinderfilm "Martin und der Zauberer" (1978) oder Paul Verhoevens "Spetters" (1980).

Nach dem Erfolg von "Soldaat Van Oranje" in den USA versuchten die beiden Hauptdarsteller Hauer und Krabbé ihr Glück in Hollywood. Während Hauer dies auch gelang, kam Krabbé zunächst noch mit leeren Händen zurück. 1981 fragte Regisseur Ate de Jong bei Krabbé an, ob dieser bereit wäre, die äußerst schwierige Hauptrolle an der Seite von Willeke Van Ammelrooy in der Verfilmung von Maarten t'Harts "Der Flug der Regenbrachvögel" anzunehmen. Auch wenn viele ihm abrieten - Krabbé hatte immer noch den Status eines Komödianten - nahm er die Rolle an. Dank Krabbés perfektem Gefühl für die schizophrene Hauptperson, für das richtige Timing und für den richtigen Ton der Geschichte, wurde der Film ein kommerzieller Erfolg und Krabbé galt endlich als Charakterschauspieler.

Als Gerard Souteman das Drehbuch zu Verhoevens "Der vierte Mann" (nach einem Roman von Gerard Revé) schrieb, hatten die Filmemacher bereits Krabbé für die Hauptrolle vor Augen. Er passte perfekt in die Rolle des alkoholsüchtigen Schriftstellers mit homosexuellen Neigungen, der in das perfide Netz einer "Schwarzen Witwe" gerät, den eigenen Tod aber noch abwenden kann. Regisseur Paul Verhoeven trieb in diesem Film Jeroen Krabbé zu wahren Höchstleistungen. Der Film war nicht nur in den Niederlanden erfolgreich, sondern startete auch einen Triumphzug durch die USA und Europa. Krabbé bekam in Italien, Spanien und Großbritannien Preise als bester Hauptdarsteller.

Nach diesem Erfolg wollte der englische Dramatiker Harold Pinter Krabbé unbedingt für sein Skript von "Ozeanische Gefühle" (1985), das von John Irvin verfilmt wurde. In der Zwischenzeit hatte Krabbé die Regie und die Rolle des Otto Frank in der Theaterproduktion "Das Tagebuch der Anne Frank" übernommen. Von diesem Werk, das zwei Sessionen sehr erfolgreich lief, exis tiert auch eine TV-Aufzeichnung. Um die Rolle in seinem ersten Auslandsfilm zu spielen, gab er seine Theaterarbeit weiter. Die Rolle des lästigen ungarischen Nachbarn von Ben Kingsley zeigte nocheinmal Krabbé komisches Talent. Außerdem waren nun internationale Kontakte geknüpft und Krabbés Auslandskarriere war unaufhaltsam.

Auch wenn er mit den beiden Kriegsfilmen Ate de Jongs "Im Schatten des Sieges" (1985) und Piotr Andreyevs "Shadowman" (1986) kurzzeitig in seine Heimat zurückkehrte, spielte Jeroen Krabbé fortan hauptsächlich auf internationalem Terrain. Er war an der Seite von Whoopi Goldberg in "Jumpin' Jack Flash", in dem James Bond-Film "James Bond 007 - Der Hauch des Todes" (beide 1986), neben Richard Gere und Kim Basinger in "Gnadenlos", neben Kate Capshaw in "Todesgrüße aus Havanna" (beide 1987), in dem Südafrika-Drama "Zwei Welten" (1988) als Ehemann von Barbara Hershey und als Widersacher des Gurkenverkäufers um die Gunst einer Frau in "Sarah und Sam" (1989) zu sehen.

1988 spielte er außerdem in der britischen Gesellschaftssatire "Scandal" und 1989 in der Comic-Adaption "Der Punisher" und in Andy Engels Drama "Der fünfte Freitag". Danach kam das Südsee-Abenteuer "Doch dann kam sie", Stephen Gyllenhals TV-Mehrteiler "Spionenbande" (beide 1990) und 1991 John Irvins Variante des "Robin Hood - Ein Leben für Richard Löwenherz"-Mythos, Barbra Streisands Psychodrama "Herr der Gezeiten", die TV-Produktion "Mord Ost - Mord West", Steven Soderberghs eigenwilliger "Kafka" und - wieder in den Niederlanden - Paul Ruvens deftig-derber Kurzfilm "Sahara Sandwich" (wieder mit Willeke Van Ammelrooy).

Für das Fernsehen arbeitete Krabbé regelmäßig. Er spielte in Serien und TV-Werken wie "De Vloek van Woestewolf" (Serie), "Durmazon" (beide 1974), "Amsterdam 700" (1975), "De Fabriek" (1981), "Weltkrieg III", "Party in Parijs", "Het Oponthoud" (alle 1982), "Willem Van Oranje" (1983), "Miami Vice" (1987), "Denver Clan" (1991), "Stalin" (1992), "Die Abenteuer des jungen Indiana Jones" (1993), "The Great War" (1996), "Die Abenteuer des Odysseus" (1997), "Only Love" (1998), "Dalziel and Pascoe" (Doppelfolge, 2006), "Inspector Barnaby - Die Untoten von Barton Woods" (2008), "Verborgen gebreken" (2 Folgen, 2009).

Danch sah man Krabbé in Filmen wie "Der verlorene Soldat" (1992), als vermeintlicher Freund von Harrison Ford in "Auf der Flucht" (1993), dem niederländischen Indonesien-Drama "Oeroeg", Steven Soderberghs "König der Murmelspieler" (alle 1993), als Beethovens Adlatus in "Ludwig van B. - Meine unsterbliche Geliebte" (1994), dem Kastraten-Drama "Farinelli" (1995), in dem Drama "Geschäft mit der Lust" (1996) an der Seite von Joanna Pakula, in dem biografischen Drama über den spanischen Dichter "Lorca - Mord an der Freiheit" (1997), den beiden US-Produktionen "Gefährliche Schönheit - Die Kurtisane von Venedig" (1997) und "Auf immer und ewig" (1998), in dem TV-Film "Only Love" (1998) mit Marisa Tomei, in Roger Youngs "Die Bibel - Jesus" und in dem Historiendrama "Ein perfekter Ehemann" (beide 1999).

Mit der Harry-Mulisch-Verfilmung "Die Entdeckung des Himmels" legte Krabbé 2001 eine weitere Regie-Arbeit vor. Darüberhinaus ziert eines seiner Bilder sogar eine niederländische Briefmarke.

Weitere Werke mit Jeroen Krabbé: "Tatort - Kressin und die Frau des Malers", "Wenn die Deiche brechen" (beide 1972), "Uilenspiegel" (1973), "Een pak slaag" (1979), "Pim" (1980), "Het verleden" (1982), "Jan Cox, a Painter's Odyssey" (Stimme, 1988), "Melancholia" (1989), "Family of Spies", "Sexspionage" (beide 1990), "Il cielo cade" (2000), "Fogbound" (2002, den er auch produzierte), "Ocean's Twelve" (2004), an der Seite von Jan Decleir in dem niederländischen Thriller "Off Screen", "Deuce Bigalow: European Gigolo", "Snuff-Movie", "Im Labyrinth des Lebens" (alle 2005), "Lege plekken", "Wie helpt mij nu nog?" (Erzähler, beide 2007), "Transporter 3" (2008), "Yankee Go Home", "Albert Schweitzer", "Gangster Kittens" (alle 2009).

Jeroen Krabbé im Interview zu "Die Entdeckung des Himmels"

prisma: War es für Sie ein Herzenswunsch auch hinter der Kamera als Regisseur zu arbeiten?

Jeroen Krabbé: Als Schauspieler habe ich mich oft gefragt, warum der Regisseur in einer bestimmten Situation nicht dieses oder jenes macht, weil das bestimmt für den jeweiligen Film viel besser gewesen wäre. Daraus folgt natürlich die Konsequenz, einmal selbst Regie zu führen. Das wollte ich schon lange, habe aber nie die richtige Geschichte gefunden. Als ich dann auf den wunderbaren Roman "Zwei Koffer" stieß, war ich mir sicher, den richtigen Stoff zu haben. So habe ich das Projekt "Left Luggage" (deutscher Titel: "Kalmans Geheimnis") in Angriff genommen. Mit Ate de Jong habe ich einen ausgezeichneten Produzenten gefunden, der ebenfalls vom Regiefach kommt und dem die ganze finanzielle Bürde wesentlich geläufiger ist als mir. Denn Geldfragen sind wirklich nicht meine Sache. Ate besorgte also das Geld und ich fragte einige meiner Schauspielkollegen, ob sie an einer Rolle interessiert seien. Isabella Rossellini etwa ist eine gute Freundin von mir und sie war sofort von der Story begeistert. Auch mit den meisten anderen hatte ich schon zusammengearbeitet. So kannte ich Marianne Sägebrecht oder Maximillian Schell schon vorher. Das war eigentlich ganz einfach.

prisma: Und wie lief das mit "Die Entdeckung des Himmels"? Diese Regiearbeit haben sie erst Jahre später in Angriff genommen.

Jeroen Krabbé: Mit diesem fabelhaften Buch hatte ich endlich wieder einen Stoff, der mich ungemein gereizt hat. Die Literaturvorlage von Harry Mulisch galt für viele als unverfilmbar. Aber ich habe sie auf ihre Verfilmbarkeit untersucht und fand, wenn man nur der Geschichte folgen würde und die vielen philosophischen Abhandlungen außer Acht lassen würde, müsste man auch dieses 800-Seiten-Werk verfilmen können. Das Ganze ist ja eine wunderbare Mischung aus einer typischen Dreiecksbeziehung ähnlich wie in Truffauts "Jules & Jim" - wir haben hier mit Ada Brons eine Frau zwischen den recht unterschiedlichen Freunden Onno und Max - und natürlich dem biblischen Thema. Denn die Vorraussetzung ist ja, dass Gott meint, da die Menschen offenbar nicht mehr an ihn Glauben, solle man ihm auch die Tafeln mit den Zehn Geboten zurückgeben und die Menschheit solle fortan sich selbst Überlassen werden. Zu diesem Zweck hecken die Engel die Geschichte aus, damit durch Adas Sohn Quinten die Zehn Gebote wieder in dem Himmel gelangen. So ist Quinten eine Art Messias, der diesmal allerdings nicht vom Himmel auf die Erde kommt, sondern eher umgekehrt von der Erde in den Himmel geschickt wird. Das fand ich einfach eine tolle Idee. Denn schaut man sich in der Welt um, muss man feststellen, dass Harry Mulisch hier fast schon ein prophetisches Werk verfasst hat. Denn neun Jahre nachdem das Buch erschienen ist, fand mit dem 11.September 2001 ein Ereignis statt, dass genau dies offenbart: Gott hat sich von der Menschheit abgewandt. Egal ob man Christ, Jude oder Moslem ist. Und auch die andere Dinge, die auf unserer Erde geschehen zeugen davon, dass Gott wohl nicht mehr an uns interessiert ist. Ob nun die Tatsache, das Flugzeuge die Türme des World Trade Centers zerstört haben, atomare Verseuchung, die ganzen Ereignisse im Nahen Osten oder die furchtbare Ölkatastrophe in Spanien...

prisma: Das sind in der Tat apokalyptische Bilder, die da fast täglich Über unsere Bildschirme flimmern.

Jeroen Krabbé: Genau! Und darin hatte Mulisch auf eine seltsame Weise mit seinem Roman visionäre Kräfte. Auch ich habe den Film ja bereits vor dem 11. September fertig gestellt. Aber man braucht auch enorm viel Zeit, so ein Projekt erst mal auf die Beine zu stellen.

prisma: Es gab ja auch einige Schwierigkeiten. Etwa mit den Drehgenehmigungen auf Kuba...

Jeroen Krabbé: Das stimmt. Dort haben wir mehrmals angefragt, aber keine Genehmigung bekommen. So mussten wir uns in Europa nach Drehorten umschauen, die kubanisches Flair hatten. Für die Strandszenen sind wir nach Florida gegangen. Aber auch auf dem Tempelberg in Jerusalem haben wir teilweise ohne Drehgenehmigungen gearbeitet. Und unsere Drehs haben kurz vor der Intifada stattgefunden. Sharon ist doch ein Idiot, ein Spinner! Da haben wir, so gesehen, noch sehr viel Glück gehabt. Wir haben dann bei der zuständigen Stelle behauptet, dass wir einen Film über die Architektur Jerusalems machen wollten. So bekamen wir einen polizeilichen Aufpasser zur Seite gestellt und konnten an Originalschauplätzen drehen, mussten das Ganze aber natürlich entsprechend kaschieren. Wir haben dann etwa mit der Kamera einen Schwenk an einem Turm herunter gemacht, haben so getan als würden wir mit Handy telefonieren, haben aber tatsächlich den Schauspielern über Handy Regie-Anweisungen gegeben und sie entsprechend dirigiert. Die kamen dann, gerade als die Kamera mit dem Schwenk am Turm herunter unten ankam, aus dem Gebäude und die Kamera folgte wie zufällig den Schauspielern, um dann am nächsten Turm wieder hoch zu schwenken. So kamen wir dann doch noch zu unseren Aufnahmen. Das war eigentlich ziemlich gefährlich und wenn wir aufgeflogen wären, hätte es mächtig Ärger geben können.

prisma: Sind sie denn ein religiöser Mensch?

Jeroen Krabbé: Nein! Überhaupt nicht. Ich bin zwar in eine jüdische Künstlerfamilie hinein geboren worden, aber absolut atheistisch erzogen worden. Dennoch habe ich immer ein reges Interesse an jedweder Form von Religion gehabt.

prisma: Sie haben in ihrem Film den Himmel nach den architektonischen Zeichnungen Giovanni Battista Piranesis konstruieren lassen. Diese Vorstellung ist ja deutlich von den hellen, Sonnen durchfluteten, christlichen Bildern entfernt...

Jeroen Krabbé: Ja! Da gab es auch in den Niederlanden einigen Ärger. Denn einem wichtigen Kirchenmann war dieser Himmel entschieden zu düster. Doch da konnte ich nur antworten: Wer weiß denn tatsächlich wie der Himmel aussieht? Niemand, der dort war, ist bislang zurückgekommen. Woher sollen wir also wissen, dass es dort nicht finster ist? Auch wenn man heute mehr weiß, als noch im Mittelalter. Da konnte man die Menschen einfacher dirigieren. Die gesamte Kunstausrichtung lief auch darauf hinaus. Da gab es die hellen, fast schon kitschigen Marienbilder und die finsteren Bilder eines Hieronymus Bosch.

prisma: Da spricht der bildende Künstler in ihnen.

Jeroen Krabbé: Ja, ich stamme ja, wie bereits erwähnt, aus einer Künstlerfamilie. Mein Vater war Maler, mein Großvater war Maler und ich habe auch eine abgeschlossen Ausbildung als Maler. Die Malerei hat mich schon als Kind interessiert und ich habe bereits in jungen Jahren alles mögliche gemalt und skizziert. Mein Vater hatte ein Buch herausgeben, das eine didaktische Heranführung für Kinder an die Malerei beinhaltete. Ich habe damals das gesamte Buch illustriert. Da war ich sieben oder acht Jahre alt. Das fand ich toll. Da ich offenbar einiges Talent darin besaß, war es für mich eine logische Konsequenz, Malerei zu studieren.

prisma: Sie haben auch mal gesagt, dass man als Maler sein eigener Regisseur ist...

Jeroen Krabbé: Das ist auch so. Die Malerei ist für mich sehr wichtig. Denn man bringt seine eigene Vorstellung mittels der Farben und des Pinsels auf die Leinwand. Eine kreativere Form der Kunst kann es nicht geben. Als Schauspieler ist man ja eher rekreativ. D.h., man vermittelt das, was sich ein anderer vorher ausgedacht hat. Man schlüpft in eine Hülle, die von jemand anderem geschaffen wurde und füllt diese dann mit Leben. Das gelingt mal besser und mal schlechter. So gesehen ist die Arbeit eines Regisseurs eine wesentlich größere Herausforderung.

prisma: Sie sind also ein Künstler durch und durch.

Jeroen Krabbé: Absolut. Und es ist toll, dass ich die Möglichkeit besitze, alles unter einen Hut zu bringen.

prisma: Eine der letzten Gulden-Briefmarken zeigt auch ein Landschaftsgemälde von Ihnen...

Jeroen Krabbé: Das stimmt und darauf bin ich auch sehr stolz. Dass man mich Überhaupt gefragt hat, ehrt mich sehr.

prisma: Bieten Sie ihre Gemälde auch zum Verkauf an?

Jeroen Krabbé: Natürlich! Ich habe eine Galerie in London, die letztes Jahr auch eine finanziell sehr erfolgreiche Ausstellung organisiert hat. Demnächst soll eine weitere folgen. Außerdem erscheinen in den Niederlanden regelmäßig Kunstkalender mit meinen Werken.

prisma: Ist denn ihre Arbeit als Hollywood-Schauspieler auch künstlerisch interessant oder dient sie hauptsächlich dem Lebensunterhalt?

Jeroen Krabbé: Ein bisschen von beidem. Sie dient natürlich dem Unterhalt, macht aber auch Spaß. Und es ist einfach wunderbar mit so fantastischen Leuten wie Harrison Ford, Amy Irving oder Whoopie Goldberg arbeiten zu dürfen. Das ist schon eine Ehre für mich, auch wenn ich lange als Bösewicht abonniert war. Aber diese Form der Arbeit werde ich dennoch weitermachen, wenn man mich lässt. Denn die enorme Disziplin der Arbeit, die hohe Professionalität in den USA ist schon beeindruckend. Man lernt tolle Leute kennen und sammelt immer neue Erfahrungen. Die können mir dann vielleicht wieder bei meiner Arbeit als Regisseur zu Gute kommen.

prisma: Haben Sie denn ein neues Projekt als Regisseur in Aussicht?
Jeroen Krabbé: Nein, nicht wirklich. Im Moment bin ich auch noch nicht frei dafür. Ich habe immer noch "Die Entdeckung des Himmels" im Kopf, auch wenn die Welturaufführung bereits im September 2001 stattgefunden hat, reise ich immer noch mit dem Film durch die halbe Welt, bin auf Festivals und um - wie jetzt hier in Deutschland - auch den Verleih in anderen Ländern zu unterstützen. Man wünscht sich ja, dass der Film einem möglichst großem Publikum zugänglich gemacht wird. Die einzige Geschichte, die mich reizen würde, kommt aus Auschwitz und hat dort tatsächlich stattgefunden: Da haben mehrere Rabbiner Gott für seine Untaten vor Gericht treten lassen und auf eine Anklagebank gesetzt. Daraus könnte man, glaube ich, einen interessantes Gerichtsdrama im Stile von "Die zwölf Geschworenen" machen. Die Anklageschrift ist gewaltig und Gott hat hier natürlich einen Verteidiger. Dessen Argumente kenne ich allerdings noch nicht, ich weiß nur, dass Gott am Ende für schuldig gesprochen wird. Und das ist doch ein Hammer, oder?

prisma: Absolut! Das könnte in der Tat ein packendes Werk werden. Sie scheinen trotz Ihrer, wie sie selbst zugegeben haben, nicht vorhandenen Religiösität ein gesteigertes Interesse für religiöse Themen bzw. für jüdische Geschichte zu haben. Ihre erste Regie-Arbeit überhaupt war die Theaterversion vom "Tagebuch der Anne Frank", von der es auch eine TV-Aufzeichnung gibt.
Jeroen Krabbé: Ja, das ist richtig. Dies hat natürlich auch mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Denn ich bin als Jude in den Niederlanden aufgewachsen. Aber darüber hinaus hat Religion auch etwas faszinierendes. Denn sie verbindet Völker und birgt so ein unglaubliches Potential, Dinge zum Guten zu wenden. Denn trotz den vielen bösen Anzeichen, hoffe ich natürlich, dass die Welt wieder lebenswert wird und dass man nicht wie im Mittelalter in ständiger Angst vor dem nahenden Ende leben muss.

prisma: Sie sagten zu Beginn, dass Sie bei vielen Regisseuren Mängel festgestellt haben. Gab es denn auch welche, die Sie im besondern Maße gefordert haben.

Jeroen Krabbé: Ja, auf jeden Fall Paul Verhoeven. Ihm verdanke ich viel, und mit ihm würde ich jederzeit wieder zusammenarbeiten.

prisma: Stimmt denn die Geschichte, dass sie bei ihrer ersten großen gemeinsamen Produktion "Der Soldat von Oranien" während der Dreharbeiten alles hinschmeißen wollten?

Jeroen Krabbé: Ja, das stimmt. Dazu muss man sagen, dass wir zwei längere Drehperioden hatten. Die erste war im Spätsommer und Herbst, dann war ein Pause von zwei, drei Monaten und im Februar bis in den Frühling hinein sollte dann weiter gedreht werden. Als ich in der Drehpause die ersten Aufnahmen auf Leinwand sah, fand ich mich absolut grauenhaft. Ernsthaft, ich fand mich total scheußlich und habe sofort Paul angerufen und ihm gesagt, dass ich ihm für die weiteren Drehs nicht mehr zur Verfügung stände, da das Ganze keinen Zweck hätte, weil ich so furchtbar wäre. Paul war zuerst etwas geschockt, hat mich dann aber zur Montage in den Schneideraum gebeten. Als ich dann das Material auf dem kleinen Bildschirm auf dem Schneidetisch sah, fand ich mich wieder ansehnlich und Paul ging sofort ein Licht auf. Er sagte: "Weißt du was, das ist der erste Film, der dich auf großer Leinwand zeigt und das hat dich dermaßen erschreckt, einfach weil es anders ist." Und damit hatte er recht. Also ohne ihn hätte ich vielleicht mit der Schauspielerei wieder aufgehört.

prisma: Ich halte "Der vierte Mann", in dem Sie die Hauptrolle spielen, für Verhoevens bislang besten Film...

Jeroen Krabbé: Ja, das geht mir genauso. Und bei diesem Film hat er mir auch sehr viel abverlangt.

prisma: Das dachte ich mir und deshalb habe ich die Frage nach den Regisseuren gestellt.

Jeroen Krabbé: Das wiederum, habe ich mir gedacht.

Interview: Stephan Mertens

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