Bastian Pastewka im Interview

"Wir waren schon immer eine Laus"

15.01.2019, 06.05 Uhr
von Florian Blaschke

Ab 25. Januar läuft die neunte Staffel der Sitcom "Pastewka" bei Amazon Prime Video. Nach Jahren im Privatfernsehen ist Bastian Pastewka damit endgültig beim Streaming-Dienst angekommen. Wir haben mit ihm über Quoten, Humor und seinen jährlichen Rappel gesprochen.

SO SEHEN SIE "PASTEWKA"

Amazon Prime Video ist der Streaming-Dienst des E-Commerce-Konzerns Amazon und über einen Webbrowser sowie Streaming-fähige Geräte wie Smart-TV, Tablets oder Handys abspielbar. Filme und Serien können Sie als Amazon-Kunde kaufen oder Sie schließen ein Video-Abonnement ab (ab 5,75 Euro/Monat). Mehr Informationen können Sie im Internet auf www.amazon.de/amazonprime finden.

Herr Pastewka, lassen Sie uns zum Einstieg ein bisschen zurückblicken …

Ich wurde 1972 geboren, in einem Knappschaftskrankenhaus …

Nicht ganz so weit. Nur bis 1999, da wurden Sie in einer Umfrage zum beliebtesten Komiker Deutschlands gewählt. Seitdem ist da nicht mehr viel passiert. Das hat mich nachdenklich gemacht. Sie auch?

Nein, überhaupt nicht. 1999 war ich sehr jung, ich war 27, und hatte mit meinen Partnern Anke Engelke, Marco Rima und Ingolf Lück eine Art Nummer-1-Hit mit der Wochenshow. Und weil wir nur zu viert waren, haben wir in unseren Sketchen alle Rollen gespielt: lustiger Polizist, lustiger Pfarrer, lustiger Kellner, lustiger Postbote. Und damit liefen wir wöchentlich, weshalb unsere Show eine Riesenaufmerksamkeit bekommen hat. Außerdem war das die Zeit der kleinen, schmutzigen Comedy-Sendungen im Privatfernsehen. Da sind wir alle freundlicherweise regelmäßig ausgezeichnet worden.

Das heißt aber, solche Umfragen und Preise sind schon etwas, das Sie interessiert?

Die Umfragen nach den beliebtesten Komikern hat es danach auch immer mal wiedergegeben. Mario Barth war da glaube ich fünf Jahre nicht vom Spitzenplatz zu verdrängen und das ist auch vollkommen richtig so. Alles hat seine Zeit. Aber viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis nennen sofort Loriot, Otto und Dieter Hallervorden. Und das würde ich auch tun, weil alle drei meine deutschsprachigen Humorvorbilder sind.

Wo Sie gerade Otto ansprechen: Haben Sie manchmal Angst vor so etwas wie einem "Otto-Effekt"? Dass Sie, sobald irgendwo eine Kamera angeht oder Sie ein Mikrofon vor die Nase gehalten bekommen, in Ihre Rolle abtauchen und nicht mehr der Mensch Bastian Pastewka sein können?

Nein. Wenn man sich Otto Waalkes wie zuletzt beim Heavy-Metal-Festival Wacken anschaut, wo er 120.000 Musik-Fans einheizt, würde ich sagen: Diesen Effekt möchte ich zumindest mal kurz ausleihen.

Jetzt unterscheidet sich Ihr Humor ja fundamental von Otto oder Hallervorden. Was können Sie von ihnen lernen?

Die Frage ist: Wie altern Entertainer und ihre Rollen? Auch bei "Pastewka", sehen wir nach 15 Jahren Veränderungen in den Persönlichkeiten unserer Figuren und den Themen. Als wir begonnen haben, waren wir alle Anfang 30 und unschuldig, da gab es noch 4:3-Fernsehen, Klapphandys und wir hatten seltsame Frisuren. Selbst unsere Kleinste, Cristina do Rego, die Bastians Nichte Kim spielt, ist inzwischen 30 Jahre alt und längst können wir sie nicht mehr als 13-Jährige erzählen wie zu Beginn.

Das ist ein bisschen wie bei TKKG oder den drei Fragezeichen, die ja auch nie älter werden dürfen …

Justus, Peter und Bob sind immer noch 16 und leben bei Onkel Titus auf dem Schrottplatz, klar. Aber den Spaß macht jeder Fan mit, da es sich um eine Hörspielserie handelt. "Pastewka" dagegen ist jederzeit sichtbar und ich behaupte frech, wir haben uns deshalb bei jeder neuen Staffel verändern müssen. Außerdem wartet unser treues Publikum nicht mehr auf 20.15 Uhr, im Streaming-Zeitalter gucken alle, wann immer sie wollen. Wir versuchen dem Rechnung zu tragen und in unserer aktuellen Staffel eine Geschichte über sämtliche Folgen zu erzählen.

Das heißt, Sie müssen auch was das Drehbuch angeht umdenken?

Ja, das haben wir mit Staffel 6 schon langsam begonnen. Auch, weil die Figuren wie Bastians Freundin, sein Vater, seine Agentin und so weiter über die Jahre ein Eigenleben bekommen haben. Und deshalb war es an der Zeit, dass Bruder Hagen und seine anstrengende Svenja endlich ein Kind bekommen, und dass dieses Kind Tag und Nacht schreit und Bastian der Einzige ist, bei dem es ruhig ist.

Als Pastewka noch bei Sat.1 lief, sind die Quoten Jahr für Jahr gesunken, jetzt, bei Amazon Prime, gibt es keine Quoten mehr. Woran messen Sie sich?

Ich kenne keine Zugriffszahlen und bin auch froh darum. Ich habe das Quotenrechnen und Schielen auf Zielgruppen immer sehr distanziert betrachtet. Ich bin dankbar, dass unser Publikum meine kleine Serie schätzt. Das zählt für mich, und da ist es mir relativ wurscht, ob die Prozentzahlen über die Jahre weniger oder mehr wurden.

Und hatten Sie nie das Gefühl, bei Amazon sozusagen hinter dem Zaun zu spielen und potenzielle Zuschauer auszusperren?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wir kriegen ganz viele Reaktionen von Menschen, die sich unsere erste Amazon-Staffel angeschaut haben – also die achte – und dann entscheiden, die Vorgänger-Staffeln fröhlich nachzuholen. Und es kommt natürlich meinem privaten Weltherrschaftsplan sehr entgegen, dass unsere mittlerweile 88 Folgen nun für immer im "Regal" stehen.

Wobei Sie zugeben müssen, dass Sie schon alleine aufgrund einer solchen Zahl mit 88 Folgen nicht aufhören können …

Auf gar keinen Fall, wir müssen irgendeine runde Zahl erreichen.

Durch Streaming-Dienste oder Youtube haben wir Zugriff auf die unterschiedlichsten Comedy-Formate aus aller Welt. Glauben Sie, durch diese Einflüsse verändert sich auch der Humor der Menschen?

Das ist sicher so und ich bitte ehrlich gesagt auch darum. Aber es gab ja auch Drama-Serien, die so mutig waren, dass sie unser Sehverhalten verändern konnten. Noch in den 1980ern wurden Seriengeschichten letztlich um Werbeblöcke herumgebastelt. Dann kam in den 90ern der erste große Wandel mit "Emergency Room", wo plötzlich jede Episode einer Arztserie aussah wie ein kleiner Arthouse-Film. Dann hat "Akte X" eine große Tür aufgestoßen, die späteren "Star-Trek"-Serien, die horizontal erzählten und nicht bloß einfach das Alien der Woche lieferten. Auch die Briten darf man nicht vergessen, die mit "Für alle Fälle Fitz" in den 90ern die Soziokrimis gestartet haben. Seit dieser Zeit haben viele Ermittlerfiguren ein definiertes Privatleben und sind nicht mehr nur Kommissare mit dem Block, die stets fragen, wo Sie gestern zwischen 21 und 21.30 Uhr waren ...

… und die alle irgendeine Form von Problem haben.

Und das darf ja auch so sein. Es war auch kein Zufall, dass wir den Serien-Bastian gerade erst in eine handfeste Midlife-Krise geschickt haben. Es ist alles im Umbruch, wir sind zwar alle vernetzt, scheinen aber die großen Probleme, die auf uns zukommen, nicht so einfach lösen zu können. Nur der Serien-Bastian ignorierte die Signale der Zeit. Und das kriegt er natürlich um die Ohren gezimmert von seiner Freundin Anne, die gesagt hat: Ich gehe. Das war für uns als Geschichte herausfordernd, aber auch als Start in einen neuen Erzählabschnitt nach vier Jahren Pause.

Sie selbst teilen ja mit ihrer Figur die Leidenschaft für das Fernsehen und für Serien. Wenn Sie da auf andere Formate schauen, nehmen wir Game of Thrones: Die dürfen in jeder Folge drei Charaktere umbringen, die das Publikum liebgewonnen hat. Oder den Tatort, wo inzwischen fast alle Kommissare einen an der Klatsche haben. Haben Sie da nicht manchmal das Bedürfnis, noch mal das Genre zu wechseln? Oder den Wunsch, einen Ihrer Charaktere um die Ecke zu bringen?

Bis auf Frau Bruck würde mir da keiner einfallen. Aber ich glaube, dass die Sitcom andere Gesetze hat. Trotzdem sind wir aus unseren sehr strengen Regeln schon das ein oder andere Mal ausgebrochen. Wir haben eine geträumte Episode gemacht, hatten mehrfach Doppelfolgen; eigentlich fehlt uns nur noch eine Musical-Episode. Aber die Figuren sind uns heilig und daher gibt es bei uns weder Morde noch Raumschiffe. Denn sonst steigt das Publikum aus und sagt: Die spinnen wohl.

Was wissen Sie eigentlich über Ihr Publikum? Ist das über die Jahre mit Ihnen älter geworden?

Immer wenn ich das glaube, werde ich plötzlich von einem Haufen 16-Jähriger angesprochen, die mich über die Serie ausfragen. Ich habe es auch immer vermieden, mich mit den Zuschauern, die uns beispielsweise auf Facebook schreiben, gemein zu machen. Denn wenn ich da mal in die Kommentare schaue, weiß ich: Es ist unmöglich, diese Menge an Vorlieben, Kritik oder Ratschlägen zu beherzigen. Wir können nicht alle glücklich machen. Wir waren schon immer ein Experiment und eine Laus im Sitcom-Pelz.

Nun haben die Streaming-Dienste nicht nur den Vorteil, dass die Zuschauer einschalten können, wann sie wollen, sondern auch unglaublich viele Daten über das Sehverhalten. Nutzen Sie das, um die Serie weiterzuentwickeln?

Es gab auch früher schon Quotenverläufe und die habe ich mir auch ein paar Mal angeschaut. Aber je mehr Schlüsse man daraus zieht, desto größer ist die Gefahr, dass man irgendwann konformistisch denkt. Und Fernsehmachern, die mir erzählen wollten, wie ein Format zu funktionieren hat, damit der Zuschauer dranbleibt, habe ich immer misstraut.

Ihr Serien-Bastian ist in Sachen Medienkonsum ja durchaus rückwärtsgewandt. Wie sieht denn ihr eigenes Fernsehverhalten aus? Teilen Sie seine Liebe zu alten Sachen?

Natürlich gibt es Klassiker, die ich liebe, Edgar-Wallace-Filme etwa, die Durbridge-Verfilmungen oder meine geliebten "Muppets". Aber vieles hat sich auch zurecht überlebt und ich bin nicht der Ansicht, dass früher alles besser war.

Nun bekommen wir durch Streaming-Dienste nicht nur ganz viel nach Hause, sondern Medienmacher auch die Chance darauf, international bekannt zu werden. Hoffen Sie da mit Pastewka auch drauf?

Das geht nicht, wir sind nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu sehen. Außerdem sind wir wahrscheinlich eine sehr deutsche Serie.

Und das Ganze für einen anderen Markt noch mal neu aufzuziehen? Mit eigenen Schauspielern?

Es wird komischerweise ganz oft kolportiert, dass deutsche Serien im Ausland ein Remake erfahren sollen, aber dann hört man nie wieder etwas davon. Englische oder skandinavische Serien schaffen das häufig, aber nur wenige dieser Adaptionen waren erfolgreicher als die Vorlage. Der Schauspieler David Tennant etwa hat seine Rolle in der englischen Serie „Broadchurch“ noch einmal in einer US-Version gespielt; das Original war ein großer Erfolg, die US-Fassung "Gracepoint" dagegen wurde nach einer Staffel eingestellt. Mal abgesehen davon, dass mich niemand fragen würde, könnte ich sicher auch nichts ausrichten, da ich die Sprachbarriere für unüberwindbar halte.

In einer Rezension hat der Medienjournalist Stefan Niggemeier geschrieben, Pastewka sei die Rolle ihres Lebens. Da fragt man sich ja schon, was danach eigentlich noch kommen soll.

Das weiß ich auch nicht. Und ich muss wohl überlegen was ich machen will, aber ich habe es nicht so mit tiefgreifenden Entscheidungen. Einmal im Jahr kriegt meine Agentin einen Rappel, weil ich ihr wiedermal verkünde, dass ich unbedingt Standup-Comedy machen will, weil ich irgendwo wen gesehen habe und denke, ich könnte das auch. Sie zieht da mittlerweile nur noch die Augenbrauen hoch und dann weiß ich: Ok, keine gute Idee.

Apropos Rolle: Wichtig für Pastewka sind ja auch all die Gastrollen – von Michael Kessler über Anke Engelke bis Hugo Egon Balder. Dienen diese Gastrollen einem Promi-Effekt – dazu, das Spektrum der Serie zu erweitern? Oder haben Sie daneben auch die Aufgabe zu verhindern, dass die Serie sich zu sehr auf die Hauptrolle Pastewka fixiert?

Da muss ich klar sagen: weder noch. Wir haben das nicht gemacht, um mich zu erhöhen, noch um ein Gegengewicht zu schaffen. Wir machen es in erster Linie aus Spaß an der Freude und als Überzeugungstäter. Wie alles bei dieser Serie.

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