Romanverfilmung in der ARD

"Die Vermessung der Welt": Kostümschinken ohne echte Dramaturgie

von Andreas Fischer

Slapsticknummer ohne echten Spannungsbogen: Daniel Kehlmanns Roman "Die Vermessung der Welt" wurde als feudaler Kostümschinken verfilmt.

ARD
"Die Vermessung der Welt"
Komödie • 01.07.2019 • 00:15 Uhr

"Die Neugier bleibt", darauf können sich Alexander von Humboldt (1769 bis 1859) und Carl Friedrich Gauß (1777 bis 1855) am Ende einigen. Die beiden Naturforscher haben im 18. und 19. Jahrhundert unabhängig voneinander die Welt vermessen – jeder auf seine Weise. Humboldt als universaler Naturforscher, Gauß als Mathematiker. Daniel Kehlmann hat den beiden Genies in seinem Roman "Die Vermessung der Welt" ein Denkmal gesetzt – ein witziges, ein unterhaltsames, ein spannendes. Weil seine parallel erzählte Doppelbiografie ein Weltbestseller ist, brachte man sie 2012 auf die Leinwand – mit hohen Erwartungen, die Filmemacher Detlev Buck leider nicht erfüllte. Lediglich rund 600.000 Zuschauer sahen "Die Vermessung der Welt" im Kino, nun zeigt die ARD die Romanverfilmung als Wiederholung zu später Stunde.

Trotz aller Gemeinsamkeiten könnten Humboldt (Albrecht Schuch) und Gauß (Florian David Fitz) nicht unterschiedlicher sein. Sie beide streben nach Wissen, sind angetrieben von einem unstillbaren Durst nach Erkenntnis. Kehlmann erzählt ihre Lebensgeschichte im Roman als Dokufiktion: Er wirft wechselweise Schlaglichter auf Humboldts wegweisende Südamerika-Expedition und Gauß' bahnbrechende Leistungen bei der Entwicklung der Zahlentheorie – immer mit einer persönlichen Note, die sich durchaus mal aus der Fantasie speisen kann. Das ist witzig, weil die Wissenschaftler im Prinzip dasselbe machen, aber ganz verschiedene Typen sind: Humboldt ein liberaler Humanist mit Fernweh und unbändigem Tatendrang. Gauß ein etwas lebensfremd wirkender Monarchist, der es sich in seinem Göttinger Elfenbeinturm gemütlich eingerichtet hat. Aus dieser Gegensätzlichkeit zieht die Geschichte ihre Faszination.

Es ist durchaus verständlich, dass Detlev Buck den erzählerischen Ansatz übernommen hat. Zumal Daniel Kehlmann am Drehbuch mitgewirkt hat und im Film als Vorleser aus dem Off zu hören ist. Was im Roman wunderbar funktioniert, klappt in den zwei Filmstunden nur bedingt: Man springt zwischen tropischem Regenwald und preußischer Düsterwelt hin und her, kommt aber nirgendwo an. Als Film ist "Die Vermessung der Welt" ein recht oberflächliches Sehbuch, von Buck als feudaler Kostümschinken, aber ohne wirklich funktionierende Dramaturgie inszeniert.

Zumindest ist immer was los bei Buck – dass es langweilig wird, kann man ihm nicht vorwerfen. Weil sich der Film auf alberne Anekdoten konzentriert und dem Slapstick frönt, bleibt im Verborgenen, was Humboldt und Gauß schlussendlich antreibt. Die Neugier jedenfalls wird nicht befriedigt.

Daniel Kehlmann ist derweil groß im Geschäft. Der in München geborene Autor wurde in diesem Jahr bereits mit zwei Literaturpreisen bedacht. Die Jury des Anton-Wildgans-Preises bezeichnete ihn als "Meister der Erzählung" und hob hervor, dass der 44-Jährige die "Tore hinter das Augenscheinliche jeder Handlung" öffnen würde. Außerdem gewann Kehlmann den Schubert-Literaturpreis.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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