Serie bei Sky

"Gangs of London" ist nichts für schwache Nerven

von Andreas Fischer

"Was bleibt mir anderes übrig?", fragt ein junger Mann im feinen Zwirn rhetorisch, entzündet ein Streichholz und lässt einen bedauernswerten Kleinganoven in Flammen aufgehen. Der hatte bis zuletzt gefleht und gebettelt, doch wenn es in der Sky-Originalserie "Gangs of London" (ab 23. Juli) eines nicht gibt, dann ist das Gnade. Auch nicht für jemanden, der schon ziemlich lang kopfüber vom Dach eines Wolkenkratzers baumelt.

Ja, die Unterwelt steht ziemlich Kopf in London seitdem Finn Wallace (Charakterkopf Colm Meany hat zunächst nur einen Kurzauftritt) erschossen wurde. Der Gangsterboss war so etwas wie der Oberpate des Untergrunds, er hielt die geschäftlichen Interessen verschiedener Gangs in Waage. Wenn man so will, war Finn Wallace ein ausgleichendes Element. Weil das nun fehlt, droht die Schattenwelt der Metropole zu implodieren.

Finns Sohn Sean (Joe Cole), der junge Mann im feinen Zwirn, fehlen jedenfalls strategische Weitsicht und diplomatisches Geschick, um ein ohnehin konfliktreiches Geschäftsfeld in explosiven Zeiten gewinnbringend zu beackern. Sean steht der Sinn nach Rache und sonst gar nichts. "Ein Junge wie er würde ganze Städte niederbrennen, nur um der Welt zu zeigen, dass er ein Mann ist", raunt einer seiner Geschäftspartner hinter seinem Rücken.

Nachdruck mit Fleischerbeil

Er soll in den neun Episoden der ersten Staffel recht behalten, was "Gangs Of London" mit beklemmender Brutalität zeigt. Für schwache Nerven ist das eindrückliche Gangsterepos definitiv nichts, allein in der 90-minütigen Pilotfolge muss man zweckentfremdete Dartpfeile, zerberstende Knie und ein ziemlich hungriges Fleischerbeil ertragen.

Die Gewalt mag explizit sein, sinnlos ist sie nicht: Sie illustriert eine zunehmende Verrohung der Sitten, die nicht nur in der Multikulti-Welt der Clans von Albanern, Kurden, Pakistani und Welsh-Romani um sich greift. So ist die Sky-Serie, die zweite Staffel ist bereits beauftragt, ein Panoptikum der Ängste und Schmerzen in einer von Rassismus gespalten Klassengesellschaft – nicht nur in den Katakomben Londons.

Wer sich jedenfalls wie Elliot Finch (Sope Dirisu), einer von Wallaces Laufburschen, hocharbeiten will, darf erstens nicht zimperlich sein und muss zweitens mit Vorurteilen aufräumen können. Das ist für ihn nicht einfach, aber für das Publikum spannend anzusehen. Zumal die mit beklemmenden Bildern gefilmte Serie den einen oder anderen Haken schlägt und nicht mit Actionszenen im Guy Ritchie-Stil geizt.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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