Unterwasserfilmerin Christina Karliczek

Den Eishaien auf der Spur

18.01.2021, 11.53 Uhr
von Felix Förster

Als geschickte Jäger kennen wir Haie vor allem aus tropischen Gewässern. Über die Haie des Nordmeeres wissen wir allerdings kaum etwas. Unterwasserfilmerin Christina Karliczek ist auf der Suche nach diesen Tieren, die mehrere 100 Jahre alt werden können, in den kältesten Meeren der Erde getaucht. Dabei ist sie sogar leuchtenden Haien begegnet.

Wann haben Sie begonnen, sich für die Ozeane der Welt zu interessieren? Gab es da einen Auslöser?

Christina Karliczek: Schon sehr früh. Ich bin als Kind an der niederländischen Wattenmeerküste und auf Segelbooten aufgewachsen. Da war das Meer immer faszinierend für mich und ich habe schon sehr früh Fernweh bekommen. Ich habe mich immer schon dafür interessiert, was unter Wasser passiert, auch bei uns am Wattenmeer, wo man ja eigentlich nichts sieht, wenn man so ins Wasser guckt. Trotzdem hat es mich da gereizt, zu wissen, was unter der Oberfläche passiert. Als Kind habe ich alle Bücher gelesen, die sich mit Seehunden und anderen Meerestieren beschäftigen. So gesehen, habe ich also schon früh gestartet.

Haben Sie denn als Kind auch schon mit dem Tauchen angefangen?

Christina Karliczek: Nein, mit dem Tauchen habe ich erst als junge Erwachsene angefangen, da habe ich schon mein erstes Geld verdient. Das Ersparte habe ich dann in Tauchkurse investiert, und dann war für mich schnell klar, dass ich weiter trainieren möchte und das beruflich machen will. Ich tauche auch heute noch leidenschaftlich gerne, auch wenn das Tauchen bei der Arbeit etwas völlig anderes als das Sporttauchen ist.

Beim Tauchen ist auch immer ein kleines Risiko mit dabei, oder?

Christina Karliczek: Ja, die Arbeit unter Wasser hat definitiv viele Herausforderungen und beim professionelle Film-Tauchen ist noch einmal extremer als beim Sporttauchen. Gleich ist bei dem aber das Milieu, in dem sich der Taucher befindet. Ich arbeite dort in einer Welt, die eigentlich nicht für den Menschen gemacht ist. Da muss man als Filmer unter Wasser noch einmal anders vorgehen als wenn man ganz normal tauchen würde. Besonders, wenn man lange Zeit unter Wasser verbringt, muss die Sicherheit immer in Betracht gezogen werden.

Man darf also nie vergessen, dass man sich in einer fremden, gefährlichen Welt befindet…

Christina Karliczek: Absolut, denn man befindet sich nun einmal in einer komplett anderen Welt. Und um in diesem Medium das erreichen zu können, was wir für unsere Filme haben möchten, muss auch die Technik stimmen. Hinzu kommt der Gedanke, dass ich das ja gerne noch langfristig machen möchte. Da möchte ich unter Wasser keinen Unfall haben.

Wenn Sie einen Drehtag unter Wasser haben, sind Sie dann allein unterwegs oder ist der Aufwand größer durch die Beteiligung anderer Personen?

Christina Karliczek: Das ist ganz unterschiedlich. Bei unserem Film "Haie eiskalt" waren wir meistens mit mehreren Personen unter Wasser. Es ist immer noch eine Sicherheitstaucherin mit dabei, und wir arbeiten meist in Teams von bis zu drei Personen. Ich filme dabei aber alleine, bei "Haie eiskalt" gab es aber eine weitere Kamera, die mich dann mit dem Hai gefilmt hat. Die Unterwasserdreharbeiten benötigen aber, immer enorm viel Vorbereitung, um manchmal nur für einen Moment von fünf Minuten ins Wasser gehen und filmen zu können.

Wie viele Minuten Film kann man denn in einem Tauchgang drehen?

Christina Karliczek: Wir drehen keine stundenlangen Einstellungen, häufig sind es nur wenige Minuten am Stück. Manchmal hat man nur ganz kurz die Möglichkeit, dem Tier – in diesem Fall dem Hai – zu begegnen. Der taucht dann nur für drei Minuten auf, schwimmt um uns herum, und das ist dann die einzige Chance, die wir an dem Tag haben. Manchmal kommt sehr viel von so einem Moment in den Film hinein und manchmal nutzen wir vielleicht nur fünf Sekunden. Dann muss man es am nächsten Tag oder vielleicht auch im nächsten Jahr wieder probieren. Ich brauche sehr viel Geduld und Drehzeit auch dadurch, dass wir Szenen oft nur fragmentarisch bekommen. Dann hoffen wir auf die nächste Haisaison und dass die Tiere an dem uns bekannten Spot wieder auftauchen. Dann versuchen wir, zusätzliche Aufnahmen zu bekommen, um eine gesamte Geschichte unter Wasser erzählen zu können.

Sie wissen also in etwa, wo die Haie sind, und warten dort, bis sie auftauchen?

Christina Karliczek: Teilweise ist das so, und wir gehen eben an der Stelle ins Wasser, wo die höchste Chance ist, diesem Tier zu begegnen. Manchmal helfen wir aber auch etwas nach und locken die Haie mit Ködern an, um sie überhaupt filmen zu können. Wir wissen aber, dass die Tiere in dieser Gegend sind, das ist saisonal bedingt und bekannt.

Wenn unsere Leser jetzt "Hai" hören, denken viele bestimmt an das Klischee "gefährlich". Wie ist der Eishai denn überhaupt einzuordnen? Auf den Bildern wirkt er sehr friedlich.

Christina Karliczek: Wir haben mit diesen Kaltwasser-Hai-Arten, die im Film vorkommen, schon gedreht und können sie einschätzen. Ich habe mich sehr lange auf jede Hai-Begegnung vorbereitet, viel recherchiert sowie schon mit anderen Hai-Arten gedreht. Einige dieser Arten kommen ja auch in der Nordsee vor. Und bei all diesen Arten ist es für mich als Filmemacherin ein ganz besonderer Moment, wenn ich überhaupt einen Hai vor der Kamera habe. Da denke ich auch nicht daran, dass das gefährlich sein könnte. Ich denke zuerst daran, dass ich diese wunderbare Chance habe, dieses Tier überhaupt zu treffen. Und das gilt besonders bei diesen Kaltwasser-Hai-Arten.

Das sind ja majestätische Tiere, von denen gesagt wird, sie könnten mehrere 100 Jahre alt werden. Stimmt das?

Christina Karliczek: Wissenschaftler gehen bei den Eishaien von einer Altersspanne von 280 bis 512 Jahren aus. Wir wissen, dass diese Haie theoretisch über ein halbes Jahrtausend alt werden können, aber man muss dazu sagen, dass gerade Eishaie relativ häufig als Beifang in die Netze der kommerziellen Fischereischiffe gehen oder an den Langleinen verenden. Sie sind zwar aktuell nicht vom Aussterben bedroht, verschwinden aber in großen Zahlen aus den Meeren. Durch diese Überfischung finden sich möglicherweise kaum noch Tiere, die überhaupt so ein hohes Alter erreichen.

Worauf können sich die Zuschauer bei "Haie eiskalt" besonders freuen? Was sind die Höhepunkte?

Christina Karliczek: Uns ist es gelungen, Haiarten zu filmen, die besonders schwierig zu erreichen sind. Das ist auch der Grund, weshalb diese Arten gar nicht so bekannt sind. Sie leben in großen Tiefen und da, wo es sehr kalt ist, von daher ist der Zugang zu den Tieren sehr schwierig. Auch wenn einige Arten sogar in unseren Küstengebieten leben. Sehr spannend an diesem Film ist die Bandbreite an Hai-Arten, die wir zeigen. Diese Tiere haben sich an die unterschiedlichsten Lebensräume angepasst. So haben wir unter anderem die zweitgrößte Hai-Art der Welt vor der Kamera und zeigen Haie, die im Dunkeln leuchten. Das hat noch nie jemand in einem Tierfilm gezeigt, das sind die sogenannten Laternenhaie. Die Tiere erzeugen ihr eigenes Leuchten, wir strahlen die nicht mit einer Lampe an.

Das kennt man auch aus der Tiefsee, dass die Tiere dieses Leuchten entwickeln…

Christina Karliczek: Das ist die sogenannte Biolumineszenz. Das war für mich ein atemberaubender Moment als es uns tatsächlich gelungen ist, dieses Leuchten bei einem Hai zu beobachten und es dann auch noch zu filmen. Das ist eine Weltsensation, denn diese leuchtenden Haie haben überhaupt erst wenige Menschen gesehen. Insofern war das wirklich ein Gänsehautmoment.

Und wie war die Begegnung mit dem Eishai?

Christina Karliczek: Das war besonders spektakulär. Der Eishai ist der einzige Hai, der auch unter Eis leben kann und trotzdem bis in Tiefen von 2000 Metern vorkommt. So durchstreift er einen unheimlich großen Lebensraum: von der Tiefsee bis unter das Eis. Und dieses Tier tatsächlich zu finden und filmen zu können, das war einfach großartig. Und neben so einem möglicherweise uralten Tier zu schwimmen, das war respekteinflößend. Wenn ich filme, bin ich natürlich sehr konzentriert, dass meine Aufnahmen so werden, wie ich mir das vorstelle und dass alles richtig klappt. Man weiß schließlich nie, wo der Hai hinschwimmt, und der Eishai kann tatsächlich auch schneller schwimmen. Da noch nicht so viele Menschen Erfahrung mit Eishaien haben und jeder Hai auch ein eigenes Individuum ist, gibt es auch keinen Leitfaden, wie man sich da verhalten muss. Trotzdem war ich in dem Moment einfach glücklich.

Wie war der Dreh in diesem eiskalten Wasser für Sie?

Christina Karliczek: Das Wasser wird interessanterweise -2 ° C kalt unter dem Eis im Meerwasser. Wir haben einen speziellen Tauchanzug an, aber trotzdem bleibt man da maximal eine Stunde unter Wasser. Länger geht es zwar schon, aber dann steigt das Risiko, dass man zu kalt wird und dadurch unter Hypothermie leidet und nicht mehr so konzentriert ist wie es eigentlich sein müsste. Wenn man zu lange Kälte ausgesetzt ist, funktioniert der Körper nicht mehr richtig und dann kann es auch gefährlich werden. Deswegen schränken wir unsere Zeit ein, damit wir nicht in extreme Situationen kommen.

Sie haben schon einige Expeditionen unternommen und die aktuelle im Eismeer war ein Highlight, wenn man Sie so sprechen hört. Gibt es noch andere besondere Reisen?

Christina Karliczek: Eine besondere Begebenheit, die auch in dem Film zu sehen ist, war die Geburt eines Katzenhaibabys. Das haben wir unter kontrollierten Bedingungen in Kooperation mit einem See-Aquarium und des Haischutzprogramms in Schweden gedreht. Dort sind die Katzenhaie eine extrem geschützte Art. Aber das zu filmen war trotzdem nicht leicht. Das hat über ein halbes Jahr gedauert mit mehreren Versuchen, weil man einfach nicht weiß, wann der kleine Hai genau aus dem Ei schlüpft. Schon allein die Tatsache, dass einige Haie aus Eiern schlüpfen, andere Arten hingegen lebend gebären, zeigt wie vielfältig angepasst diese Tiere sind. Die Szene, wie sich der kleine Hai aus dem Ei kämpft, zeigte schon, was das für ein kleiner Fighter er ist. Es war faszinierend zu sehen, wie so ein Spitzenjäger auf die Welt kommt und sich in die Welt hinein kämpft. Auch das Filmen war faszinierend, denn wir mussten da eine spezielle Technik nutzen.

Auf welche zukünftigen Projekte können sich die Zuschauer freuen?

Christina Karliczek: Ich bin momentan für ein neues Projekt viel in der Nord- und Ostsee unterwegs, bald wird es aber auch wieder internationaler.

Sie sind auch im Umweltschutz aktiv. Was ist da momentan das drängendste Problem?

Christina Karliczek: Wir müssen drastisch unseren CO2-Fußabdruck senken und die Überfischung der Meere in den Griff bekommen. Da sehen wir im Moment, dass die internationalen Fischerei-Abkommen und Schutzzonen nicht effektiv genug koordiniert sind. Wenn der Hai von einer Küste zur anderen schwimmt, ist er in einem Land eventuell geschützt, auf der Hochsee ist er aber in einem völlig unregulierten Bereich und kann dort abgefischt werden. Es gibt keine Vereinheitlichung der Schutzmaßnahmen. Traurig ist auch, dass die Haie als Beifang in die Netze geraten, ebenso wie ihre Beutetiere. Da werden ganze Ökosysteme geschädigt. Das wirkt sich auf die Meere negativ aus.

TV-TIPP

  • "Haie Eiskalt"
  • Montag, 18. Januar, 20.15 Uhr
  • ARD

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