Komödie bei SAT.1

"High Society – Gegensätze ziehen sich an": Ein Babytausch und seine Folgen

von Annekatrin Liebisch

High-Society-Prinzessin Anabel wurde als Baby vertauscht. In Berlin-Marzahn trifft sie ihre leibliche Mutter – und einen netten Polizisten. Etwas mehr Inspiration hätte der Free-TV-Premiere nicht geschadet.

SAT.1
High Society – Gegensätze ziehen sich an
Komödie • 01.06.2020 • 20:15 Uhr

Zumindest beruflich läuft für Emilia Schüle auch das Ausnahmejahr 2020 wie gewohnt. In der Literaturverfilmung "Narziss und Goldmund" ist sie gemeinsam mit ihrem Ex Jannis Niewöhner als Liebespaar zu sehen. Nicht zum ersten Mal. Obwohl ihre Beziehung längst endete, wurden die beiden Schauspieler regelmäßig für gemeinsame Filmprojekte gecastet, gern auch als Pärchen. Unter anderem für die Komödie "High Society – Gegensätze ziehen sich an" (2017), die SAT.1 nun als Free-TV-Premiere zeigt. Für Schüle und Niewöhner schien das nie ein Problem zu sein, tatsächlich ist die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern die stärkste Seite des Films.

Denn in den Momenten, in denen sich die verwöhnte Anabel (Emilia Schüle) mit dem bodenständigen Polizisten Yann (Jannis Niewöhner) kabbeln darf, ist "High Society" am authentischsten und angenehm unverkrampft. Wenn sich die beiden Mittzwanziger gegenseitig aufziehen, sich an "Nettigkeiten" übertreffen, dann stimmt das Timing, dann sitzen die Pointen.

Das ist leider nicht immer der Fall und beginnt schon mit den bemüht sarkastischen Grußworten, mit denen ein Erzähler ohne jede Notwendigkeit aus dem Off in die holprige Eingangsszene leitet: Im Proseccorausch legen zwei Krankenschwestern irgendwann Anfang der 90er auf der Neugeborenenstation mehrere Babys in die falschen Wiegen. Darunter: Anabel von Schlacht, die bis zum Bekanntwerden des Skandals 25 Jahre Zeit hatte, um zur High-Society-Prinzessin von Berlin heranzuwachsen.

Oder besser gesagt zu dem, was man sich eben unter einer High-Society-Prinzessin vorstellt, denn wie so ziemlich jede andere Figur auch ist Anabel nur eine Ansammlung von Klischees: Sie ist shoppingsüchtig und feierwütig und hätte ohne das Firmenvermögen ihrer Familie weder den Realschulabschluss noch ihren exquisiten Freundeskreis. Immerhin Gefühle darf das It-Girl haben, Gefühle, die verletzt werden, als Anabel sieht, wie schnell ihre bisherige Mutter (Iris Berben) ihre neugewonnene Tochter Aura (Caro Cult) in ihr Herz schließt. Kurzerhand macht sich Anabel auf nach Marzahn, wo nicht nur das echte Leben und ein süßer Polizist auf sie warten, sondern auch ihre leibliche Mutter.

Schlecht frisiert, breit berlinernd und mit dem großen Herz am rechten Fleck hat Katja Riemanns Carmen Schlonz sofort alle Lacher auf ihrer Seite. Ihre Figur mag genauso karikaturhaft sein wie Iris Berbens gebotoxte, pelztragende Millionärin. Doch während man das Gefühl hat, Berben schon mehrfach in Rollen wie dieser gesehen zu haben, kann Katja Riemann hier wirklich überraschen.

Es bleibt eine der wenigen Überraschungen in einer Komödie, die aus ihrer eigentlichen Grundidee erstaunlich wenig zu machen weiß. Warum taucht Regisseurin und Autorin Anika Decker nur so halbherzig in die neue Lebenswelt von Anabel ein? Warum interessiert sie sich so wenig für das zweite Tauschkind Aura, das mit Caro Cult doch recht vielversprechend besetzt ist? Stattdessen will die "Keinohrhasen"-Autorin mit mehr oder weniger gelungenen Anspielungen auf Filme wie "Fifty Shades of Grey" oder "Citizen Kane" gefallen und mit Musikvideo-artigen Einsprengseln. Was in etwa genauso innovativ ist wie die Idee, Emilia Schüle und Jannis Niewöhner als Liebespaar zu casten.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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