Devid Striesow in Bestseller-Verfilmung

"Ich bin dann mal weg": Unterwegs nach Santiago

15.12.2015, 06.30 Uhr
von Detlef Hartlap
Zwei, die im Regen stehen: Noch geben es Stella (Martina Gedeck) und Hape (Devid Striesow) nicht zu: Es geht ihnen beiden ziemlich mies.
Zwei, die im Regen stehen: Noch geben es Stella (Martina Gedeck) und Hape (Devid Striesow) nicht zu: Es geht ihnen beiden ziemlich mies.  Fotoquelle: Warner Bros

Hape Kerkelings Bestseller "Ich bin dann mal weg" kommt Weihnachten ins Kino. Mit einem überragenden Devid Striesow als Kerkeling.

Der Wendepunkt kommt auf Kastiliens Höhen, irgendwo hinter León. Mehr als zwei Drittel der 800 Kilometer langen Wanderung liegen hinter Hape Kerkeling, aber nichts scheint einen Sinn zu ergeben, die ganze Plackerei umsonst.

Da bricht das heulende Elend aus ihm hervor: Gedanken, was gewesen ist und niemals mehr wiederkehrt; was gewesen sein könnte und niemals sein wird – der ganze Schlamassel. Ein Seelchen, das ins Bodenlose stürzt. Blasen am Fuß, die wie Hölle schmerzen.

Und der da oben, um den es doch auch geht, den man pilgernd irgendwie erreichen möchte, schweigt still und stumm. Wie es so seine Art ist. Selbst auf dem Jakobs-Pilgerweg nach Santiago de Compostela.

Devid Striesow ist der bessere Kerkeling

Es ist nicht Hape Kerkeling, den wir in dieser rührenden Szene erleben, sondern Devid Striesow. "Das zu spielen", hatte Kerkeling verfügt, "ist Sache eines Schauspielers."

Gut, dass die Wahl auf Devid Striesow gefallen ist. Er ist der bessere Kerkeling, nicht nur in dieser Szene, "in der ich", sagt Striesow, "schon eine ganze Menge Schauspielerei aufbieten musste."

Es war ja nicht nur die innere Überwältigung, die er zu spielen hatte, er musste sie wieder und wieder spielen. "Mal waren zu viele Wolken da", erinnert er sich, "dann stand die Sonne falsch, dann ging was anderes schief." Einfach war es nicht.

Überhaupt macht Striesow in der Verfilmung von Hape Kerkelings Bestseller-Tagebuch Ich bin dann mal weg viele Sachen, die einfach aussehen, aber alles andere als einfach sind. Ein Roadmovie amerikanischer Machart kennt jeder, da ereignen sich, man denke an "Thelma & Louise", jede Menge Abenteuer. Aber ein Pilgermovie ist etwas anderes, da wird immerzu gewandert, und das im Takt eines Tagebuches. Lassen sich Wanderkilometer und Aufzeichnungen mimisch zum Ausdruck bringen?

Voriges Jahr zu Weihnachten tuckerte Striesow als Tatort-Kommissar Jens Stellbrink auf einem roten Motorroller durchs Saarland. In einer entlegenen Scheune half er einem Christkindl auf die Welt.

Solche Filme gehorchen einer klaren Dramaturgie. Man hat zwei oder drei kriminalistische und menschliche Probleme, die einem Happy End zugeführt werden.

Dieses Jahr Weihnachten kommt Striesow als durch Spanien pilgernder Kerkeling ins Kino. Es muss etwas Weihnachtliches an dem Kerl sein.

Stoisch, lapidar, nachvollziehbar und philosophisch

Kerkelings Buch war die Beschreibung einer, nun ja, Selbstfindungsreise. Sein Stil vermeidet jene jungmädchenhafte "Mein liebes Tagebuch"-Duselei, die den meisten Leuten, wenn sie Jahre später in ihre Ergüsse schauen, schrecklich peinlich sind.

Kerkelings Gedanken sind stoisch, lapidar, nachvollziehbar und philosophisch, ohne dass sie nach Philosophie klängen. Sie lesen sich eher so, dass sich ein paar Millionen Leser gesagt haben: "Das möchte ich auch mal erleben – und aufschreiben."

Für Striesow heißt das: bloß nicht zu viel reinlegen! Das Gesicht eines Wanderers mag eher gleichförmig wirken, Kilometer um Kilometer, es hat rein gar nichts von Tatort-Drama und leuchtender Erkenntnis.

Feine schauspielerische Miniaturen

Genau da beginnt der Striesow: Es handelt sich um feine schauspielerische Miniaturen, wenn er Kerkeling-Fans, die ihn natürlich auch in Spanien erkennen und verfolgen, ein Schnippchen schlägt; wenn er schummelt und eine Etappe im Bus zurücklegt (nicht ohne schlechtes Gewissen); wenn er das Schnarchen im Schlafsaal nicht mehr verknusen kann und im Hotel mit einem Fernseher kämpft, der nur Pornos zeigt.

Manche Szenenfolge geht in Richtung Slapstick, in die Kategorie "Pleiten, Pech und Pannen". Aber Striesow hält auch hier den Ball flach; krachledern wird es nie.

Der dickliche Entertainer, den er darstellt, ist per se eine komische Figur, aber er bemüht sich in bester Absicht.

Nach der großen Katharsis hinter León ist der Wandersmann wie verwandelt. Das Endstück nach Santiago wird, Arm in Arm mit Martina Gedeck und Karoline Schuch, zum stillen Jubel. Er hat etwas gelernt, und der Zuschauer im Kino lernt mit. Es geht um Hilfsbereitschaft, Demut, Ehrlichkeit und Dankbarkeit. Gott hat sich nicht blicken lassen, aber es ist doch, als ob er ...

Ein Film, der glücklich macht? Das entscheide jeder für sich.

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