Netflix-Serie

"The Punisher": Der komplexe Berserker kehrt zurück

von Markus Schu

Der Punisher macht keine Gefangenen. Der Punisher polarisiert. Und "Marvel's The Punisher" kehrt am Freitag, 18. Januar, mit einer zweiten Staffel auf Netflix zurück.

Erneut wird der rabiate Racheengel von Jon Bernthal in einer brillanten Mischung aus Robustheit und Verletzlichkeit verkörpert. Mal dominiert Bernthal den Bildschirm mit reiner physischer Präsenz und Brutalität, mal lässt er den Zuschauer ob seiner nuancierten Performance tief in die Seele eines gebrochenen Mannes blicken, der Erlösung nur auf dem Schlachtfeld findet. Nachdem der menschliche Feuersturm in der zweiten Staffel von Netflix' "Daredevil" (2016) ein viel umjubeltes Debüt feierte, spendierte ihm der Streaminggigant ein Jahr später sogar eine eigene Serie, die von Fans und Kritikern wohlwollend aufgenommen wurde. Nun lehrt Frank Castle in 13 neuen Folgen die bösen Jungs und Mädels abermals das Fürchten.

Er trägt ihn endlich (wieder), den ikonischen Totenkopf auf seiner Brust, für den Marvels fragwürdigster Comic-Held berühmt ist. Bis sich der Punisher jedoch sein "Kostüm" überstreift, dauert es noch etwas. Zunächst versucht Frank nämlich, sein Leben neu zu ordnen, Gewalt und Schmerz zu entkommen. Doch jemandem wie Castle ist dies nicht vergönnt. Das Versprechen eines normalen Lebens wird nicht eingelöst. Die (Unter-)Welt ist noch nicht fertig mit dem Afghanistan-Veteran. In Season eins deckte der Punisher eine gigantische Verschwörung auf und wurde vom Verrat seines ehemals besten Freundes Billy Russo (Ben Barnes) mitten ins Herz getroffen – dafür musste der einstige Waffenbruder bitter büßen. In Staffel zwei kehrt der schöne Fiesling jedoch mit völlig entstelltem Gesicht zurück.

In der "Punisher"-Serie von Schöpfer Steve Lightfoot darf die kaputte Kriegerseele nicht nur ein Berserker mit latent psychopathischen Zügen sein. Nein, der Punisher ist hier auch Mensch, er ist gleichsam Frank Castle und der titelgebende Bestrafer. Zu verdanken ist dies einer hervorragenden Charakterzeichnung, tollen Skripts und originellen Dialogen. Erlösung kann für Castle nie ganzheitlich sein. Immer ist sie flüchtig, vergänglich. Fast scheint er ein einsamer Westernheld zu sein – ein klassischer Loner. Einer, der sucht und nie findet, einer der kämpft und seinem eigenen Moralkodex folgt. Möglicherweise ist der Punisher in dieser Hinsicht gar Marvels existenzialistischster Held. Auf seinen Schultern lastet weiterhin schwer der Verlust der Lieben, der Schmerz, die Trauer, die Leere.

Die zweite Serienstaffel lässt Castle nun endgültig zum Punisher avancieren: Auf die Frage hin, ob mehr Fieslinge den Weg des Kriegers streifen werden, antwortet der nur mit einem Grinsen "Ich hoffe es!" Die Metamorphose vollzieht sich – doch Castle verroht nie ganz. In Folge eins gibt es Momente des Trostes und der Zärtlichkeit mit der Barkeeperin Beth (Alexa Davalos, "The Man in the High Castle"), doch sie erscheinen in einer Rückblende, während derer man sich die ganze Zeit über fragt, wann die Hölle wieder losbricht und Castles Welt in sich zusammenfällt. Kommentiert werden die Wesenszüge des Veteranen und sein langsamer Wandel durch eingestreute Countrysongs: vom "outsider" und "traveling man" hin zu "the real me" – ein Geniestreich.

Sobald die Action beginnt, weil Frank der jungen Amy (Giorgia Whigham) gegen den sinistren Gottesmann John Pilgrim (Josh Stewart) und dessen Schergen hilft, frohlockt das Herz des Genrefreunds. Gleichsam fühlt man aber auch den Schmerz des Vollstreckers, der sich zwar moralisch gesehen in Grauzonen bewegt, aber irgendwo auch das Richtige tut. Wenn die Bar am Schluss von Folge eins in Schutt und Asche liegt, weil der Punisher blutüberströmt und Wortfetzen grunzend eine ganze Heerschar an Feinden vernichtet hat, dann fühlt man auch den Schmerz des Mannes, der Arschloch und Samariter zugleich ist – wie er es selbst irgendwann andeutet. Wie die Axt im Walde wütet Castle in den Reihen seiner Widersacher – und konfrontiert uns dabei mit unseren eigenen Vorstellungen von Recht und Unrecht, Rache und Gesetz, Bestrafung und Vergebung. Schön, dass du wieder da bist, Frank.

Womöglich wird dies aber der letzte Einsatz des Punishers auf Netflix sein. Die Marvelserien "Daredevil", "Luke Cage", "Iron Fist" und "The Defenders" wurden bereits eingestellt, lediglich "Jessica Jones" erhält demnächst vermutlich ihre ebenfalls finale Season. Als Gründe macht das Entertainment-Portal "IGN" unter anderem die bald endende Kooperation zwischen Disney und Netflix aus, schließlich geht der Mäusekonzern in absehbarer Zeit mit einem Konkurrenzportal an den Start. Disney+ soll es heißen, die Ausrichtung wird familienfreundlich sein. Dass Marvels Antiheld Frank Castle dorthin zurückkehren wird, ist nahezu ausgeschlossen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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