ARD-Film

"Mein Altweibersommer": Iris Berben tanzt als Bär in der Manege

von Maximilian Haase

Iris Berben in einer ihrer speziellsten Rollen: Zu ihrem 70. Geburtstag strahlt die ARD den Film "Mein Altweibersommer" aus. Darin begibt sich die Schauspielerin mit einem Wanderzirkus auf Tour. Ein Film voller Melancholie.

ARD
Mein Altweibersommer
Drama • 12.08.2020 • 20:15 Uhr

Für das deutsche Fernsehen war Iris Berben immer ein großer Glücksfall: Eloquent, humorvoll, vielseitig und kosmopolitisch, verkörperte die Grande Dame des hiesigen Films zahlreiche Eigenschaften, die man gerade dem Öffentlich-Rechtlichen viele Jahrzehnte lang eher selten zuschrieb. Nur allzu folgerichtig also zelebrieren ARD und ZDF nun den runden Geburtstag der Ewigjunggebliebenen, die am 12. August tatsächlich schon ihr 70. Lebensjahr vollendet. Feierte das Zweite die Jubilarin zuvor mit der Hommage "Nicht tot zu kriegen", fährt das Erste direkt an ihrem Ehrentag ebenfalls einen Spielfilm mit Berben in der Hauptrolle auf: "Mein Altweibersommer" nähert sich unter der Regie von Dustin Loose in melancholischen Bildern dem Älterwerden und der großen Sehnsucht nach dem erfüllten Leben.

Über die Maßen wehmütig gibt sich die Mixtur aus Lebenskrisen-Dramedy und Best-Ager-Film dann aber trotz mancher Kitschmomente nicht. So zeigt die groteske Eröffnungszene Bilder, die man so auch noch nicht sah: Iris Berbens Figur gebiert nach dramatischer Einfahrt in den Kreißsaal ein kleines Bärenbaby. Auch wenn sich das Erlebnis nur als Traum entpuppt, zeigt es sich hier wieder: So manche Schauspielerin um die 70 würde bei derlei Szenen wohl die Nase rümpfen. Nicht so die Frau, die mit "Sketchup" bei der Goldenen Kamera ihren ersten Filmpreis gewann und jene Auszeichnung auch in diesem Jahr erhielt – vor allem für das berührende Drama "Hanne", dessen Regisseurin Beate Langmaack nun auch das Drehbuch zu "Mein Altweibersommer" schrieb und Iris Berben auf den Leib schneiderte.

Berben spielt darin eine "Frau in den besten Lebensjahren", wie es so schön heißt. Ebba, so ihr Name, führt eine verlässliche Ehe mit ihrem Mann Markus (Rainer Bock). Doch irgendetwas scheint ihr nach all den glücklichen Jahren dennoch zu fehlen. Das bemerkt die erfolgreiche Geschäftsfrau bei einer gemeinsamen Reise an die Ostsee, wo sie und ihr Mann ein befreundetes Paar (gepielt von Martin Brambach und Leslie Malton) besuchen. Um Ruhe zu tanken, spaziert sie am Strand entlang – und entdeckt dort einen kleinen Wanderzirkus, der vom dänischen Charmeur Arne (Peter Mygind) geleitet wird. Weil dem Zirkusdirektor sein Bärendarsteller abgesprungen ist, sucht er Ersatz. Und findet ihn in Ebba, die sich erst sträubt, dann aber doch noch ins flauschige Bärenkostüm schlüpft.

So sieht man Iris Berben in einer ihrer speziellsten Rollen: Im Bärenkostüm tanzt sie in der Manege vor dem ihr mal mehr, mal weniger wohlgesonnenen Publikum. In der Verkleidung und im Umgang mit Arne entdeckt die Unternehmerin, die gerade mit ihrem Mann eine Firma gegründet hat, eine ganz andere Seite an sich. Die Erzählung des "Altweibersommers" lautet: Trotz allen Glücks und trotz aller Zufriedenheit kann dich bisweilen die Sehnsucht nach einem ganz anderen Leben ereilen. Oder zumindest nach einem Ausbruch aus dem alten: Ebba entflieht – ohne genau zu wissen weshalb – den alten Strukturen und begibt sich mit dem Wanderzirkus auf Tour entlang der Küste.

Ihrem Mann berichtet sie, dass sie spontan auf einer Tagung weilt, doch der hat längst kapiert, was läuft: Ebba muss raus und schauen, ob ihr im Leben noch etwas fehlt. Und, vielleicht ist das trotz allen Schmerzes auch eine der schönsten Aussagen des liebevoll inszenierten Films: Er lässt sie ziehen. Ebba folgt – selbst in dem Wissen, alles zu riskieren – ihren innersten Bedürfnissen, die sich keineswegs nur in einer Liebesaffäre mit einem anderen geheimnisvollen Mann erschöpfen. Es geht darum, eine andere, möglicherweise übersehene Seite in sich zum Vorschein zu bringen.

Es sind die melancholischen Momente, die bezaubernden Meeresbilder und sparsamen Dialoge, die "Mein Altweibersommer" zum wirklich hübschen Geburtstagsfilm für Iris Berben machen. Mit durchaus emanzipatorischem Potenzial: Einmal mehr zeigt die Jubilarin jene Art Frauenfigur – älter, unabhängig, zweifelnd – die es lange Zeit im hiesigen TV sehr schwer hatte.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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