Ein Escort-Service in Brandenburg

Milk & Honey: VOX-Serie gewinnt mit der Zeit an Tiefgang

von Eric Leimann

Charmant, warmherzig und über zehn Folgen mit zunehmendem Tiefgang versehen: Die neue VOX-Serie "Milk & Honey" schafft den Spagat zwischen leichter Free-TV-Unterhaltung und modernem seriellen Erzählen.

VOX
Milk & Honey
Serie • 14.11.2018 • 21:15 Uhr

Der gescheiterte Glücksritter Johnny (Artjom Gilz) kehrt nach Jahren in Asien in die brandenburgische Provinz zurück. Die Imkerei des jüngst verstorbenen Vaters steht vor dem Aus, die halbwüchsige Schwester Charlie (Marlene Tanczik) will das Jugendamt einkassieren. Der einzige in der strukturschwachen Region, der Geld verdient, scheint Arian (Nik Xhelilaj, der "Winnetou" der RTL-Filme) zu sein. Er bietet seinen schmucken Körper zusätzlich zur Honigproduktion Frauen zur Miete an. Die grassierende Finanznot lässt Johnny und seine alten Kumpel Michi (Nils Dörgeloh) und Kobi (Deniz Arora) sich dem Geschäftsmodell Arians anschließen. Zu viert bauen sie einen Escort-Service auf. Die Nachfrage nach den Liebesdienst-Amateuren ist erstaunlich hoch!

Die Idee, dass abgebrannte Männer aus der Provinz unter dem Genrediktat der Komödie ihre Körper verkaufen, scheint nicht ganz neu. Viele Klischees lauern da am Wegesrand. Schon die Lebenszusammenhänge der vier Protagonisten scheinen ein wenig arg "exemplarisch": Da ist der der süße Träumer, dem man das Bestehen der Realität nicht zutraut. Natürlich hat Heimkehrer Johnny noch eine große Liebe (Katharina Schlothauer) im Dorf zurückgelassen, die sich mittlerweile anders gebunden hat. Freund Michi (Nils Dörgeloh) hingegen ist zwar ebenso abgebrannt, hat aber Frau (Anne Weinknecht, lesen Sie hier, was die Schauspielerin im Interview über die neue Serie sagt) und Kind daheim – was den Job als Escort-Mann noch etwas heikler werden lässt. Schließlich muss sich Kobi (Deniz Arora) gegenüber der eigenen Familie emanzipieren, während sich Arian gegen die Rolle als tumbes Lustobjekt mit Sprachbarriere zur Wehr setzt.

Verfolgt man die im brandenburgischen Beelitz während des knallheißen Sommers 2018 gedrehten Folgen etwas länger, muss man feststellen: Die horizontal erzählte Serie gewinnt mit Dauer an Format, die Charaktere entwickeln mitunter eine ungeahnte Tiefe. Ob "Milk & Honey", das Headautor Klaus Wolfertstetter ("Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei", "Der Barcelona Krimi") verantwortet, an Erfolg und Kritiken des "Clubs der roten Bänder" anknüpfen kann, muss man abwarten.

Fest steht: VOX versucht sich mit der Adaption des israelischen Formats "Johnny und die Ritter von Galiläa" an der schwierigen Aufgabe, modernes Serienfernsehen und leichte Free TV-Konsumierbarkeit zu vereinen. Viele deklarierte Qualitätsserien scheitern in diesem Zusammenhang. Gerade im Privatfernsehen, wo wuchtige Historien- oder Dramaserien eher nicht funktionieren, scheint dies eine diffizile Aufgabe. Wie im "Club der roten Bänder" setzt VOX auch diesmal wieder auf unverbrauchte Gesichter – und Körper. Die Erzählung ist der Star. Nun müssen nur noch die Zuschauer folgen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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