Film bei ARTE

"Moonrise Kingdom": Die Kindheit ist eine Insel

von Andreas Fischer

Ein kleiner Pfadfinder brennt mit einem trotzigen Mädchen durch. Doch ein Sturm kommt auf. "Moonrise Kingdom" ist ein kleines Meisterwerk über die irrwitzigen Entdeckungen der Kindheit.

ARTE
Moonrise Kingdom
Komödie • 21.10.2020 • 20:15 Uhr

Ein Hurrikan wird kommen, erzählt ein freundlicher älterer Herr. Der größte Sturm, der die Küste Neuenglands je heimsuchte. Das weiß aber noch niemand: Zunächst ist das Leben eine sommerliche Idylle. Pfadfinder zelten, Geschwister langweilen sich in ihren Ferien, die Fähre legt zweimal täglich an. Doch die Ruhe ist trügerisch. Der Sturm hat schon begonnen: Eine Handvoll Erwachsene rennt wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen durcheinander, während zwei zwölfjährige Flüchtlinge die größte Liebesgeschichte zelebrieren, die das Kino je sah: In "Moonrise Kingdom", nun bei ARTE als Free-TV-Premiere zu sehen, erzählt Wes Anderson die schrullige Geschichte eines aufregenden Sommers.

Ein verwaister Pfadfinder, der nicht zu seiner Pflegefamilie zurück darf. Ein trotziges Mädchen, das mehr über seine Familie weiß, als ihm lieb ist und ein Wutproblem hat. Sam (Jared Gilman) und Suzy (Kara Hayward) werden von der Welt nicht verstanden. Also haben sie sich zur großen Liebe entschlossen, rennen mit Batterie-Plattenspieler und einer Katze in der Transportbox weg. Verfolgt werden sie von Sams Pfadfinderkollegen unter der Leitung von Aufseher Ward (Edward Norton), Suzys verpeilten Juristen-Eltern (Bill Murray, Frances McDormand) und einem liebenswürdigen, aber nicht ganz hellen Polizisten (Bruce Willis).

Die Kindheit ist bei Wes Anderson eine Insel, hier heißt sie New Penzance und liegt im Jahr 1965 in sicherer Entfernung zur Zivilisation mit all ihren Problemen. Eigentlich ein idealer Ort, um das Leben zu entdecken. Doch man ist nirgendwo allein, Sam und Suzy sind es schon gar nicht: Inselpolizist Sharp initiiert eine "gewaltfreie Rettungsaktion". Die Pfadfinder bewaffnen sich trotzdem, was zwangsläufig zu einem Gefecht mit dem flüchtigen Liebespaar führt – mit einem toten Hund als Kollateralschaden.

In seinem erstem Realfilm seit "Darjeeling Limited" (2007) läuft Wes Anderson zur Höchstform auf. "Moonrise Kingdom" trägt die unverkennbare Handschrift des Kinokauzes: Hinter der kunterbunten, umwerfend komischen Fassade verbirgt sich die leise Tragik des Lebens, durch das sich skurrile Figuren kämpfen müssen. Während sich die Kinder wacker und vor allem zielstrebig durchschlagen, benehmen sich die von einem All-Star-Aufgebot Hollywoods gespielten Erwachsenen wie Trottel.

Suzys Eltern zum Beispiel wissen, dass sie sich auseinandergelebt haben, bleiben aber trotzdem zusammen. "Wir sind alles, was die Kinder haben", wissen sie. Aber auch, dass das nicht reicht. Bei Sam hingegen meldet sich irgendwann die Frau vom Jugendamt (Tilda Swinton), die einfach nur Jugendamt heißt und den Jungen aufgrund der Aktenlage in eine Elektroschockanstalt stecken möchte.

Mit vergnüglichem Blick seziert Wes Anderson die Absurditäten der Erwachsenenwelt, führt ihren ganzen Irrwitz vor und bleibt dabei doch einfühlsam auf Augenhöhe mit seinen beiden Helden: "Moonrise Kingdom" ist ein Film zum Träumen, ein herzliches und sehr ehrliches Meisterwerk. Und vor allem die großartige Liebesgeschichte zweier wundervoller Außenseiter, die sich mit ernsthafter Naivität gegenseitig Halt und Kraft geben, verdammt gut aussehen und sich unbekümmert aufeinander einlassen – erster Zungenkuss, zaghafte Pettingversuche und Eheschließung inklusive.

Auch in seinem neuen Kinofilm "The French Dispatch" arbeitet Regisseur Wes Anderson wieder mit Frances McDormand, Bill Murray und Tilda Swinton zusammen. Wann der Film starten wird, ist aufgrund der Corona-Pandemie aber noch ungewiss.

Moonrise Kingdom – Mi. 21.10. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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