"Mein vergessenes Leben"

Robert Atzorn – An der Schwelle zum Vergessen

04.08.2015, 06.00 Uhr
Kämpft um seiner Erinnerungen: Robert Atzorn spielt den erkrankten Alexander.
Kämpft um seiner Erinnerungen: Robert Atzorn spielt den erkrankten Alexander.  Fotoquelle: Hendrik Heiden

Wie sich Robert Atzorn auf die Rolle eines an Demenz erkrankten Mannes vorbereitet hat.

Robert Atzorn …

… kam am 2. Februar 1945 im heutigen Połczyn-Zdrój in Polen zur Welt und wuchs in Oldenburg und Hamburg auf. Das Handwerk lernte er ab 1967 auf der Neuen Münchner Schauspielschule. Nach Bühnenengagements, unter anderem in Zürich, Münster und Köln, machte Atzorn 1980 erste Gehversuche beim Film. In der Folge entwickelte er sich zum erfolgreichen, mehrfach ausgezeichneten TV-Darsteller.

Endgültig zum Publikumsliebling wurde er mit der Titelrolle der Vorabendserie "Unser Lehrer Doktor Specht", die von 1992 bis 1999 ausgestrahlt wurde. In der Tragikomödie "Mein vergessenes Leben" spielt Atzorn den 70 Jahre alten, kultivierten Rentner Alexander, der allmählich seine Erinnerungen verliert (Montag, 31. August, 20.15 Uhr im ZDF).

Als "Unser Lehrer Doktor Specht" begeisterte Robert Atzorn in den 1990er-Jahren ein Millionenpublikum mit eher leichter Kost. Es folgte der Wechsel ins kriminalistische Fach – in Hamburg ging der heute 70 Jahre alte Schauspieler als Hauptkommissar Jan Casstorff im "Tatort" auf Verbrecherjagd. Im ZDF-Fernsehfilm "Mein vergessenes Leben", in dem er den an Demenz erkrankten Ruheständler Alexander mimt, überzeugt Atzorn nun als Meister der leisen Töne.

Herr Atzorn, Sie spielen einen an Demenz erkrankten Menschen. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Das war recht einfach für mich, weil ich eine persönliche Verbindung zum Thema habe. Meine Mutter ist im März 2013 an Demenz gestorben, und ich habe die ganzen Stufen des langsamen Verfalls mitbekommen. Ich habe miterlebt, wovon Autor Gernot Krää in seinem Drehbuch geschrieben hat. Und das waren sehr schmerzliche Erfahrungen.

Und dennoch haben Sie sofort zugesagt, als die Anfrage kam, die Rolle zu spielen?

Zunächst hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Außerdem endete die private Erfahrung mit meiner Mutter sehr versöhnlich und heilend, da hängt nichts mehr nach. Sie ist 96 Jahre alt geworden, und die Krankheit verlief über mehrere Jahre, sodass ich mich in Ruhe von ihr verabschieden konnte. Und als ich das Drehbuch gelesen habe, fand ich die Rolle sofort in sich stimmig und auch passend für mich.

Das bedeutet, dass Ihnen Ihre Vorgeschichte am Set sogar geholfen hat?

Ich möchte es so formulieren: Ich war sehr froh, meine persönlichen Erfahrungen in den Film einfließen lassen zu können. Ich weiß durch die Begleitung meiner Mutter, wo sich Betroffene in den verschiedenen Phasen ihrer Krankheit befinden und natürlich auch, wie es sich für Angehörige anfühlt. Ich hoffe einfach, dass meine Erfahrungen der Rolle dadurch zusätzliche Authentizität verleihen. Das ist ja beim Schauspielen nicht immer leicht. Wenn ich zum Beispiel einen Kommissar spiele, weiß ich ja nicht wirklich, wie sich ein echter Ermittler bei seiner Arbeit fühlt. Das muss ich dann aus meiner Vorstellungskraft heraus entwickeln oder mich auf den Drehbuchautor verlassen.

Es klingt, als sei "Mein vergessenes Leben" ein ernster Film.

Natürlich bringt das Thema Demenz Ernsthaftigkeit und Melancholie mit sich. Aber es gibt auch viele heitere Situationen, die durch Lücken in Alexanders Gedächtnis entstehen, ohne dass der Protagonist bloßgestellt wird. Das hat Gernot Krää wundervoll herausgearbeitet. Auch Alexanders Romanze mit der jungen Belinda, die Natalia Belitski überragend spielt, steckt voller Lebensmut. Kurzum: Der Zuschauer wird nach dem Film nicht zum Psychiater müssen (lacht).

Mit dem Kinofilm "Honig im Kopf" und dem Fernsehspiel "Die Auslöschung" gab es jüngst zwei Annäherungen an das Thema. Was bringt "Mein vergessenes Leben" Neues?

Ich denke, die Perspektive ist diesmal anders. Bislang wurde eher thematisiert, wie das Umfeld mit der Krankheit umgeht. In "Mein vergessenes Leben" rückt die Wahrnehmung von Alexander in den Fokus. Er selbst merkt ja zunächst nur ab und an, dass ihm einige Dinge nicht einfallen. Für ihn ist so lange alles in Ordnung, bis sein Sohn ihn mit der Diagnose konfrontiert. Dieser Moment der Wahrheit ist für mich der berührendste im Film.

Wie fühlt es sich an, so etwas zu spielen?

Ich war sehr betroffen, als sich Alexander zum Beispiel beim Blick auf ein Foto nicht einmal mehr an seine verstorbene Frau erinnert. Meine Fantasie reicht, um sich die Einsamkeit und die Verzweiflung vorzustellen, die so etwas für ihn bedeutet. Ich glaube, man kann das mit Worten nicht beschreiben.

Das könnte Sie auch interessieren