Ross Antony im Interview

"Manchmal fühle ich mich ein bisschen alleine"

von Leo Stenmans

Man kannte Ross Antony bisher vor allem als sonniges, heiteres Gemüt, doch der Sänger hat auch eine andere Seite. Die zeigt er auf einer neuen Sonderedition seines Albums "Schlager lügen nicht" – und im Interview.

Als Mitglied der Casting-Show-Band Bro'Sis wurde Ross Antony Anfang der 2000-er berühmt. Seitdem hat sich der Brite, der bürgerlich Ross Anthony Catterall heißt, in den unterschiedlichsten Bereichen ausgetobt: Er wurde Dschungelkönig, hatte gemeinsam mit seinem Mann, dem Opernsänger Paul Reeves, eine eigene Doku-Soap, saß in der Jury von "Popstars" und gab sein Kinodebüt ("House of Boys", 2009). Außerdem veröffentlichte Antony eine Biografie sowie ein Kinderbuch und trat immer wieder als Moderator in Erscheinung. Seit 2013 widmet er sich zudem erfolgreich dem Schlager. Mit seinem letzten Album "Schlager lügen nicht" schaffte er es sogar in die Top-10 der deutschen Charts. Eine neue Zwei-CD-Edition ("Schlager lügen nicht – mal laut & mal leise", erhältlich ab 10. Januar) zeigt den sonst so heiteren Ross Antony nun von seiner nachdenklichen Seite. Im Interview spricht der 45-Jährige über seine Liebe zum Schlager, seine abwechslungsreiche Karriere und den Tod seines Vaters.

prisma: Herr Antony, können Sie sich noch an Ihre erste "Begegnung" mit dem deutschen Schlager erinnern?

Ross Antony: Als ich 1997 nach Deutschland kam, spielte ich in dem Musical "Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat". Wir traten damals auch bei einigen Festivals auf mit Leuten wie Jürgen Drews, Anton aus Tirol und Roberto Blanco. Da entdeckte ich meine Liebe zum Schlager.

prisma: Von Musikern aus dem Ausland wird Schlager oft belächelt, aber Sie machen seit 2013 selbst Schlager-Musik. Was schätzen Sie an diesem Genre?

Antony: Ich bin ein gut gelaunter Mensch und Schlager ist gut gelaunte Musik, das passt einfach zu mir. Ich kann verstehen, warum manche Ausländer sich nicht damit identifizieren können, aber ich lebe seit 22 Jahren in Deutschland – ich bin praktisch eingedeutscht. Außerdem ist Schlager nicht wie früher. Er ist viel poppiger geworden, hat einen anderen Beat, und die Texte haben viel mehr Inhalt und Tiefgang.

prisma: Man kennt Sie vor allem als Frohnatur, auf Ihrem neuen Doppelalbum "Schlager lügen nicht - mal laut & mal leise" zeigen Sie sich allerdings von Ihrer nachdenklichen Seite ...

Antony: Vor einem Jahr kam Ben Zucker zu mir und sagte "Ross, ich habe ein Lied für dich geschrieben". Der Song heißt "Goodbye Papa" und ist eine Ballade. Ich fand ihn grandios, aber er passte einfach nicht auf ein Uptempo-Album. Also haben wir beschlossen, eine Doppel-CD zu machen, um beide Seiten von mir zu zeigen: den Party-Ross und auch den, der mal nachdenklich ist. Ich wählte Songs aus, die mein Leben prägten, wie zum Beispiel "Angels". Das war der erste Song, den ich beim "Popstars"-Casting sang. "Du sagst es ohne ein Wort" stammt aus meinem Lieblingsfilm "Notting Hill", den ich bestimmt 50 Mal gesehen habe, und "Hey Jude" ist der Lieblingssong meiner Mutter.

prisma: In "Goodbye Papa" nehmen Sie Abschied von Ihrem Anfang 2017 verstorbenen Vater. Wie kam Ben Zucker dazu, diesen Song für Sie zu schreiben?

Antony: Ben und ich waren vor drei Jahren zusammen auf der Florian-Silbereisen-Tour und verstanden uns super. Ich hatte damals gerade meinen Papa verloren und sprach mit Ben darüber. Er hat nie erwähnt, dass er seinen Song für mich schreiben will, aber letztes Jahr kam er dann plötzlich damit. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel geheult wie in dem Moment, als ich den Song das erste Mal hörte. Ben hat wirklich zugehört, was ich ihm gesagt habe, und es eins zu eins beschrieben.

prisma: In dem dazugehörigen Video sieht man Szenen aus Ihrer Kindheit und Jugend. Hatten Sie ein enges Verhältnis zu Ihrem Vater?

Antony: Man sagt ja immer, die Söhne seien eng mit der Mutter und die Töchter mit dem Vater. Aber ich hatte zu beiden ein super Verhältnis. Mein Papa hörte immer gerne zu, gab mir Tipps und war sehr involviert in mein Leben. Das fand ich toll. Ohne ihn wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Er hat mich zu allen Castings und Auditions gefahren. Überhaupt haben meine Eltern in ihrem Leben sehr viel geopfert, damit meine Schwester und ich unsere Wege gehen konnten. Sie verzichteten auf Urlaube, um unsere Ausbildung zu finanzieren. Sie haben immer an uns geglaubt. Dafür bin ich sehr dankbar. Dass ich jetzt meine eigenen Entscheidungen treffen muss, ohne Hilfe von meinem Papa, ist schon schwierig. Manchmal fühle ich mich ein bisschen alleine. Man fragt sich immer: Wie hätte mein Papa wohl reagiert?

prisma: "Du lebst in mir weiter", singen Sie in dem Song ...

Antony: Das ist wirklich so! Wenn ich auf der Bühne stehe und ins Publikum gucke, habe ich oft das Gefühl, für einen Moment meinen Papa zu sehen. Und dann guckt man ein zweites Mal hin und er ist verschwunden – das ist ganz komisch. Aber ich habe das Gefühl, dass er bei mir ist. Wenn ich aufgeregt bin oder einen harten Tag habe, kommt ganz oft ein Schmetterling vorbeigeflogen.

prisma: Ein Schmetterling?

Antony: Schmetterlinge waren seine Lieblingsinsekten. Deswegen sieht man auch einen in meinem Video. Mein Vater hatte diese gerahmten Kisten mit Schmetterlingen aus der ganzen Welt. Er kannte alle Namen und kaufte auch immer das richtige Futter, sodass wir zu Hause in unserem Garten Hunderte von Schmetterlingen hatten. Als wir ihn beerdigten, flog, während wir den Sarg in die Erde herabließen, ein Schmetterling da raus. Und neulich war ich auf dem Dachboden, um die Weihnachtsdekorationen zu holen. Dabei habe ich einen Ordner mit Sachen von meinem Papa gefunden – und da kam ein kleiner weißer Schmetterling heraus. Mitten im Winter! Vor zwei Wochen fand ich einen im Keller. Es ist wirklich krass.

prisma: Sind Sie abergläubisch?

Antony: Was so etwas betrifft schon. Klar, vielleicht achtet man auch mehr darauf und will unbedingt etwas sehen. Aber wissen Sie, ich habe sehr viele Ordner auf dem Dachboden – und ausgerechnet aus dem von meinem Papa fliegt ein Schmetterling heraus? Solche Zeichen bekomme ich immer wieder. Und wenn ich es nicht sehe, sagt mein Mann Paul "Guck mal Ross, da fliegt wieder ein Schmetterling".

prisma: Von Ihrem Vater haben Sie auch die Liebe zur Musik, oder?

Antony: Ja, er konnte Gitarre und Klavier spielen. Er liebte Musik, hat sehr gerne gesungen und die Leute zum Lachen gebracht.

prisma: Und wann erkannten Sie, dass Sie auf der Bühne stehen wollen?

Antony: Das kann ich gar nicht sagen. Aber meine Eltern haben das ziemlich früh in mir gesehen. Sie nahmen mich mit zu Theaterstücken, ich durfte jedes Jahr bei der Weihnachtsshow in unserer Stadt mitmachen und sang im Chor. Meine Eltern haben mich da immer unterstützt.

prisma: Hat der Wunsch, auf der Bühne zu stehen, Sie 1997 nach Deutschland geführt?

Antony: Definitiv. Ich sah, wie schwer es war in England. Mein Traum war immer, in einem West End Musical mitzuspielen. Ich kam oft unter die letzten Kandidaten, aber am Ende war immer jemand besser. Irgendwann dachte ich: Vielleicht habe ich in einem anderen Land eine Chance. Ich ging zu einem Casting und so bekam ich mein erstes Engagement in Aachen. Dafür lernte ich extra Deutsch.

prisma: Mittlerweile haben Sie sogar einen deutschen Pass.

Antony: Ich hatte Angst, dass ich irgendwann zurückgeschickt werde (lacht). Also machte ich den Einbürgerungstest und bekam den auch super hin. Ich hatte die volle Punktzahl!

prisma: Ist Deutschland inzwischen Ihr Zuhause?

Antony: Schon lange. Ich fühle mich hier mehr zu Hause als in England. Wenn ich dort bin, fühle ich mich wie ein Tourist. Ich würde mir auch nicht wünschen, dass es anders wäre. Ich bin zufrieden mit meinem Leben in Deutschland, und ich liebe es, hier zu wohnen. Die Menschen haben die gleiche Mentalität wie ich. Deutsche sind sehr ehrlich. Außerdem halten sie sich an Regeln – genau wie ich das haben möchte (lacht).

prisma: Ihre bisherige Karriere könnte bunter kaum sein: Sie haben Alben aufgenommen, Bücher geschrieben, waren Dschungelkönig und moderieren eine eigene TV-Show. Gibt es etwas, das Sie gerne noch machen würden?

Antony: Einmal mit Helene Fischer zu singen wäre toll. Wissen Sie, was das Schöne ist? Ich habe lange dafür gearbeitet, aber ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich sagen kann: Ich habe wirklich alles erreicht, was ich erreichen wollte. Ich habe einen tollen Job, ein tolles Leben, ein tolles Zuhause und einen tollen Mann an meiner Seite, habe eine wunderbare Familie, wunderbare Freunde und zwei wunderbare Hunde, mit denen ich gerne spazieren gehe. Das ist Luxus, und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich inzwischen aussuchen darf, was ich mache. Wenn ein Job nicht zu mir passt, dann sage ich ihn ab. Denn ich möchte glaubwürdig bleiben. Aber es ist wirklich toll, wie mein Leben sich entwickelt hat.

prisma: Dass Ihre Karriere so lange währen würde, hätten Ihnen wahrscheinlich nur wenige Menschen zugetraut, als Sie mit der Casting-Band Bro'Sis anfingen ...

Antony: Überhaupt nicht! Selbst mein Management sagte damals: "Genießen wir die drei Monate, solange das Album läuft, und dann gucken wir, was wir als Nächstes machen". Meine TV-Show "Meine Schlagerwelt" geht 2020 in die sechste Staffel, die Reihe "Schlager meiner Heimat" auch. Damit hätte ich nie gerechnet.

prisma: Was ist Ihr Geheimnis?

Antony: Wenn ich das wüsste, hätte ich es schon viel früher gemacht (lacht). Aber was meine Fans immer wieder sagen ist, dass ich authentisch bin. Ich bin, wie ich bin. Die Leute mögen mich oder nicht. Ich polarisiere – aber alles andere wäre ja auch langweilig, oder?


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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