Sonntag am "Tatort"

"Tatort: Schutzlos" - Ausweg Drogenhandel

03.07.2015, 08.45 Uhr
von Detlef Hartlap
Razzia im Drogenmilieu: Liz Ritschard (Delia Mayer) und ihr Kollege, der Drogenfahnder Franz Hofstetter (Andreas Krämer, Mitte), stürmen eine Wohnung.
BILDERGALERIE
Razzia im Drogenmilieu: Liz Ritschard (Delia Mayer) und ihr Kollege, der Drogenfahnder Franz Hofstetter (Andreas Krämer, Mitte), stürmen eine Wohnung.  Fotoquelle: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler

Der Schweizer Tatort hat es im Konzert der verschiedenen Schauplätze dieser Sendereihe schwer. Das ist bekannt. Aber warum ist das so? Die Folge "Schutzlos" am Sonntag offenbart die Gründe in gebündelter Form.

Da sind die beiden Frontleute, Delia Mayer als Kommissarin Liz Ritschard und Stefan Gubser als Kommissar Reto Flückiger. Die beiden geben gewiss ihr Bestes, aber jedes Drehbuch erfindet sie quasi neu.

Ein willkürlich gesetzter Farbtupfer

Flückiger wohnt einsam auf einem Hausboot und springt nachts in den See, um sich abzureagieren; aber das ist nur ein Strang, der auftaucht und dann nicht weiterverfolgt wird. Ritschard erholt sich in lesbischen Eskapaden vom Frust des Dienstes. Auch das bleibt ein willkürlich gesetzter Farbtupfer.

Diesmal leidet Flückiger unter Halluzinationen, Gesichtsfeldverzerrungen und einer Intoleranz gegenüber jeder Form von Lärm. Was ihn nicht davon abhält, vom Krankenlager, in diesem Fall dem Rücksitz eines Autos, aufzuspringen, um einem Verdächtigen hinterherzujagen.

Die beiden Luzerner Kommissare sind eher Kopfgeburten als Persönlichkeiten, die Drehbücher gönnen ihnen kein Charisma.

Verfügt die Stadt Luzern als Tatort-Schauplatz über "Persönlichkeit", Charisma, Charme?

Luzern ist durchfotografiert und auserzählt

Schon von der Größe her stellt Luzern erhebliche Anforderungen an die Location-Scouts: immer dieselben Gassen, immer dieselben Straßen, man scheint sich in der possierlichen Beengtheit der Stadt im Kreis zu drehen, woran auch noch so ausgeklügelte Perspektivwechsel nichts ändern. Das kleine Luzern ist durchfotografiert und auserzählt.

Für "Schutzlos" wurde der soziale Kontrapunkt zu den Juweliergeschäften des Zentrums auserkoren, die Baselstraße, wo sich traditionell die Armen der Ärmsten ansiedeln: Einst waren es die Bergbauern aus dem Entlebuch, dann kamen die Deutschen, später die Italiener, heute die halbe Welt. Menschen aus 76 Nationen leben in der Gegend.

Ein wenig schulfunkmäßig

Der Tatort konzentriert sich solide und seriös, aber auch ein wenig schulfunkmäßig auf zwei Nigerianer, auf Ebi und Jola (Charles Mnene, Marie-Hélène Boyd), die, wie es beamtisch heißt, "als unbegleitete Minderjährige" in die Schweiz gekommen sind.

Sie leben im Heim, arbeiten dürfen sie nicht, Ausbildung bekommen sie nicht, mit Erreichen der Volljährigkeit steht ihnen die Ausweisung bevor, "möglicherweise im Sarg", wie ein Kenner sagt.

Als einziger Ausweg bleibt der Drogenhandel, und der findet wiederum auf der Baselstraße statt. Ein Tatort wie eine Doku. Spannung Fehlanzeige.

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