"Die letzte Séance"

"Vienna Blood": Mysteriöses aus Wien

von Wilfried Geldner

Ein Medium wird bei einer Séance ermordet. Inspektor Rheinhardt und der junge Freud-Bewunderer und Neurologe Max Liebermann ermitteln. Erster Film einer dreiteiligen Serie um mysteriöse Verbrechen im Wien nach 1900.

ZDF
Vienna Blood – Die letzte Séance
Krimi • 15.11.2020 • 22:15 Uhr

Als dem Wiener Inspektor Oskar Rheinhardt (Juergen Maurer) unverhofft der junge Mediziner Max Liebermann (Matthew Beard) zur Seite gestellt wird, ein Freud-Schüler, der erste Erfahrungen in der Verbrechensaufklärung sammeln will, ist Max keineswegs begeistert – schließlich empfindet er das Greenhorn als Ballast. Doch alsbald schweißt die beiden ein geheimnisvoller Fall zusammen: Bei einer Séance wurde das mit dem Jenseits korrespondierende Medium, Madame Löwenstein, ermordet und ein Selbstmord vorgetäuscht. Türen und Fenster sind von innen verschlossen, im Körper der Toten findet sich kein Projektil.

"Die letzte Séance" (Regie: Robert Dornhelm) eröffnet die zunächst dreiteilige ZDF / ORF-Koproduktion "Vienna Blood" nach den Romanvorlagen des britischen Psychotherapeuten und Autors Frank Tallis (jeweils sonntags, 22.15 Uhr). Mysteriöse Kriminalfälle werden hier ambitioniert in die Wiener Sozial- und Kulturgeschichte nach 1900 eingebettet.

Der Fall selbst – Tod während einer Jenseitsbeschwörung in besten Wiener Kreisen – ist schon eine harte Nuss. Wie gut, dass der Inspektor Rheinhardt seinen Schüler Max Liebermann zur Seite hat. Rheinhardt steht unter Druck, die Vorgesetzten wollen nicht, dass Rufschädigendes zutage gefördert wird. Max, der Neurologe, den es in die Niederungen der Gerichtspsychiatrie zieht, hat immer einen guten Tipp bereit, wenn es die Ermittlungen voranzutreiben gilt.

Schade allerdings, dass der Freud-Fan, der selbst zwecks Hypnose zum Taschenuhr-Pendel greift, den Herrn Inspektor immer wieder über die Untiefen der menschlichen Seele und allerlei Freudsche Erkenntnisse belehren muss. So verliert die aus der Erfolgsserie "Sherlock" bekannte Konstellation (für die der Drehbuchautor Steve Thompson mehrere Folgen schrieb) viel Leichtigkeit. Aber auch, weil dem Krimi die gesamte Wiener Kulturgeschichte der Jahrhundertwende beigegeben wird – Freud doziert, Mahler spielt im Off Klavier, selbst Gustav Klimts "Beethoven-Fries" spielt eine marginale Rolle – wird der Plot beschwert.

Die Wiener Gesellschaft, insbesondere die zu Teilen antisemitisch ausgerichtete von 1900, bekommt verspätet die verdiente Rüge. Das wirkt dann fast so, als wolle dieser Wien-Krimi das umstrittene Denkmal des früheren Bürgermeisters und Antisemiten Dr. Lueger am Wiener Ring einzureißen helfen. Andererseits sind Freudsche Erkenntnisse, wie etwa psychische Verletzungen, die zu Ängsten und Psychosen führen, mit erstaunlich leichter Hand eingebracht. Am konkreten Fall, einem unliebsamen Seitensprung in gehobenen Wiener Kreisen und seinen furchtbaren Folgen, gehen sie allerdings einigermaßen vorbei.

Robert Dornhelm, der Regisseur ("Hotel Sacher", "Maria Theresia"), wollte sich nach eigener Aussage ohnehin nicht so sehr auf den Kriminalfall selbst und dessen Aufklärung verlegen, sondern vermehrt auf die Charaktere der handelnden Personen. Das ist ihm mit dem überzeugenden Gespann Juergen Maurer und Matthew Beard denn auch geglückt. Dass die den Wienern eigene Ironie oft zu kurz kommt, liegt sicher einmal mehr an der notwendigen Synchronisation – die Koproduktion wurde in englischer Sprache gedreht. Doch nicht zuletzt eine üppige finale Action auf dem Riesenrad des Wiener Praters macht durchaus Lust auf mehr.

Inzwischen wurde denn auch bereits eine neue Staffel der Serie gestartet, allerdings mit Verzögerung: Der Regisseur und ein Teil des Produktionsteams hatten sich im August bei einem Festival-Empfang im niederösterreichischen Grafenegg mit dem Coronavirus infiziert.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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