Mit „Euphoria“-Star Jacob Elordi als Elvis Presley

Emanzipation vom „King of Rock'n'Roll“ – Kritik zur Filmbiografie „Priscilla“

08.01.2024, 10.14 Uhr
von Gregor-José Moser
Jacob Elordi und Cailee Spaeny am Set von "Priscilla"
Jacob Elordi und Cailee Spaeny am Set von "Priscilla"  Fotoquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sabrina Lantos

Nach „Elvis“ 2022 bringt Regisseurin Sofia Coppola in diesem Jahr ihre Antwort darauf in die Kinos: Das Drama „Priscilla“ erzählt von der ambivalenten Beziehung zwischen Priscilla und Elvis Presley. Ein sehenswerter Film mit einigen Abstrichen.

„This is a man's world“

Manche Regisseure sind so berühmt, dass sie auch weniger leidenschaftliche Filmschauer auf dem Schirm haben. Steven Spielberg, Ridley Scott oder James Cameron scheint nahezu jeder zu kennen, der sich ab und an mal vor den Fernseher oder ins Kino verirrt. Aber wie steht es um Regisseurinnen? „Greta Gerwig“ werden manche jetzt womöglich antworten – auch dank des Hypes um „Barbie“ (2023) und um den Internettrend „Barbenheimer“. Dann hört es bei vielen jedoch schnell wieder auf.

Auch noch 2024 werden die wichtigsten Positionen und Aufgaben in der Filmbranche, wie Regie und Drehbuch, vorzugsweise von Männern bekleidet. Das färbt auch auf die Geschichten ab, die Hollywood und Co. erzählen. Der männliche Blickwinkel ist über-, die weibliche Perspektive dagegen unterrepräsentiert. Von nichtbinären Menschen ganz zu schweigen. Umso erfrischender ist angesichts dessen „Priscilla“, der neue Film von Sofia Coppola. Darin nehmen wir die Perspektive von Priscilla Presley ein, die uns einen anderen Blick auf den „King of Rock'n'Roll“ gewährt.

Aufräumen mit einem Idealbild

Als Grundlage für das Drehbuch dienten Sofia Coppola die 1985 erschienenen Memoiren „Elvis und Ich“ von Priscilla Beaulieu Presley und Sandra Harmon. Im Alter von gerade einmal 14 Jahren lernt Priscilla (Cailee Spaeny) Elvis auf einer Party kennen. Der zehn Jahre ältere Musiker ist 1959 ebenso wie Priscillas Stiefvater in Hessen stationiert. Von diesem Ausgangspunkt aus erzählt Sofia Coppola die gemeinsame Geschichte des Paares. Eine Geschichte, die sich für eine Teenagerin zu Beginn wie ein wahrgewordener Traum angefühlt haben muss.

Als Priscilla bei Elvis in dessen Villa Graceland in Memphis einzieht, bekommt dieses Traumbild jedoch immer mehr Risse. Elvis ist als Musiker und Schauspieler häufig unterwegs – Priscilla bleibt im Anwesen zurück. In der Presse liest die junge Frau von Affären ihres Freundes und späteren Ehemanns. Ist Elvis dann doch einmal zuhause, teilt das Paar zwar auch schöne und romantische Momente. Allerdings verhält sich Elvis auch besitzergreifend und nimmt wenig Rücksicht auf Priscillas Gefühle und Wünsche. Das Drehbuch verzichtet also darauf, Elvis und die Beziehung zu Priscilla zu beschönigen oder zu verklären.

„Priscilla“ (2023/24) versus „Elvis“ (2022)

Sofia Coppola arbeitet mit viel Feingefühl heraus, was für eine toxische Beziehung die beiden offenbar führten. Besonders deutlich wird das anhand des Machtgefälles. So war Elvis nicht nur zehn Jahre älter, sondern bereits bei seiner ersten Begegnung mit Priscilla ein Star. Sie hingegen ging noch zur Schule und himmelte wie Millionen anderer Mädchen Elvis an. Auf Letzteres macht Elvis Priscilla im Film sogar selbst aufmerksam – er droht ihr, dass er sie verlassen und jede andere Frau haben könnte. In seiner Tonalität ist „Priscila“ ein ruhiger, unaufgeregter Film mit wenig Elvis-Musik, und steht damit in einem krassen Gegensatz zum hektisch geschnittenen und schnell erzähltem „Elvis“ von Baz Luhrmann, der nur zu leicht überfordern konnte. Da sich noch dazu ein Großteil der Handlung in „Priscilla“ im Anwesen Graceland abspielt, strahlt der Film immer wieder eine gewisse Intimität aus. Eine Intimität, die angemessen erscheint, wenn man die Geschichte einer zwischenmenschlichen Beziehung erzählen will.

Was zum großen Wurf fehlt

Sofia Coppola nimmt sich Zeit beim Erzählen dieser Geschichte. Einerseits stellt sie dabei kluge Beobachtungen mit Blick auf toxische Beziehungen und Einsamkeit an. Andererseits wirkt die Erzählung an einigen Stellen zu schleppend. Es fehlen größere emotionale Momente, die „Priscilla“ mehr Kraft hätten geben können. So plätschert die Handlung etwas zu sehr vor sich hin und ist dabei noch dazu teils repetitiv. Hinzu kommt, dass die Figur von Priscilla über weite Strecken recht einseitig gezeichnet wird. Sie sitzt allein im Anwesen, hofft und bangt und wartet. Eine tiefgründige Charakterstudie sieht anders aus. Für einen Film mit dem Titel „Priscilla“ erfahren wir erstaunlich wenig über Priscilla. Vielmehr handelt das Drama davon, wie Priscilla Elvis wahrgenommen hat und wie einsam sich Priscilla oft gefühlt hat.

Das ist nicht per se ein falscher Ansatz, schließlich braucht diese Welt mehr und häufiger nicht-männliche Perspektiven – auch auf Männer. Nichtsdestotrotz hätte die Figur Priscillas mehr Tiefe, mehr Ambivalenz gutgetan. Wenn Priscilla Elvis schließlich verlässt, geschieht das fast beiläufig. Zuvor bekommen wir nur einen kurzen Zusammenschnitt zu sehen, wie sie unter anderem Kampfsport für sich entdeckt, und damit ein Leben außerhalb von Elvis Presley. Es ist eine Sequenz, die als Symbol für ihre Emanzipation herhalten muss. Weil es bei dieser Sequenz jedoch bleibt und der Film mit der Trennung von Elvis sofort endet, ist es leider eben nicht mehr als nur ein Symbol. Wie der Prozess einer tatsächlichen Emanzipation fühlt sich das kaum an. Weil der Höhepunkt zugleich der Schlusspunkt ist, wird diese für Priscilla doch so bedeutsame Entscheidung nicht weiter ausgeführt.

Warum sich „Priscilla“ trotzdem lohnt

„Priscilla“ verspielt zwar Potenzial, ist aber dennoch sehenswert. Mit „Euphoria“-Star Jacob Elordi ist der Rockstar zudem überzeugend besetzt. Dessen cool-lässiges Auftreten passt perfekt zum „King of Rock'n'Roll“, wie man ihn in der Öffentlichkeit meist wahrgenommen hat. Auch seine toxischen Züge setzt Elordi glaubhaft um. Vor Austin Butler muss er sich mit dieser Performance definitiv nicht verstecken. Auch Cailee Spaeny macht das Beste aus dem, was ihr das Drehbuch zur Verfügung stellt. Die stimmigen Frisuren, Kostüme und Sets runden diese Zeitreise in die späten 50er bis 70er Jahre ab. Vor allem aber zeichnet Sofia Coppola ein Bild von Elvis Presley, das diesen nicht verklärt. Mit „Priscilla“ fügt sie dem Elvis-Puzzle ein weiteres Stück hinzu und kreiert damit ein authentischeres Gesamtbild.

„Priscilla“ läuft seit dem 4. Januar 2024 in den deutschen Kinos.

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