Schauspielerin im Interview

"Erzgebirgskrimi"-Star Lara Mandoki über Verantwortung beim Dreh, Schattenseiten der Branche und ihre Wurzel

14.11.2023, 08.38 Uhr
von Martina Maier

Als Kommissarin Szabo ermittelt Lara Mandoki zum achten Mal im ZDF-"Erzgebirgskrimi – Familienband". Wir haben mit der Deutsch-Ungarin nicht nur über ihre Wurzeln gesprochen. Sondern auch, um Verantwortung beim Dreh und die Schattenseiten ihrer Branche. 

"Erzgebirgskrimi"-Star Lara Mandoki ist vieles: beliebt, begabt, berühmt. Aber eins ist sie ganz sicher nicht: oberflächlich. Schon in den ersten Minuten des Interviews ist klar, dass die 34-Jährige eine Frau ist, die sich Gedanken macht. Als "Geschichtsnerd" bezeichnet sie sich. Und tatsächlich: Fragen nach ihrem Bezug zum Erzgebirge oder ihrer deutsch-ungarischen Herkunft beantwortet die Münchnerin unvermittelt mit detaillierten geschichtlichen Hintergründen.

Vom Alpenvorland ins Erzgebirge

Die Tochter des Musikers Leslie Mandoki, die einst in "Sturm der Liebe" die Mandy Meier verkörperte, in München und Los Angeles studierte und seitdem in zahllosen Theater-, Kino- und TV-Produktionen (aktuell in der vierten Staffel der Sky-Serie "Das Boot"; "Das Lied des toten Mädchens") zu sehen war, unterhält sich lieber über die Entwicklungen des europäischen Ostens als über ungarisches Kesselgulasch. In der Folge "Familienband" (Samstag, 11. November, 20.15 Uhr, ZDF) gibt sie zum achten Mal die Kommissarin Karina Szabo im "Erzgebirgskrimi". Es sei die "bisher beste Folge", wie sie sagt. Lara Mandoki über verlassene Dörfer im Erzgebirge, ihr "schönes, buntes Leben" in München und ihren Beruf, der niemals Plan B sein sollte.

prisma: Der achte "Erzgebirgskrimi – Familienband" stammt aus der Feder einer neuen Autorin. Es geht um Fremdenhass und eine zerrüttete Familie. Inwiefern unterscheidet sich der Film von seinen Vorgängern?

Lara Mandoki: Für mich ist es der wichtigste und schönste Film, den wir gemacht haben. Die neue Drehbuchautorin, Susanne Schneider, finde ich ganz großartig. Für mich ist der Erzgebirgskrimi ein bisschen wie nach Hause kommen, weil unser Team super eingespielt ist und ich ansonsten das ganze Jahr unterwegs bin und andere Projekte drehe, zuletzt zum Beispiel "Das Boot". An diesen Film bin ich total anders herangegangen als an die Erzgebirgskrimis davor, weil mich das Thema persönlich so interessiert hat. Im Gegensatz zu den anderen Filmen wurde hier weniger Folklore bedient, sondern er ist sehr viel näher an der Lebensrealität der Menschen dran. Das war für mich das ganz Besondere an diesem Film. Die Zusammenarbeit war ein Wahnsinns-Ritt. Ich habe dazu auch einen längeren Text auf Instagram geschrieben.

prisma: In den sozialen Medien sind Sie sehr aktiv ...

Lara Mandoki: Für das, was KollegInnen meiner Generation sonst so tun, bin ich noch sehr inaktiv (lacht), aber ich schreibe auf jeden Fall zu allen wichtigen beruflichen Dingen etwas.

prisma: Wie gut kannten Sie das Erzgebirge vor den Krimis?

Lara Mandoki: Ich komme aus dem Alpenvorland und wusste, es gibt das Mittelgebirge in Ost und West, aber mehr Bezug dazu hatte ich nicht. Das Spannende an dieser Region ist für mich nicht unbedingt das Landschaftliche, was aber auch daran liegt, dass ich ein eher urbaner Mensch bin. Das Spannende ist das Gesellschaftspolitische. Das ist schon sehr einzigartig. Die Geschichten und Schicksale der Leute scheinen anders als im Rest von Deutschland.

prisma: Was meinen Sie konkret? Spielen Sie auf die Zeit der ehemaligen DDR an?

Lara Mandoki: Ja, auch. Aber dadurch, dass die Russen dort Uran abgebaut haben, ist die Gesellschaft sehr geprägt vom Bergbau, anders aber als zum Beispiel im Ruhrpott. Es wurden in ganz Deutschland Menschen von den Russen rekrutiert, da Personal für diese Schwerstarbeit gebraucht wurde, unter anderem auch solche mit rechtem Gedankengut aus dem dritten Reich. Ich denke, das macht die Komplexität dessen, dass die AfD dort so stark vertreten ist, nochmal größer. Aber selbst im Osten ist das Erzgebirge etwas Besonderes: Es hat eine andere gesellschaftliche Struktur, Geschichte und Soziokultur als der übrige Osten. Ich empfinde die Verantwortung, die wir haben, wenn wir dort drehen, als sehr wichtig, und dieser achte Film nimmt sie auch sehr wahr, wie ich finde.

Über die Quoten: "Diesmal bin ich neugierig"

prisma: Abgesehen vom geschichtlichen Hintergrund, was ist das Besondere des Erzgebirges als Filmlocation?

Lara Mandoki: Die wunderschönen, romantischen Voralpen haben fast alles für bestimmte Formate, aber diese dichten Wälder im Erzgebirge, durch die man nichts sieht, und dieser Nebel, verlassenen Dörfer ... All das bietet filmisch natürlich eine einzigartige Kulisse. Conrad Lobst ist es in unserem Film gelungen, das einzufangen. Das Düstere und Drückende beschreibt es total.

prisma: Wenn der Film im Fernsehen läuft: Gibt es Public Viewing in Ihrem Wohnzimmer?

Lara Mandoki: Nee (lacht). Ich habe ihn ja schon ein paarmal gesehen. Außerdem bin ich irrsinnig schüchtern, was das Mich-selbst-Anschauen beim Spiel angeht. Ich bin sicher, dass meine Familie und meine Freunde ihn anschauen werden. Aber es kommen gerade auch andere spannende Sachen von mir raus. Ich bin auch immer sehr entspannt, was die Quote anbelangt, aber diesmal bin ich neugierig.

prisma: Sie sind mit ungarischen Wurzeln bei München aufgewachsen. Was mögen Sie an dem einen, was am anderen?

Lara Mandoki: Ich bin beides zur Hälfte, und das macht mich nach meiner Definition grundeuropäisch. Ich war ein Jahr in Amerika in der Schule und habe später ein weiteres Jahr dort studiert. Insofern habe ich auch gelernt, was Europagefühl heißt. Als Geschichtsnerd glaube ich total an das Konzept Europa. Meine Biografie, meine Prägung, meine zwei Muttersprachen, meine Ostwestprägung sind das beste Beispiel dafür, dass man EU-Bürger sein kann, ohne irgendeine traditionelle Verbundenheit zu verlieren, sondern sich das vielleicht sogar gegenseitig befruchten kann. Insofern schließt das Ungarische das Deutsche oder umgekehrt gar nicht aus.

prisma: Ihre erste Sprache ist Ungarisch. Könnten Sie sich eine ungarische Filmproduktion vorstellen?

Lara Mandoki: Ich habe schon eine HBO-Serie auf Ungarisch gedreht, aber es war keine ungarische Produktion. Ich würde nicht per se einen ungarischen Film drehen wollen, weil der Markt dort so klein ist. In Deutschland habe ich mit Deutsch und Englisch ganz andere Möglichkeiten, daher würde ich den ungarischen Kollegen keine Rolle wegnehmen wollen. Und ich habe nicht auf Ungarisch studiert, das macht einen Unterschied.

Einsamkeit, Exisztenzängste, Demütigungen im Job

prisma: Beim Thema Ungarn denken viele an fantastisches Essen, temporeiche Geigenmusik und Geselligkeit. Was ist typisch ungarisch an Ihrem Alltag?

Lara Mandoki: Bei uns zu Hause wurde immer ungarisch gekocht, aber das war selbstverständlich. Ich weiß gar nicht, was deutsche Hausmannsküche ist, dann kenne ich noch eher die bayerische. Aber ein Lieblingsessen habe ich nicht, und es gibt auch keine ungarischen Feiertage für mich. Ungarn ist für Bayern in Bezug auf die Österreich-Ungarn-Achse kulturell sehr nah. Natürlich gibt es diese Ostprägung. Aber im Gegensatz zur DDR galt Ungarn als lustigste Baracke, die nach der Revolution 1956 beziehungsweise durch die Wirtschaftsreform in den 70er-Jahren nochmal eine ganz andere sozialistische Prägung hatte als zum Beispiel die superreaktionäre DDR, die sich ja bis zum Schluss auch nicht gegen den Gorbatschow gewehrt hat. Insofern ist es für mich, wenn ich nach Wien komme, wie Budapest auf Deutsch.

prisma: Gab es im Beruflichen je einen Plan B oder wollten Sie immer Schauspielerin werden?

Lara Mandoki: Ich wollte immer Schauspielerin werden und habe nie über einen Plan B nachgedacht. Aber nach so vielen Jahren in diesem Metier meine ich inzwischen, man sollte diesen Job nur machen, wenn er wirklich alternativlos ist. Was von diesem Beruf nach außen strahlt, ist nicht immer das, was drin steckt. Man muss auch mit Einsamkeit, harter Arbeit, Existenzängsten, Zurückweisungen und auch Demütigungen umgehen können. Als Künstler:in ist man schon exponiert und fragil. Aber als Schauspielerin sitzt man nicht hinter dem Klavier oder dem Gemälde, sondern das Instrument, das man anbietet, besteht aus dem eigenen Körper, dem Geist und der Seele. Das zur Debatte zu stellen, zur Beurteilung und Ablehnung, ist ein wahnsinnig harter seelischer Prozess. Wenn man nicht wie ich das große Glück im Spiel selber findet, würde ich jedem raten, der einen Plan B im Hinterkopf hat: Mach Plan B.

prisma: Ihr Vater steht als Musiker und Musikproduzent im Licht der Öffentlichkeit. Waren Sie über dieses Thema sehr im Austausch mit ihm?

Lara Mandoki: Jein. Der Beruf der Schauspielerin unterscheidet sich inhaltlich und von der Struktur her sehr von dem, was mein Vater macht. Das heißt nicht, dass er nicht ein wahnsinnig guter Ratgeber wäre. Aber mit zunehmendem Alter und mehr Erfahrung ist meine Sharing-Partnerin Nummer 1 meine Agentin, Carola Studlar. Sie ist seit 30 Jahren im Beruf, super professionell und manchmal auch eine eher mütterliche Figur für mich, aber eine sehr liebevolle und sehr strenge. Ich schätze sie und ihre Ehrlichkeit, ihre Führungskraft und ihr Erkennen von Dingen sehr. Ich verdanke ihr sehr viel.

Ein schönes, buntes Leben

prisma: Was haben Sie gemeinsam mit Ihrer sehr aufbrausenden, toughen Filmfigur Karina Szabo?

Lara Mandoki: Sehr viel, also fange ich mit dem an, was wir nicht gemeinsam haben (lacht). Das wäre zum Beispiel, dass Karina im Erzgebirge einer großen Einsamkeit ausgesetzt ist. Die Region ist kaum besiedelt und sie kann sich auch nicht richtig mit ihrem Kollegen verpartnern, weil der ja mit der Försterin beschäftigt ist (lacht). Sie ist ewig auf der Suche nach einem Freund. Deswegen hat sie auch in der neuen Folge den Camper dabei, mit dem sie ihr eigenes Zuhause mitnehmen kann, damit sie sich nicht mehr so einsam fühlt. Ich habe dieses Einsamkeitsgefühl nicht, weil ich ein sehr schönes, buntes Leben habe, für das ich sehr dankbar bin. Sie ist eher der Lonely Wolf, ich bin eher das Gruppentier. Sie ist aufbrausend und frech. Trotzdem: Die private Lara würde an vielen Stellen sicher schneller die Grenzen aufzeigen und weniger aushalten, als sie aushält. Was die Gemeinsamkeiten angeht: das Temperament natürlich.

prisma: Ihr eigenes Temperament auf einer Skala von eins bis zehn, eins ist ganz wenig, zehn ist der ungarische Geiger: Wo würden Sie sich sehen?

Lara Mandoki: (lacht) Ich kann bei bestimmten Themen sehr temperamentvoll sein, bei anderen Sachen sehr gelassen. Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Ungerechtigkeiten sind Dinge, über die ich mich wirklich aufrege. Sowas macht mich sehr wütend.

prisma: Sie nannten sich selbst ein Gruppentier: Haben Sie einen festen Freundeskreis, mit dem Sie gern zum Feiern losziehen?

Lara Mandoki: Ich bin in Tutzing am Starnberger See aufgewachsen. Dort habe ich meinem alten Freundeskreis, der seit immer, für immer ist. Wir sehen uns leider nicht mehr so viel, weil jeder beruflich ziemlich eingespannt ist. Ansonsten ist München für mich ein wichtiger Filmstandort, hier habe ich meinen Film-Freundeskreis.

prisma: Was machen Sie sonst gerne nach Drehschluss?

Lara Mandoki: Wir drehen ja oft zwölf bis 14 Stunden. Danach möchte ich meistens so schnell wie möglich nach Hause. Der Reiz von Hotelzimmern und Reisen verliert sehr schnell seinen Glitzer, wenn man immer seltener zu Hause ist. Letztes Jahr war ich neun Monate durchgehend unterwegs. Von daher freue ich mich, wenn ich einfach in meinen eigenen vier Wänden sein kann.

prisma: Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie mal Zeit haben?

Lara Mandoki: Ich mache viel Sport. Ein regelmäßiges Hobby im Sinne von "Am Wochenende gehe ich regelmäßig klettern" habe ich nicht. Dafür fehlt mir einfach ein regelmäßiges Zeitfenster. Jeder Sport, jede Ernährungsform, jedes Buch hat ja irgendwas mit einer Rolle oder Disziplin zu tun. Ich habe mich mit einer befreundeten Kollegin darauf geeinigt, dass wir auf die Frage antworten, unser Hobby ist unser Sozialleben (lacht). Das ist das Einzige, was ohne Sinn passiert.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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