"Sex ist wie Mehl"

Jürgen von der Lippe: "Shitstürmchen? Na und"

10.01.2022, 06.15 Uhr
von Felix Förster
Belesen wie kein zweiter Comedian: Jürgen von der Lippe liebt Bücher.
Belesen wie kein zweiter Comedian: Jürgen von der Lippe liebt Bücher.   Fotoquelle: André Kowalski

Jürgen von der Lippe behandelt in "Sex ist wie Mehl" alle wichtigen Themen unserer Zeit: Religion, Wissenschaft, Kunst und natürlich auch die Libido. prisma hat mit dem Comedy-Urgestein gesprochen.

"Sex ist wie Mehl" – so heißt Ihr neues Buch. Woher kam die Idee zu dem Buch? Gab es einen Auslöser?

Jürgen von der Lippe: Zu dem Satz, der für sich schon die Stimmung hebt, gehört ein zweiter Teil, quasi eine Erklärung, und die ist ein Brüller. Wird aber nur im Buch oder auf der Bühne geliefert.

Sie wählen die Form der Glosse, des kurzen Stücks, der Kurzgeschichte. Das Buch baut nicht chronologisch aufeinander auf, kann durchaus quer gelesen werden. Erzählen Sie ein wenig vom Inhalt, was können die Leser erwarten, woher stammen die Glossen?

Jürgen von der Lippe: Die Glossen sind eigentlich Standup-Monologe, ein paar stammen auch aus älteren Bühnenprogrammen. Thematisch geht es knallbunt zu, von A wie Alkohol, über B wie Brüste, C wie Carassius gibello forma auratus, der Goldfisch, dicke Männer, Epikur über Frühstück im Bett, Men-Stripper beim Hochamt bis hin zu Päpstin, Quotenpuff , Stephen King und zwielichtigen Zwillingen. Die Kurzgeschichten sind thematisch ähnlich breit gefächert, Titel wie Manna-Hamm-Hamm, Sofas Welt, The Power of Glove oder Handy-Mandy sollten doch neugierig machen.

In einer Glosse befassen Sie sich mit der Kunst des Schenkens und stellen verschiedene Kategorien des Schenkens vor. Was waren die außergewöhnlichsten Geschenke, die Sie bekommen haben?

Jürgen von der Lippe: Als Kind jedes Jahr zu Weihnachten einen Karl May -und einen Prinz Eisenherz-Band. Auch schön war natürlich, als meine Frau mir ihr Herz geschenkt hat.

Haben Sie selbst mit einem Geschenk schon einmal völlig daneben gelegen?

Jürgen von der Lippe: Eine für mich überraschende Verstimmung habe ich mal mit einer Weihnachtskarte ausgelöst, auf der stand: "Fröhliche Arschnachten, ihr Weinlöcher."

Ein sehr ungewöhnlicher Text wendet sich direkt an eine Paderborner Tageszeitung und ihren Mitarbeiter, der einen Auftritt von Ihnen verrissen hat. Was hat es damit auf sich?

Jürgen von der Lippe: Das war schon sehr besonders, man sollte es unbedingt lesen.

Viele Künstler ignorieren solche Kritiken oder lassen sich nicht anmerken, dass sie sich darüber ärgern. Juckte es Sie vorher schon einmal im Finger, da eine Replik zu schreiben? Haben Sie so etwas schon einmal gemacht?

Jürgen von der Lippe: Nein, aber der sehr geschätzte Kollege Harald Martenstein hat es mal gemacht und mir so die Vorlage geliefert.

Sie setzen sich in einigen der Glossen sehr süffisant mit den Auswüchsen der Political Correctness auseinander, etwa wenn es um den Verbotsantrag der Berliner Linken geht, Unterwäsche und Bademoden-Werbung mit leicht bekleideten Models zu verbieten. Stichwort „Sexismus“. Ist Ihr Buch ein Statement gegen diese Cancel Culture?

Jürgen von der Lippe: Ich mache mich einfach mit großer Begeisterung darüber lustig.

Was erwarten Sie, wird sich das noch verschärfen?

Jürgen von der Lippe: Gendern und PC findet eigentlich nur an Unis, in der Verwaltung und Teilen der Medien statt. Je nach Umfrage fühlen sich bis zu 91 Prozent der Normalbevölkerung davon genervt.

Sie selbst lassen sich den Mund nicht verbieten. Haben Sie selbst schon Erfahrungen mit den "modernen Sittenwächtern" gemacht? Wenn ja, wie sahen diese aus?

Jürgen von der Lippe: Ich bin nicht bei Twitter, bediene nur meinen YouTube-Kanal und mache auf Instagram ein Wort zum Samstag, die Kommentare sind fast ausschließlich sehr positiv. Ab und zu höre ich mal was von Shitstürmchen, aber so what?

Sehr schön sind Ihre Ausführungen über die mittlerweile fast inflationär verwendete Floskel "Wir danken für Ihr Verständnis". Sie nennen das "euphemistischen Schwachsinn", genauso wie Sie sich über einen grassierenden "Partizip-Fimmel" lustig machen, der mittlerweile um sich greift, wie bei "Studierende", "Radfahrende" oder "Zu-Fuß-Gehende". Die Comedy-Szene sieht diese Auswüchse zum großen Teil sehr kritisch. Wofür plädieren Sie da?

Jürgen von der Lippe: Unbedingt weitermachen, das ist Comedy-Gold!

In Ihrem Buch zitieren Sie unter anderem Theodor Fontane mit den Worten "Das Alter hat viel Hässliches und Dummes, aber ein Gutes hat es wohl: Es nimmt alles nicht mehr so wichtig, und man kann es so machen oder auch so." Hat sich Jürgen von der Lippe im Alter verändert?

Jürgen von der Lippe: Ich habe mich immer bemüht, nett zu anderen zu sein, aber jetzt im Alter schlägt natürlich die Altersmilde, also der Testosteronschwund, kräftig zu.

Wenn man Ihr Buch liest, merkt man, dass Sie sich schon noch in gewisse Dinge hineinsteigern können. Worüber können Sie sich so richtig aufregen?

Jürgen von der Lippe: Das ist absolut abhängig von der Tagesform. Da können schon mal lächerliche Kleinigkeiten reichen. Aber selten.

Sie bieten dem Leser eine Mischung aus teils sehr frivolen und doppeldeutigen Gags, die man auch aus Ihren diversen Bühnenprogrammen kennt, bei Ihnen schwingt aber auch stets etwas mit, das ich einmal als "bildungsbürgerlich" beschreibe. Erklären Sie diese scheinbare Diskrepanz, die aber bei Ihnen wie aus einem Guss wirkt.

Jürgen von der Lippe: Schöner kann man das nicht sagen.

In der Glosse "Geh deine Oma melken" gehen Sie sehr witzig auf die weltweit unterschiedliche Form der Schimpfworte ein. Was ist da Ihr liebstes?

Jürgen von der Lippe: Das Hebräische: Mach einen Kopfstand auf dem Dach und richte deinen Pimmel auf den Mond. Pure Maledicto-Poesie!

Sie schließen Ihr Buch mit einigen Texten, die sich mit Corona beschäftigen. Darin erwähnen Sie auch den "omnipräsenten Karl Lauterbach" in einem Text, der aus dem März 2020 stammt. Nun sind wir am Anfang von 2021 eigentlich kaum einen Deut weiter, nur dass der erwähnte Politiker mittlerweile Gesundheitsminister ist. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation aus Sicht eines Bühnenkünstlers und Komödianten?

Jürgen von der Lippe: An seiner Fachkompetenz kann kein Zweifel bestehen, ich hoffe und wünsche ihm und uns allen, dass er diese undankbare Aufgabe stemmt.

Im Zuge der Veröffentlichung des Buches sind Auftritte geplant. Wie sehen die Pläne dahingehend aus?

Jürgen von der Lippe: Circa 50 Lesungen sind in 22 geplant, dazu 87 Hallenshows mit dem Bühnenprogramm. Hoffen wir das Beste.

Zuletzt bemängelten Sie in einem Interview den Zustand des deutschen Unterhaltungsfernsehens. Können Sie sich vorstellen, selbst noch einmal Shows zu moderieren?

Jürgen von der Lippe: Ich hatte meine goldenen Zeiten, in denen Geld und Zeit da war, um vernünftig zu arbeiten und nicht zu viele Köche mitrühren durften. Also: nein.

Jörg Pilawa hat zuletzt bei uns davon berichtet, dass seine Silvestershow bereits im November aufgezeichnet wurde, aus Sorge vor den Corona-Maßnahmen. Ein Satz dazu von Ihnen.

Jürgen von der Lippe: Früher wurden Silvestershows auch im August oder September aufgezeichnet. Da haben wir immer Gags gemacht, wie: Das ist ja wohl der wärmste Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wurde natürlich alles rausgeschnitten, aber die Stimmung war super.

Verlosung

Das neue Buch "Sex ist wie Mehl – Geschichten und Glossen" ist im Penguin Verlag erschienen. prisma verlost fünf Exemplare. Einfach bis zum 21. Januar 2022 unter 01378/900381* anrufen. Viel Glück!

* 0,50 Euro/Anruf a. d. dt. Festnetz/Mobilfunk abweichend. Die Preise wurden prisma vom Kooperationspartner unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Teilnahmebedingungen finden Sie auf www.prisma.de/teilnahmebedingungen.

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