Sternekoch im Interview

"The Taste": So brachte Alexander Herrmann seine Kollegen aus dem Konzept

28.09.2022, 13.34 Uhr

"The Taste" läuft seit zehn Jahren erfolgreich im TV, nun ist die Jubiläumsstaffel zu sehen. Alexander Herrmann ist seit Beginn dabei. prisma hat mit ihm gesprochen.

Zehn Jahre "The Taste": Die SAT.1-Kochshow mit den Löffeln feiert Jubiläum. Seit dem 21. September läuft die zehnte Staffel. Von Anfang an mit dabei ist Alexander Herrmann. Dreimal konnte er die Show bereits als Coach gewinnen und ist damit Rekordsieger. Der Sternekoch und "The Taste"-Coach spricht im Interview über Psychospielchen, den besonderen Reiz von "The Taste" und seinen eigenen Kühlschrank.

Zehn Jahre "The Taste": Dürfen Sie schon verraten, ob es in der Jubiläumsstaffel irgendwelche Überraschungen geben wird?
Ich kann verraten, dass ich durch eine psychologische Konkurrenzhaltung meine drei Kollegen ziemlich stark in eine depressive Phase gestürzt habe (lacht!).

Das ist ja schon fast ein Spoiler ...
Die haben versucht, das zu unterdrücken. Deshalb merkt man es am Fernseher vielleicht nicht. Aber Ihnen kann ich das verraten.

Gerne!
"The Taste" nimmt einen durchaus mit. Da gibt es Situationen, da kann man entweder nicht einschlafen oder wacht zu früh auf. Meine Kollegen holen sich dann irgendwelche homöopathischen Schlaftropfen. Bei einem oberfränkischen Körper wie meinem, da passiert bei einem Pflanzenwirkstoff gar nichts. Deswegen habe ich mir gedacht, ich nehme meine Sportsachen mit. Es gibt einen kleinen Fitnessraum im Hotel. Am ersten Tag bin ich um 5.30 Uhr aufgewacht, habe meine Sachen angezogen und bin im Fitnessraum eine Dreiviertelstunde Rad gefahren. Dann habe ich ein Foto gemacht und das in unsere coach-interne WhatsApp-Gruppe gestellt. Danach habe ich mich nochmal hingelegt und eine gute Stunde geschlafen. Das war so schön! Zunächst haben mich alle belächelt. Ich habe das aber während der gesamten Drehzeit durchgezogen, habe mir teilweise sogar einen Wecker gestellt. Und dafür haben die mich gehasst (lacht). Wenn ich jeden Morgen die Bilder eingestellt habe, haben dir mir eine Ausredenparade präsentiert, warum die das nicht schaffen ... Und deshalb ist es ja logisch, dass meine Kollegen dadurch psychisch natürlich einen Knacks bekommen haben.

Sie und Frank Rosin sind von Anfang an dabei – allerdings mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Sie haben dreimal gewonnen, er wartet noch immer auf seinen ersten Sieg. Die Frage, ob er sich viele Sprüche anhören muss, scheint sich nach Ihrer kleinen Anekdote fast erübrigt zu haben ...
Da sind meine anderen zwei Kollegen ein bisschen anders. Die foppen ihn da ein bisschen mehr. Ich tue das nicht und zwar aus zwei Gründen. Erstens weil es mich in seiner Lage schmerzen würde. Und zweitens muss man, um "The Taste" zu gewinnen, auch etwas Glück auf seiner Seite haben. Du brauchst die Verbindung zwischen Coach und Kandidat:innen. Wenn die eine gewisse Magie hat, wenn man es schafft, sich aufeinander einzustellen, dann kann man einen Gewinner oder eine Gewinnerin formen. Wenn die Wellenlänge nicht ganz passt, dann kann auch der Beste am Schluss nicht gewinnen. Natürlich mache ich ein paar Sachen auch anders als Frank. Aber das ist mein Weg und heißt nicht, dass das der richtige Weg ist. Es gibt verschiedene Arten und das ist ja auch das Schöne, dass die Kandidatinnen und Kandidaten sich aussuchen können, zu wem sie gehen.

Ich könnte mir vorstellen, dass so ein Drehtag auch mal lang wird. Was ist denn anstrengender: "The Taste" oder ein ganz normaler Tag in einer Sterneküche?
Fragen Sie mal Sebastian Vettel, ob es für ihn anstrengender ist, ein Formel-1-Wochenende zu absolvieren oder eine Woche in Berlin Taxi zu fahren. Das sind einfach zwei Welten, die man nicht vergleichen kann. Ich kann nur sagen, dass "The Taste" dich mental mehr fordert, als ein klassischer Tag im Restaurant.

Weil es kein Alltag ist, sondern etwas Besonderes?
Nein, es ist noch was anderes. Wir haben ja nichts in der Hand. Beim Teamkochen kann ich nicht mal richtig helfen, weil ich auf dieser Kanzel stehe. Das ist auch richtig so. Dann schickst du den besten Löffel zum Gast-Juror oder zur Gast-Jurorin. Da habe ich schon alles erlebt. Zum Beispiel, dass ein eigentlich perfekter Löffel wegen eines Details rausfliegt, weil ihm oder ihr beim anderen Löffel irgendwas besser gefällt. Wenn die Löffel so eng beieinander sind, beginnt die zweite oder dritte Ebene der Entscheidung: Was berührt mein Herz mehr? Ich habe auch schon mit Löffeln gewonnen, die handwerklich ziemlich "schmutzig" gekocht waren, aber geschmacklich fürs Herz gemacht. Manchmal läuft es genau andersrum. Du hast es nicht in der Hand und diese mentale Anspannung, dieser Druck ist für alle Coaches und Kandidat:innen sehr groß. Eine "Fehlentscheidung", die natürlich Interpretationssache ist, diskutierst du den ganzen Tag lang mit deinen Kollegen. Eine Kritik – ob gut oder schlecht – nimmt jeder persönlich, weil du immer dein Herz auf den Löffel legst. Das verursacht mehr Herzklopfen, als ein klassischer Arbeitsalltag.

Das merkt man auch als Zuschauer, dass es teilweise sehr emotional ist ...
Das Geheimnis von "The Taste" ist, dass es wahnsinnig echt ist. Es gab so viele unfassbare Zufälle. "Ja klar, jetzt zieht genau der dieses Los ..." Da wird gerne von außen unterstellt, das sei alles gescripted. Da ist gar nichts gescripted! Jede Träne ist echt, jede Freude ist echt. Diese Echtheit ist auch für mich die Energie, warum ich "The Taste" so lange machen möchte wie möglich. Wenn man mir mal keinen Vertrag mehr gibt, spielt das keine Rolle. Ich würde trotzdem anreisen. Wenn die mich rausschmeißen wollen, dann nur über eine einstweilige Verfügung, dass ich nicht mehr zum Set kommen darf!

Wenn man als Juror den ganzen Tag Löffel probieren muss, ist man dann am Abend richtig satt?
Im Gegenteil. Wenn du ständig nur so kleine Löffele bekommst, bleibt dein Insulinspiegel oben. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal aus Hunger gegessen habe. Es ist bei uns Köchen eher Soulfood als Nahrungsaufnahme. Du isst für eine geistige Befriedigung, fürs Herz. Wenn ich etwas esse, dann muss das auch wirklich schmecken. Wenn du den ganzen Tag im Studio gegessen hast, hast du abends das Gefühl, du brauchst noch was fürs Herz. Deswegen isst man dann schon nochmal. Aber das war in meinem Fall egal, denn ich war ja jeden Tag eine Dreiviertelstunde auf dem Fahrrad!

"The Taste" als Fitnesskur.
Das hat die anderen richtig narrisch gemacht, das hat die so gewurmt (lacht). Ich war der Stachel im Fleisch der Egos meiner Kollegen.

Kommt es vor, dass Sie von einem Löffel so begeistert sind, dass Sie nach der Blind-Verkostung der Kandidat:innen nach dem Rezept fragen?
Rezepte sind für Anfänger. Kein einziger Kandidat kocht nach einem Rezept. Das ist der Unterschied zwischen Kochen und Backen. Ich überspitze es ein bisschen: Backen ist im Grunde nur Rezept und Kochen hat mit Rezept nichts zu tun. Das stimmt natürlich auch nicht so ganz. Aber es geht einfach darum, dass man spürt: ein bisschen von dem, ein bisschen mehr davon ... Das ist das Faszinierende am Kochen. Das macht es so außergewöhnlich und deshalb ist Erfahrung so wichtig. Es gibt Löffel oder Momente, die einen berühren und die legt man im Unterbewusstsein ab. Man kocht nichts 1:1 zu Hause nach, aber es gibt Gedanken, die man mitnimmt, das auf alle Fälle.

Es wird immer wieder über Wertschätzung von Lebensmitteln diskutiert. Würden Sie sagen, dass hierzulande ein Umdenken festzustellen ist? Oder hinken wir anderen Ländern in dieser Hinsicht hinterher?
Ich habe den Eindruck – und das ist rein subjektiv – dass man in anderen Ländern wirklich gut schmeckende Tomaten und Co. anbieten muss, damit sie überhaupt gekauft werden. Ich glaube, dass wir in Deutschland etwas schneller zufriedenzustellen sind. Vielleicht liegt es daran, dass wir – brutal formuliert – die ein oder andere kulinarische oder geschmackliche Bildungslücke haben.

Glauben Sie, dass Kochshows in gewisser Weise auch Botschafter für eine bewusste Ernährung sind?
Es hat sich in den letzten 20 Jahren immens viel getan. Wenn wir es am Beispiel von "The Taste" festmachen, haben die Kandidat:innen vor zehn Jahren ganz anders gekocht. Sie brauchten eine andere Betreuung. Damals wurden noch Fragen gestellt wie "Wenn ich keinen Rosmarin habe, kann ich dann auch Thymian nehmen?" Solche Fragen höre ich heute nicht mehr. Vor zehn Jahren war es sehr bodenständig, häufig ohne Raffinesse. Mittlerweile ist es weltoffener geworden, die Leute haben eine andere kulinarische Identität geschaffen. Das gilt auch abseits der Sendung. Wenn ich als Jugendlicher zu meinen Kumpels gesagt hätte: "Ich gehe jetzt nach Hause, weil ich mit meinem Papa noch kochen möchte", hätten die gefragt: "Was ist denn mit dir los?" Heutzutage kochen Kinder. Das Thema Kochen und Genuss hat innerhalb einer Generation einen großen Sprung nach vorne gemacht. Es hat eine andere Selbstverständlichkeit, eine andere Wertigkeit. Es geht nicht mehr nur darum, satt zu werden oder dass das Schnitzel besonders groß ist. Es geht darum, was das für ein Schnitzel ist oder ob wir überhaupt noch Fleisch brauchen. Da ist schon viel in Bewegung, aber das gilt natürlich nicht für alle.

Welches Lebensmittel darf denn im Kühlschrank oder Schrank von Alexander Herrmann auf keinen Fall fehlen?
Ich bedanke für mich für diese Frage, die habe ich glaube ich schon hundert Mal gehört (lacht). Aber ich finde sie immer wieder interessant. Ich öffne mal gedanklich meinen Kühlschrank: Wir haben immer Milch zu Hause, durchaus auch sowas wie Hafermilch. Dann ist immer ein Stück Parmesan da, Meersalzbutter finde ich ganz wichtig. Oliven und Tapenade, also Olivenaufstrich, da stehe ich total drauf. Puddings und Joghurts liebe ich auch. Es ist immer Zitrone da, ab und zu mal Gurke oder Tomaten, Fetakäse oder Mozzarella. Die Sojasauce, die wir in Wirsberg brauen, steht bei uns auch im Kühlschrank, weil sie nicht pasteurisiert ist. In meinen Schubladen habe ich immer Pasta. Wenn keine Pasta im Haus ist, bekomme ich Angst, das ist lebensbedrohlich. Für die Pasta habe ich auch immer Dosentomaten da. Zu Hause ernähre ich mich fast komplett vegetarisch, manchmal aus Versehen auch vegan. Es ist alles in allem nichts Spektakuläres. Bei einem frischen Bauernbrot mit Meersalzbutter und Schnittlauch flippe ich aus vor Freude.

Parmesan hört man bei den Antworten von Köchen auf diese Frage häufig. Warum ist das so?
Er hat einen sensationellen Umami, viel Würze. Wenn man ihn bricht, merkt man diese Salzkristalle. Er muss gebrochen werden, nicht geschnitten. Das Zusammenspiel zwischen Parmesan und Olive kann so viel Gutes fürs Herz machen. Da fällt mir ein: Eier haben wir natürlich auch immer da. Die bekommen wir von der Eier-Oma auf dem Markt in Bamberg. Die hat manchmal Eier in einer Größe, wo ich mir denke: Das Huhn hat das unmöglich überlebt. 80 Gramm mit Doppel-Dotter!

Sie hatten die Gast-Jurorinnen und -Juroren, denen Sie und die Kandidaten "ausgeliefert" sind, bereits angesprochen. Fallen Ihnen spontan Kolleg:innen ein, die Sie gerne mal in der Show hätten?
Ich wünsche mir niemanden als Gast-Juror oder -Jurorin, denn die Gefahr ist 1:3, dass man einen Freund verliert oder zumindest ein halbes Jahr sauer auf jemanden ist. Selbst wenn er oder sie unseren Löffel völlig zurecht als den schlechtesten bewertet, bleibt da ein Schatten. "The Taste" ist schließlich kein Spaß!

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