Lohnt sich der Krimi?

Kritik zu „Liebes Kind“: Packender Krimi, der den Zuschauer zu früh aus seinen Fesseln lässt

24.10.2023, 11.33 Uhr
von Fabian Herbst
Wie gut ist die Netflix-Miniserie?
Wie gut ist die Netflix-Miniserie?  Fotoquelle: Netflix

Es ist eine der Erfolgsproduktionen des Jahres: Mit der Miniserie „Liebes Kind“ (sechs Folgen mit je rund 60 Minuten) haben die Regisseure Isabel Kleefeld und Julian Pörksen einen echten Hit gelandet. Der Krimi, der auf dem gleichnamigen Roman von Romy Hausmann basiert, schaffte es innerhalb von zehn Tagen nach seiner Veröffentlichung auf Platz eins der weltweiten Rangliste der nicht englischsprachigen Serien und befand sich demnach in mehr als 90 Ländern in den TV-(Serien-)Top-10. Eilt der Ruf der Serie voraus oder hält „Liebes Kind“, was es verspricht?

Die mysteriöse Familie aus dem Bunker

Eine Frau wird nach einem Autounfall schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Ursache für den Vorfall ist noch unklar, einziger Anhaltspunkt: die Aussagen eines kleinen Mädchens namens Hannah, welches behauptet, dass dort auf dem Krankenbett ihre Mutter Lena Beck liege. Das ruft den Polizisten Gerd Bühling auf den Plan, der seit 13 Jahren im Fall der vermissten Lena Beck ermittelt. Handelt es sich etwa um das verschollene Mädchen von damals?

Während Bühling einer alten Spur folgt, kümmert sich Polizisten Aida Kurt um die Aufklärung des Unfalls. Dabei stellt sich heraus, dass die Frau und das Mädchen entführt und von ihrem Entführer über Monate und Jahre in einem fensterlosen Raum gefangen gehalten wurden. Beide konnten zwar erfolgreich fliehen, doch mussten ein weiteres Kind namens Jonathan zurücklassen.

Auf der Suche nach der Identität der angefahrenen Frau, dem unbekannten Täter und dem verschollen Jonathan, stoßen die Ermittler der Polizei auf einen mysteriösen Bunker mitten im Wald. Dort finden Spezialkräfte nicht nur eine Leiche, sondern auch einige Rätsel rund um Lena Beck und ihre vermeintlichen Kinder. Denn die Familienmitglieder scheinen nicht die zu sein, für die sie alle halten.

Einige Fragen bleiben offen

Die Macher von „Liebes Kind“ haben mit ihrer Miniserie einen waschechten Krimi geschaffen, der den Zuschauer fast bis zuletzt fesselt – aber eben nur fast bis zuletzt. Während in den ersten fünf Folgen nur stückchenweise Informationen zu der mysteriösen Familie aus dem Bunker Preis gegeben und die Handlungen zusehends verstrickter werden, der Zuschauer mit neuen Nebenschauplätzen immer wieder auf die falsche Fährte gelockt wird und sich der Spannungsbogen langsam, aber sicher aufbaut, bricht genau dieser in der letzten Folge zu schnell ein.

All die Verbindungen zwischen den Handlungen und Charaktere, die die Regisseure über fünf Folgen mühsam miteinander verwoben haben, werden innerhalb von 60 Minuten so schnell entzerrt und gelöst, dass das Publikum mit dem Zusammensetzen der einzelnen Puzzleteile nicht hinterherkommt. Es fehlt am Ende die Zeit, um wirklich alle offenen Fragen und Fallstricke zu klären. So bleiben für den Zuschauer einige Fragen unbeantwortet, Nebenhandlungen werden nicht abgeschlossen. Doch trotzdem verliert die Serie damit nicht an Unterhaltungswert, denn „Liebes Kind“ hat neben dem klassischen Krimirätseln „Wer ist der Mörder?“ auch reichlich Action und bildgewaltige Szenen zu bieten.

„Dark“-Fans kommen auf ihre Kosten

„Liebes Kind“ ist eine Serie, die zum Nachdenken anregt, das Publikum zum Aufpassen, zum aktiven Zuschauen zwingt und in seinen Bann zieht. Etwas für waschechte Krimifans eben. Vor allem Streamer deutscher Serien à la „Dark“ werden sich hier wieder finden und sich bestens bedient fühlen. Hausmanns Roman „Liebes Kind“ avancierte zum Bestseller, ob die gleichnamige Miniserie es zu ähnlichem Status schaffen wird, wird sich zeigen.

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