Talk mit Anne Will

"Putin macht nie einen Rückschritt, er kann nur eskalieren"

07.03.2022, 07.21 Uhr
von Annika Schmidt
Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission.
Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission.  Fotoquelle: picture alliance / EPA | JULIEN WARNAND

Wie weit wird Putin gehen? Bis an die Berliner Mauer, so wie es der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Rede prognostiziert hat? Die Luftangriffe auf die Städte werden immer schlimmer und die Angst vor einer atomaren Auseinandersetzung steigt. Seit über zehn Tagen tobt der Krieg in der Ukraine und der Rest der Welt fragt sich, welchen Plan der russische Präsident verfolgt und wo das noch hinführen wird. 

Darüber diskutierte Anne Will am Sonntagabend in der ARD-Talkrunde mit der zugeschalteten Außenministerin Annalena Baerbock, mit dem Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag Alexander Graf Lambsdorff sowie mit Egon Ramms, General a.D. des Heeres der Bundeswehr und mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans, der Putin 1991 kennenlernte.

"All die Menschen, die von heute an sterben, werden auch Ihretwegen sterben", mit diesen harten Worten richtete sich der ukrainische Präsident an den Westen, der sich weiterhin weigert, eine Flugverbotszone über der Ukraine einzurichten. Daran hält auch die deutsche Außenministerin fest. "Flugverbotszone, das klingt richtig, aber es bedeutet, dass wir mit Nato-Flugzeugen russische Flugzeuge abschießen müssten", so Baerbock. Dabei gehe es um die Verantwortung für tausende Menschen, dass es nicht zu einem dritten Weltkrieg komme. 

"Die letzten Wochen haben gezeigt, dass es offensichtlich keine roten Linien gibt"

Ob Putin in noch weitere Länder einfallen könnte, darüber wollte sich die Außenministerin aktuell nicht den Kopf zerbrechen. "Doch die letzten Wochen haben gezeigt, dass es offensichtlich keine roten Linien gibt", schätzte Annalena Baerbock die Lage ein.

Frans Timmermans versuchte Putins Charakter den Zuschauern etwas näherzubringen. "Der Mann macht nie einen Rückschritt, er kann nur eskalieren", so Timmermanns. Auch wenn Putin den Krieg in der Ukraine gewinnen könnte, würde er das Land aber niemals kontrollieren können.

Wie weit das russische Staatsoberhaupt noch gehen könnte, wollte Anne Will von ihrem Gast Graf Lambsdorff wissen. Nach Meinung des FDP-Politikers könnte Putin auch vor den Ländern Georgien und Moldau nicht haltmachen, doch Nato-Länder würde der russische Präsident wahrscheinlich nicht angehen. Graf Lambsdorff und Egon Ramms befürchteten, dass die russische Armee noch erbarmungsloser gegenüber dem ukrainischen Volk werden könnte, umso länger der Krieg anhält. Daher warb Botschafter Melnyk für mehr Entschlossenheit gegenüber Putin. "Wie ein Kaninchen vor der Schlage" verglich der Botschafter das deutsche Verhalten und wünschte sich, dass Deutschland ein Importstopp für russisches Öl ausspricht. Bisher lehnte das die Regierung ab, um "den sozialen Frieden zu wahren", wie Vize-Kanzler Habeck in einem Einspieler erklärte. Einigkeit herrschte dagegen bei dem Thema, dass Deutschland bei der Energielieferung sich schnell unabhängiger machen und breiter aufstellen muss.

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