Mini-Serie im Ersten

"Bonn – Alte Freunde, neue Feinde": Kampf der BRD-Geheimdienste

17.01.2023, 08.03 Uhr
von Eric Leimann

Zwei Geheimdienste kämpfen in der noch jungen BRD darum, wer die Oberhand gewinnt: Die von Alt-Nazis dominierte "Organisation Gehlen" und das reformatorische "Bundesamt für Verfassungsschutz". Eine Serie erzählt diese Geschichte.

ARD
Bonn – Alte Freunde, neue Feinde (1+2)
Miniserie • 17.01.2023 • 20:15 Uhr

Die junge Deutsche Toni Schmidt (Mercedes Müller) kümmert sich Mitte der 50er um die Kinder einer wohlhabenden Londoner Familie, in deren Haus sie den Jahreswechsel erlebt. Hier trifft sie das Ehepaar Lucie (Inga Busch) und Otto John (Sebastian Blomberg), den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) – einen überzeugten Nazi-Jäger. Als Toni wenig später ins heimische Rheinland und den Schoß ihrer Familie zurückkehrt, spürt sie trotz des Wirtschaftswunder-Wohlstandes ihres Vaters Gerd (Juergen Maurer) einen gewissen Mief, den sie in ihrer Londoner Zeit fast vergessen hatte. Tonis Freund Hartmut (Julius Feldmeier) startet gerade mit seinem Radio- und Fernsehgeschäft durch. Doch nur Tonis Schwester Ingrid (Luise von Finckh) begeistert sich für die Arbeit im Laden. Toni würde lieber etwas Aufregenderes machen.

Vater Gerd bringt die junge Rebellin schließlich als Fremdsprachensekretärin bei Reinhard Gehlen (Martin Wuttke) unter. Der ehemalige Generalmajor der Wehrmacht ist nach dem Krieg weich gefallen und leitet den westdeutschen Auslands-Geheimdienst "Organisation Gehlen", die sich 1956 in den BND verwandelt. Als Übersetzerin für ihren Chef bei Kriegsverbrecher-Tribunalen muss Toni feststellen, dass viele Schuldige gar nicht oder kaum bestraft werden. Gleichzeitig trifft sie in Bonn Otto John wieder, der mit seinem Bundesamt für Verfassungsschutz die alten Nazi-Seilschaften jagt und vernichten will. Einer der besten Agenten Otto Johns ist Wolfgang Berns (Max Riemelt), den Toni bald kennenlernen wird. Doch wer spielt hier welches Spiel, und wer trägt – oft im Geheimen – noch die alte Nazi-Gesinnung im Herzen?

Alle Folgen in der ARD-Mediathek

Schon ab 11. Januar finden sich alle sechs Episoden der historischen ARD-Eventserie in der Mediathek. Wer lieber "linear" schaut: Nach den ersten beiden Folgen zum Auftakt und der anschließenden Aufarbeitung "Alte Freunde, neue Feinde – Die Doku" (21.50 Uhr) folgen die Episoden drei und vier am Mittwoch, 18. Januar, 20.15 Uhr, bevor die Geschichte am Dienstag, 24. Januar, 20.15 Uhr, mit Teil fünf und sechs endet.

Die Geschichtsstunde im Ersten, präsentiert von Regisseurin und Autorin (mit Peter Furrer und Martin Rehbock) Claudia Garde, ist durchaus reizvoll. Vor allem deshalb, weil die Machtkämpfe zwischen Alt-Nazis und "jungen" Demokraten in der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland bisher kaum Thema des fiktionalen Fernsehens waren. Sowohl den schillernden Reinhard Gehlen, der die West-Alliierten mit viel Geheimwissen über den neuen Feinde im Osten zu seinem eigenen Vorteil "köderte", als auch Nazi-Jäger Otto John gab es wirklich.

Um diese beiden realen Figuren herum erschufen die Autoren eine – vielleicht ein bisschen zu typische – deutsche Familie der 50-er: Mutter Else (Katharina Marie Schubert) bangt und trauert um einen Sohn, der im Krieg vermisst ist, und pflegt eine etwas unklare Beziehung zu einem deutschen Juden. Ihrem Mann Gerd geht es gut dank alter Seilschaften. Und die Töchter? Sie spiegeln die Zerrissenheit zwischen altem Weibchen-Modell und der Lust wider, in eine emanzipierte, befreite "neue Zeit" aufzubrechen.

Ein großer Pluspunkt von "Bonn – Alte Freunde, neue Feinde" ist die Besetzung der Hauptrolle mit Mercedes Müller. Die 26-jährige Berlinerin ("Oktoberfest 1900") zählt zu den begabtesten jungen Schauspielerinnen Deutschlands. Sie gibt der Miniserie ein stabiles emotionales Zentrum. Durch ihre Augen mag man diese Welt gerne entdecken. Auch die Ausstattung der Viereinhalbstunden-Erzählung stimmt und versetzt einen mit vielen Aufnahmen an Originalschauplätzen und einem authentischen Look in der Zeit der Fünfziger zurück.

Vielleicht hätte dem Plot eine noch etwas komplexere Figurenführung gutgetan, doch dann wäre man wahrscheinlich nicht mehr in einer deutschen Primetime-Serie des Öffentlich-Rechtlichen. So oder so: "Bonn" ist eine Serie, die den Spagat zwischen traditionellen Historien-Mehrteilern von ARD oder ZDF und modernem seriellen Erzählen recht gut hinbekommt – und könnte so Fans in beiden "Zuschauerlagern" finden.

Bonn – Alte Freunde, neue Feinde (1+2) – Di. 17.01. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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