Serie bei ZDFneo

"Exit": Die norwegische Variante von "Wolf of Wall Street"

von Eric Leimann

Sie ist die erfolgreichste norwegische Serie aller Zeiten: In "Exit" geben sich vier Investment-Banker einem Sex-, Drogen- und Gewaltrausch hin.

Eine Million Norweger haben die Serie "Exit" gesehen. Bei nur 5,4 Millionen Einwohnern ist das ein ziemlich guter Schnitt, vor allem wenn man bedenkt, dass dieses vor Sex-, Drogen- und Gewalt-Exzessen strotzende Fiction-Werk viele jüngere und zarter besaitete Menschen erst gar nicht erreicht haben dürfte. Am Samstag, 5. Juni (23.35 Uhr), zeigt ZDFneo die acht Folgen à etwa 30 Minuten zu nachtschlafender Zeit am Stück. Ab 6. Juni – und dies dürfte die wichtigere Auswertung des norwegischen Serienhits "Exit" sein – steht Norwegens Antwort auf US-Stoffe "Wolf Of Wall Street" oder "American Psycho" dann in der ZDF Mediathek zum Streamen bereit.

Worum geht es? "Exit" erzählt vier Osloer Investment-Banker-Freunden: Adam (Simon J. Berger), William (Pål Sverre Hagen), Henrik (Tobias Santelmann) und Jeppe (Jon Øigarden). Sie sind zwischen Mitte 30 und Anfang 40 und haben längst alles erreicht, was sie sich früher vielleicht mal vom Leben erträumten: viele Millionen auf dem Konto, ein Leben in Saus und Braus, Macht und die Freiheit, zu tun, was man will. Und ach ja – Familien gibt es auch noch. Zu Hause sitzen mehr oder weniger unglückliche Frauen und Kinder, zu denen die narzisstischen Väter so gut wie keinen Bezug haben, im Luxus herum. Nur Adams Frau Hermine (Agnes Kittelsen) hat noch kein Kind. Sie geht so langsam auf die 40 zu und wünscht sich nichts sehnlicher als Nachwuchs.

Dass Adam sich schon vor Jahren sterilisieren ließ, hat er seiner Frau nicht erzählt und lässt sie weiter im Glauben, man würde das mit dem Kind gemeinsam versuchen. Die bittere Lüge zwischen Adam und Hermine ist nur eine der Fiesheiten, von denen "Exit" berichtet, denn das gesamte Privatleben der vier Protagonisten ist ein einziger Betrug. Vom Leben gelangweilt haben sie in Oslo eine gemeinsame Luxus-Wohnung angemietet, in denen regelmäßig Partys mit Drogen und Prostituierten stattfinden. Zudem kommt es im Leben von Adam, Henrik, William und Jeppe immer wieder zu – kaum vorhersehbaren – Gewaltausbrüchen. Mal ersticht man aus Versehen beinahe eine Prostituierte, mal wird ein junges Paar per Kickbox-Einlage im Park krankenhausreif geprügelt. Einfach aus Langeweile – und deshalb, weil man es sich leisten kann.

Geld, Einfluss und Hochmut regeln immer wieder brenzlige Situationen, in denen Grenzüberschreitungen die schrecklichen Vier mal wieder mit einem Bein in den Knast bringen oder sich ihre Frauen von ihnen abwenden wollen. Meistens jedoch hält die Fassade. Zumindest am Anfang der Erzählung von Øystein Karlsen (Drehbuch, Regie) und Lars Gautneb (Drehbuch), die den skandinavischen Serienhit auf den Geständnissen und Anekdoten echter Kicksucher aus Norwegens Superreichen-Liga aufgebaut haben.

Geld macht unglücklich! 

Nur stellt sich die Frage, ob man diesen moralfreien "Helden" tatsächlich zusehen will? Tatsächlich spricht ebenso viel dafür wie dagegen. Die vier "Norwegian Psychos" sind nicht "nur schlecht". Als Freunde helfen sie sich gegenseitig. Dazu tun sich bemitleidenswerte Abgründe der Verzweiflung und Schwäche in ihnen auf, etwa wenn einer der Vier nach einem gescheiterten Selbstmordversuch erfahren muss, dass ihm seine Familie keinerlei Halt gibt und er ganz alleine ist.

Kein Geld der Welt hört dich schreien, wenn du dich elend und alleine fühlst. Dies möchte man als simple Moral aus dem Treiben der Investment-Banker herausfiltern und tatsächlich wird es in der Serie auch nicht sehr viel komplexer, selbst wenn zwischendurch immer wieder in Fake-Interviews und Partyreden über Kapitalismus, Moral und Lebenssinn monologisch anspruchsvoll räsoniert wird. Als Charaktere verbleiben Adam, William, Henrik und Jeppe in jener Oberflächlichkeit, die sie sich selbst als Lebensmotto auferlegt haben. Es gibt keine Lebenskrise, die nicht weggevögelt oder im Drogenrausch oder durch den Konsum eines neuen Sportwagens behoben werden könnte. Und wenn das nichts hilft: Warum nicht einfach mal wieder jemanden zusammenschlagen?

Dass all dies in oder vor wunderbaren Designer-Häusern mit Fjord- oder sonstigen spektakulären Norwegen-Bildern passiert, versteht sich von selbst. "Exit" ist eine bilder- und Amoral-satte-Serie für Menschen, die einem derartigen Verzweiflungstreiben gerne zusehen, um zu erfahren: Geld macht unglücklich! Beim Streamingdienst Joyn Plus ist die Serie übrigens ebenfalls zu finden. Überhaupt war "Exit" mit seiner explosiven Mischung amoralischer Zutaten in vielen Ländern ein Hit. Im März 2021 wurde in Norwegen eine zweite "Exit"-Staffel ausgestrahlt. Auch die dürfte irgendwann den Weg ins Ausland finden – sollte man bis dahin noch nicht genug von den schrecklichen Freunden haben.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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