Zehnfach für den Deutschen Filmpreis nominiert

"Fabian oder der Gang vor die Hunde": Tom Schilling als distanzierter, ironischer Beobachter

07.04.2023, 08.40 Uhr
von Eric Leimann

Heute Abend zeigt ARTE das filmisch ambitionierte Werk von Dominik Graf, der den Roman von Erich Kästner 2020 verfilmte. "Fabian" wurde ein Jahr später zehnfach für den Deutschen Filmpreis nominiert. Tom Schilling glänzt darin in der Rolle des ironisch, lakonischen Großstadt-Drifters.

ARTE
Fabian oder der Gang vor die Hunde
Drama • 07.04.2023 • 20:15 Uhr

Der promovierte Germanist Jakob Fabian (Tom Schilling), den alle nur beim Nachnamen rufen, arbeitet tagsüber in der Werbeabteilung einer Zigarettenfabrik. Nachts lässt er sich mit seinem vermögenden Freund Labude (Albrecht Schuch) durch Kneipen, Varietés und Bordelle treiben. Während Labude verwundet und ein bisschen überdreht die Trennung von seiner langjährigen Verlobten verkraften muss, bleibt Fabian ein distanzierter, ironischer Beobachter des babylonischen Berlins von 1931.

Ein Film, mit Mut zu Experimenten

Dominik Grafs auf der Berlinale gefeierte Erich-Kästner-Adaption "Fabian oder der Gang vor die Hunde" zeigt die Stadt deutlich weniger glamourös und wuchtig als die erfolgreiche TV-Serie "Babylon Berlin". Die Schauplätze des im historischen 4:3 Format gedrehten Films sind schäbiger, schmuckloser. Ganz anders als in Tom Tykwers Serie, wo selbst der Schmutz gut aussieht. Zudem tragen collagenhaft wechselnde Bild- und Tontechniken, ein Steckenpferd Grafs, zur Abweichung vom herkömmlichen Historienfilm bei. Die Bilder sind abwechselnd in grobkörnigem Super 8 und herkömmlichem HD gedreht, unterwandert von schwarzweißen Original-Wusel-Aufnahmen der Berliner Straßen von damals. ARTE zeigt das Dreistunden-Werk als deutsche TV-Premiere, in der Mediathek ist der Film vom 7. April bis 03. Oktober 2023 verfügbar.

Auch der Ton ist anders als bei "Babylon Berlin": Es kommen eine "allwissende" Erzählerin und ein ebensolcher Erzähler zum Einsatz – ebenfalls eine herrlich irritierende Graf-Spezialität. Dazu wechseln Lautstärke der Dialoge, von Erzähler und Umweltgeräuschen manchmal so, als wäre der Mann am Mischpult kurz eingeschlafen. Doch wer sich keinen "Experimenten" im Historienfilm stellen will, für den ist die überlange Romanverfilmung – übrigens die zweite nach Wolf Gremms Film von 1980 – wohl ohnehin nichts.

Lange kann die Liebe nicht im Geheimen existieren

Fabian lernt im Nachtleben die selbstbewusste Cornelia (Saskia Rosendahl) kennen, eine Rechtsreferendarin beim Film, die es vor die Kamera zieht. Der bekannte Filmemacher Markart (Aljoscha Stadelmann) hat ihr Probeaufnahmen versprochen. Fabian und Cornelia verlieben sich ineinander. Die Zuschauer nehmen auf zauberhaft junge, verspielte Art an dieser Liebe teil. Für einen kurzen Moment schafft es Fabian, seine pessimistische Grundhaltung abzulegen.

Dann jedoch wechselt der tragikomisch mäanderte Plot des Films ins Dramatische: Fabian wird entlassen, und sein Freund Labude, der für einen idealen Kommunismus kämpft, verschwindet wie vom Erdboden. Das Geld wird knapp, Cornelia schlägt einen Deal vor: Sie lässt sich auf eine Affäre mit Markart ein und wird Filmstar, während die wahre Liebe mit Fabian im Geheimen weiterexistiert. Dass dies nicht klappt, kann man sich denken. Schließlich hieß Erich Kästners Roman bei seinem Erscheinen 1931 "Fabian. Die Geschichte eines Moralisten".

Ehrung an den Meister Erich Kästner 

Es gibt einige Aspekte an Dominik Grafs Kunstfilm-Variante des Berliner Großstadtromans aus den späten Tagen der Weimarer Republik, die ein großes Publikum abschrecken dürften. Neben der collagenhaften Erzählform ist es die pure Länge des Stoffs. Graf, ein Fan des großartigen Beobachters, Erzählers und Sprachpoeten Erich Kästner, wollte seinen Film etwa so lange dauern lassen, wie es braucht, das Buch zu lesen.

Konsequenterweise legt er den Erzählern und Figuren immer wieder Originalpassagen aus Kästners Werk in den Mund. Sätze voller Sprachfinesse und großer Erkenntnisse, die nicht nur den Film auf ein hohes Niveau heben, sondern auch wieder zeigen, wie modern und lebensweise der 1899 in Dresden geborene und 1974 in München verstorbene Autor Erich Kästner in dieser Zeit war.

Fabian oder der Gang vor die Hunde – Fr. 07.04. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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