Geschichtsstunde im ZDF

"Kaiserspiel": Doku blickt zurück auf Bismarcks Reichsgründung in Versailles

von Wilfried Geldner

Im Spiegelsaal von Versailles wurde Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser ernannt. Eine ZDF-Doku blickt zurück auf ein heikles Kapitel der deutschen Geschichte.

ZDF
Kaiserspiel – Bismarcks Reichsgründung in Versailles
Dokudrama • 14.12.2021 • 20:15 Uhr

Die in ZDF-Dokudramen sonst meist üblichen Experten haben diesmal Pause, was erfreulich ist. Dafür treten in einer Art Rahmenhandlung zwei betagte Damen von 1919 an, um auf die Zeit der Reichsgründung zurückzublicken. Die Autoren Lothar Machtan und Dirk Kämper lassen in ihrem Bismarck-Stück die Zeitzeuginnen Eugénie, die Witwe Napoleons III., und Luise, die Tochter des deutschen Kaisers Wilhelm I., die einst am Lebensabend nahe beieinander wohnten, nach 50 Jahren zurückblicken auf die Vergangenheit. Die Zeit heilt bekanntlich (fast) alle Wunden. Bismarck, der "Blut und Eisen" propagierende Reichsgründer, kommt in diesen Plaudereien als "Kaisermacher" ebenso schlecht weg wie Kaiser Wilhelm I., der sich lange gegen den Titel "Deutscher Kaiser" wehrte – aus Angst, die Würde eines Königs von Preußen könnte dadurch beschädigt werden.

Die Reichsgründung, richtiger: die Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871, ist bekanntlich ein heikles Kapitel der deutschen Geschichte, genauso wie man sich um die Verdienste des Reichsgründers Bismarck streiten mag. Im Rückblick folgte auf die Schmach von Versailles die Schmach der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg an selber Stelle und selbst der Zweite Weltkrieg kann zum Teil wohl auch als Folge der aggressiven Reichsgründung gesehen werden. In der mit viel Reenactment angereicherten Doku, in der ein etwas betagterer Thomas Thieme den Kanzler Bismarck mit gebotener Power spielt – ohne ihn wäre das Ganze nichts -, geht es vor allem um Bismarcks Ränkespiel, das Wilhelm zur Marionette seiner Pläne macht. "Es ist nicht leicht, unter diesem Kanzler Kaiser zu sein", sagt Wilhelm, während Bismarck angesichts der Weigerung des Preußenkönigs wütet: "Man könnte zum Republikaner werden!"

Neben dem durchaus trefflichen Reenactment der bärtigen Hauptdarsteller und den kommentierenden Damen kommt im Stück aber auch vielfach die andere Seite zu Wort – die der unterlegenen Franzosen, insbesondere der hungernden Pariser, die unter dem Bombardement der Deutschen litten. Anarchisten und Sozialisten zetteln im Zuge der Niederlage den Volksaufstand an, auch gegen die eigene Regierung.

Das alles hat das Zeug zu einem packenden Drama, hätten sich die Autoren und der Regisseur Christian Twente ("Die Kelten", "Das Luther-Tribunal") auf nur eine Perspektive konzentriert – vielleicht doch auf die Bismarcks, von dem es ja genügend Selbstzeugnisse gibt. So wird allen Seiten, aber niemand wirklich recht getan. Irgendwann beginnt man, sich doch tatsächlich nach den sonst oft so lästigen "Experten" zu sehnen, die ein wenig Schneisen schlagen. Am allermeisten brennen sich ohnehin die eingeblendeten alten Schwarzweiß-Fotos der Kriegsszenen und der zerbombten Pariser Straßen ein. Parallelen ergeben sich da ganz von selbst.

Kaiserspiel – Bismarcks Reichsgründung in Versailles – Di. 14.12. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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