ARD-Krimi

"Tatort: Alles was Recht ist": Ferdinand von Schirach in Wien?

03.04.2022, 08.36 Uhr
von Eric Leimann

Ein Mann gesteht einen Doppelmord. Fall gelöst für Fellner und Eisner? Weit gefehlt! Jetzt wird es in diesem Wiener "Tatort" richtig kompliziert.

ARD
Tatort: Alles was Recht ist
Kriminalfilm • 03.04.2022 • 20:30 Uhr

Der oberkorrekte Wiener Stefan Weingartner (Johannes Zeiler) ist ein Mann des Glaubens. Nicht nur jenes an eine göttliche Gerechtigkeit, sondern auch an Regeln, die deren "Vertreter" auf der Erde herzustellen versuchen. Als der Vater einer erwachsenen Tochter eines Tages überraschend aus dem Büro zurückkehrt, wird er Ohrenzeuge, wie seine Frau einer Freundin einen sexuell äußerst anregenden Seitensprung schildert. Mit Weingartner gehen die Nerven durch, und die Zuschauenden des Wiener Falles "Tatort: Alles was Recht ist" sind ihrerseits lediglich Ohrenzeugen, wie zwei Frauen dahingestreckt werden. In der nächsten Szene erwartet Stefan Weingartner mit seiner verbluteten Frau auf dem Schoß die Ankunft der Polizei. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) betreten das Haus der Weingartners, nachdem der mutmaßliche Doppelmörder selbst die Behörden informiert hat. An dieser Stelle scheint der Kriminalfall gelöst. Die Verhandlung gegen den geständigen Weingartner, der sich an die Tat selbst jedoch nicht erinnern kann, dürfte nur noch Formsache sein.

Dann aber kommt der schillernde Anwalt Thomas Hafner (Julian Loidl) ins Spiel. Er gilt als der gerissenste Vertreter seiner Zunft in Österreich. Ausgerechnet Hafner hat die Verteidigung eines Mannes übernommen, der offenbar schuldig an einem Doppelmord ist – und für diesen auch zur Verantwortung gezogen werden möchte. Den Ausgang könnte sich Ferdinand von Schirach, an dessen verzwickt rechtsphilosophische Geschichten dieser Krimi erinnert, nicht besser ausgedacht haben: Stefan Weingartner wird freigesprochen. Dafür werden Fellner und Eisner bald zu einem anderen Tatort gerufen – denn nun hat es den siegreichen Anwalt Thomas Hafner erwischt.

Könnte es sein, dass Stefan Weingartner seinen eigenen Verteidiger tötete, weil er Gott und die Welt nicht mehr versteht? Für die Wiener Ermittelnden beginnt eine komplizierte Suche nach Motiven und Verdächtigen, bei der stets mindestens ein Puzzlestück so gar nicht zu passen scheint.

"Inkasso Heinzi" spielt auch eine Rolle

Eigentlich ist der 28. Fall des Wiener "Tatort"-Teams einer, über den man anfangs möglichst wenig wissen sollte, denn die unvermittelt eintretenden Todesfälle der ersten 15 Minuten überraschen doch ziemlich. Wer sich hingegen schon auf dem Wissensstand dieses Textes – und auch der offiziellen ARD-Programmvorschau auf diesen "Tatort" – befindet, dem bleibt ein gänzlich anderer Krimi, welcher sich an die Überraschungs-Overtüre anschließt. Infolge des zweiten Mordfalles beginnt das Team um Eisner und Fellner mit einer klassischen Suche nach Motiven und Verdächtigen. Neben Stefan Weingartner selbst, gegen dessen zweite Tat seine Religiosität und das tiefe Bedauern des ersten Mordes spricht, sind dies seine Tochter Johanna Weingartner (Noemi Krausz), die den Vater schon vor dem Mord an der geliebten Mutter hasste, aber auch Menschen, die aus der Vergangenheit des Rechtsanwaltes Thomas Hafner stammen. Und dann wäre da auch noch "Inkasso Heinzi" (Simon Schwarz), eine bereits bekannte Figur aus dem Wiener "Tatort", die in diesem Fall mal wieder dabei ist. Zu Bibi Fellner steht der schillernde Kriminelle in einer besonderen Beziehung. Kann er der Ermittlerin bei der Aufklärung helfen?

Man kann die 90 "Tatort"-Minuten (Drehbuch: Karin Lomot, Regie: Gerald Liegel) in drei Abschnitten betrachten, die sich auch für Zuschauende jeweils gänzlich anders anfühlen. Der "von Schirach-Auftakt", ob seiner überraschenden Wendungen tatsächlich faszinierend, dann die kleinteilige Suche nach Motiven und Verdächtigen – ein schönes Zeugnis für Polizeiarbeit und wie sie im Krimi zum Mitdenken anregt – und schließlich das etwas konventionelle Finale, das zwar nicht komplett enttäuscht, aber klar den schwächsten Part der Wiener "Tatort"-Trilogie bildet.

Für Bibi Fellner und Moritz Eisner, die in der Mitte dieses Krimis einen anrührenden Dialog über Freundschaft führen, ist es der erste Fall seit der etwas überkandidelten Folge "Verschwörung" vom Mai 2021, in der es um gedopte Jogger und politische Vetternwirtschaft ging. Momentan schaffen es die Wiener nicht immer, ihr "bestes Tennis" über 90 Minuten auf den Platz zu bringen. Das ist durchaus schade, denn oft stimmen die Ansätze. Auch "Alles was Recht ist" sieht zu Beginn nach einem klaren Sieg in zwei oder drei Gewinnsätzen aus – bis am Ende die Kondition nachlässt.

Tatort: Alles was Recht ist – So. 03.04. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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