Hintergrund zum Krimi

Stuttgarter "Tatort": Auf welcher Psycho-Droge ermittelte der Kommissar?

20.06.2023, 08.24 Uhr
von Eric Leimann

Der letzte Stuttgarter "Tatort" war ein außergewöhnlicher Fall. Besonders für Kommissar Lannert (Richy Müller), der plötzlich unter einer psychedelischen Droge stand. Das nervte Kollege Bootz (Felix Klare) – und vielleicht auch das Publikum. Doch welche auf dem "Markt" befindlichen Substanzen verursachen solche Symptome?

Seit 2008 sind Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) im Dienst der Stuttgarter Mordkommission unterwegs. Humor versprühten sie bislang vorwiegend über den einen oder anderen trockenen Spruch. Im "Tatort: Die Nacht der Kommissare" versuchten sich die Stuttgarter nun erstmals als Comedy-Ermittler. Ob erfolgreich, darüber dürfte sich die "Tatort"-Community streiten. Aber welche anderen "ernsten" Reviere hatten zuletzt Humor-Folgen, warum kann der 67-jährige Richy Müller so gut klettern, und welche Drogen könnten sein merkwürdiges Verhalten – in echt – bewirken?

Worum ging es im "Tatort"?

Als Kommissar Bootz (Felix Klare) seinen Kollegen Lannert in der Absturz-Bar von Jan Hanika (Frederic Linkemann) und Thekenfrau Jessy Schwanitz (Rilana Nitsch) findet, steht der Kollege schwer unter dem Einfluss einer halluzinogenen Droge. Um im Fall eines mutmaßlichen illegalen Betäubungsmittel-Deals mit Todesfolge weiterzukommen, braucht Bootz dringend die Hilfe seines Kollegen, der aufgrund einer Solo-Ermittlung vermutlich mehr weiß.

Während ihrer Ermittlungs-Nacht treffen Lannert, Bootz und der hinzugezogene Gerichtsmediziner Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) auf seltsame Gestalten und Orte, die mit dem Fall zu tun haben könnten: unter anderem eine übellaunige Bauernfamilie (Therese Hämer, Valentin Erb, Klaus Zmorek) sowie ein asiatisches Restaurant mit deutschem Tarnnamen.

Worum ging es wirklich?

"Tatort: Die Nacht der Kommissare" versuchte sich am Genre skurriler Nachtkomödien wie "Kopfüber in die Nacht" oder den kultigen "Nachtschicht"-Filmen Lars Beckers (ZDF). Richy Müllers Schauspiel lebt normalerweise von seiner Reduktion aufs Wesentliche. In Rollen, in denen wenig geredet wird, ist er oft am besten.

Diesmal hat ihm Autor Wolfgang Stauch, eigentlich einer der besten "Tatort"-Autoren und zuletzt für Meisterwerke wie "Anne und der Tod" (ebenfalls Stuttgart) oder "Vier Jahre" (Köln) verantwortlich, eine echte Quatsch-Rolle auf den Leib geschrieben – was aber nicht funktioniert. Fast wirkt es, als würden hier Münsteraner Erzählstrukturen kopiert, die im "Original" oft schon ernüchternd platt sind. Sind dann noch die "falschen" Schauspieler am Werk, also nicht Liefers und Prahl, gerät der letzte "Tatort" vor der Sommerpause (Regie: Shirel Peleg) vollends zum fahrigen Schmunzelkrimi.

Richy Müller, der frühere Leistungsturner

Ein Running Gag des Krimis war Thorsten Lannerts "Streben nach Höherem", denn der Kommissar auf Droge musste öfter auf Bushaltestellen oder LKWs hinaufklettern, die in der Stuttgarter Nacht herumstanden. Dabei zeigt der immerhin 67-jährige Richy Müller erstaunliche Geschmeidigkeit. Die allerdings nicht verwundert, wenn man weiß, dass der Schauspieler in seiner Jugend ein herausragender Leistungsturner war.

Talent und Trainingsfleiß brachten ihn immerhin so weit, dass Müller von der Qualifikation für die Olympischen Spiele 1976 in Montreal träumte – die aber letztendlich nicht gelang. Der aus einer Arbeiterfamilie stammende Müller fährt bis heute viel Rennrad und nahm auch in den letzten Jahren noch – mit deutlich über 60 – an Triathlon-Wettbewerben teil.

Welche Drogen hat Lannert genommen?

Auf Bootz' Frage an Gerichtsmediziner Vogt: "Was kann denn das sein?", antwortete dieser: "Mescalin-Derivate, halluzinogene Amphetamine, da kommen jedes Jahr im Schnitt 50 Varianten dazu." Psychedelika umfassen Substanzen wie LSD (Lysergsäurediethylamid), halluzinogene Pilze (Psilocybin, Psilocybe), Zauberpilze (magic mushrooms), Mescaline-Kakteen wie Peyotl oder San Pedro, Ayahuasca (DMT) und noch vieles mehr. Teilweise sind sie direkt in der Natur zu finden (Pilze oder Pflanzen), andere müssen dagegen wie LSD chemisch synthetisiert werden.

Lustige "Tatort"-Fälle

Ein skurril-lustiger "Tatort" aus Münster, dem 2021 aufgegebenen Standort Weimar mit Nora Tschirner und Christian Ulmen oder die Filme des Wiesbadener Emittlers Murot (Ulrich Tukur) – na klar! Überraschend wäre hier eher ein ernster Fall (gewesen). Doch auch drei Reviere, die nicht auf Komödie setzen, hatten in den Jahren seit 2000 komödiantische Ansätze: Maria Furtwängler irrte in der von Detlev Buck inszenierten Folge "Alles kommt zurück" (Dezember 2021) durchs Hamburger Hotel "Atlantic" und traf dort Udo Lindenberg und dessen Doubles.

In der Münchener Folge "Mord und Misteln" (Weihnachten 2022) nahmen Batic und Leitmayr an einem historischen englischen Krimi-Dinner teil. Und in "Das ist unser Haus" (Januar 2021) waren es sogar die Stuttgarter selbst, die vor zweieinhalb Jahren schon mal eine starke, wenn auch subtil komische Krimikomödie über ein alternatives Bau- und Wohnprojekt mit Leiche im Fundament erschufen.

Wie geht es in Stuttgarter "Tatort" weiter?

Der nächste Stuttgarter Fall wird gegen Ende des Jahres 2023 gezeigt. Er heißt "Tatort: Vergebung" und basiert auf einer Idee von Jürgen Hartmann, der in der Reihe den Gerichtsmediziner Daniel Vogt spielt. Hartmann hatte sich gefragt, wie es für einen Arzt seines Faches wäre, wenn er den Mensch, den er sezieren soll, als Lebenden gut gekannt hätte. Katharina Adler und Rudi Gaul schrieben nach Hartmanns Ideen das Drehbuch.

Rudi Gaul, der schon die starke Folge "Tatort: Videobeweis" für Lannert und Bootz inszenierte, führte Regie. Im Mittelpunkt des Films stehen der urschwäbische Gerichtsmediziner Vogt und seine Jugend. Der Film kam bei der Open Air-Preview beim SWR Sommerfestival schon mal sehr gut an, heißt es aus Kreisen des Senders.

Wie geht es mit dem "Tatort" weiter?

"Die Nacht der Kommissare" war der letzte "Tatort" der Saison 2022/23. Das Format geht nun in die Sommerpause, in der Wiederholungen gezeigt werden. Nach derzeitigem Planungsstand dauert die Pause voraussichtlich bis einschließlich 20. August, ließ die ARD auf Nachfrage verlauten. Mit welchem Team es danach weitergeht, und ob nach der Pause zuerst ein "Tatort" oder ein "Polizeiruf 110" zu sehen ist, steht derzeit noch nicht fest.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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