ARD-Doku

"The American Führer": Der Mann, der Hitler auf die Nerven ging

von Eric Leimann

Der notorische Hochstapler Fritz Julius Kuhn gab sich während der 30er Jahre als Stellvertreter Hitlers aus – und mobilisierte zehntausende Menschen für seine amerikanische Nazi-Organisation. Die erstaunliche Dokumentation "The American Führer" erzählt die Geschichte des Mannes, von dem Hitler ziemlich genervt war.

ARD
The American Führer
Dokumentation • 13.06.2022 • 22:50 Uhr

Eigentlich klingt die Geschichte des Fritz Julius Kuhn, so wie sie in "The American Führer" erzählt wird, als hätte man sie sich ausgedacht. Vielleicht im Sinne einer "alternativen Realität", wie es die Amazon-Serie "The Man in the High Castle" vormachte. In ihr haben Deutschland und Japan den Zweiten Weltkrieg gewonnen, die USA ist ein Nazi-Staat mit Hakenkreuz plus Stars-and-Stripes in der neuen Flagge. Tatsächlich kommt Fritz Julius Kuhn, der 1896 in München geboren wurde und 1923 nach Mexiko und später in die USA auswanderte, auch in der Serie vor: als amerikanischer Nationalheld und Vorreiter der nationalsozialistischen Bewegung in Amerika.

Hitler war genervt

In der "echten" Realität mobilisierte der studierte Chemiker während der 30er-Jahre mit seiner Organisation "Amerikadeutscher Bund" zehn-, wenn nicht hunderttausende meist deutschstämmige Amerikaner für seine Ideen. Sie waren geprägt von Antisemitismus und der Hetze gegen alles Jüdische und Kommunistische in der amerikanischen Gesellschaft. Kuhn suchte die Nähe zum deutschen Führer und gab sich als dessen Stellvertreter in den USA aus. Tatsächlich war der zu zahlreichen Hochstapeleien neigende Kuhn Hitler jedoch ein Dorn im Auge.

Der "American Führer" störte die Beschwichtigungs-Politik des deutschen Nazi-Staates, der keinen Krieg mit den USA wollte. Tatsächlich existiert auch nur ein Foto Hitlers mit Kuhn, das sich Letzterer während der Olympischen Spiele 1936 in Berlin erschlich und in den USA verbreitete. Auf seinem Höhepunkt sprach Kuhn 1939 im extra angemieteten Madison Square Garden von 22.000 jubelnden Anhängern. Er prophezeite, sein "Bund" würde im kommenden Jahr mehr als eine Million Mitglieder zählen. Es kam anders.

Nach Veröffentlichungen eines deutschstämmigen Investigativ-Journalisten, der sich in die Organisation einschlich, wurden die USA auf Gefahren durch den "Amerikadeutschen Bund" aufmerksam. Fortan hatten Staat und Bevölkerung die Umtriebe die Gruppe im Blick. Vom amerikanischen Mainstream wurde Kuhn nun eher als Clown wahrgenommen. Er mutierte zu einem bekannten "Bösewicht", nach dem in Kreuzworträtseln gefragt wurde.

Er starb verarmt in München

Am 6. Dezember 1939 wurde Kuhn wegen Fälschung und Veruntreuung zu zweieinhalb bis fünf Jahren Gefängnis verurteilt, ohne "Führer" brach seine Organisation in sich zusammen. 1943 ging Fritz Julius Kuhn als "feindlicher Ausländer" in ein amerikanisches Internierungslager, von wo aus er im Februar 1944 per Austauschverfahren mit Deutschland "repatriiert" wurde. Auch im Nachkriegsdeutschland hatte er immer wieder Ärger mit dem Gesetz. Der Mann, der sich als Hitlers Stellvertreter in Amerika inszenierte, starb verarmt Anfang der 50er in München.

Nach einer Idee des vielfach prämierten Dokumentarfilmers Eric Friedler drehte Annette Baumeister eine 45 Minuten lange Dokumentation über die ziemlich unglaubliche Geschichte des Fritz Julius Kuhn, die auf weitgehend unbekanntes, faszinierendes Archivmaterial des "Amerikadeutschen Bundes" zurückgreifen kann und den Sohn des Undercover-Journalisten John C. Metcalfe im Interview zeigt, der Kuhn damals in den USA das Handwerk legte. Sieht man die Bilder von jungen Amerikanern in Hitlerjugend- und SA-artigen Uniformen bei ihren Zeltlagern, Märschen und anderen Aktivitäten, kann man sich eine "alternative Realität" mit faschistischem Amerika durchaus vorstellen. "The American Führer" ist bereits seit Sonntag, 12. Juni, 15 Uhr, für 90 Tage lang in der ARD Mediathek verfügbar.

The American Führer – Mo. 13.06. – ARD: 22.50 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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