Roadmovie

Ukrainische Serie "In Her Car": Mit dem Auto quer durch das Kriegsgebiet

21.02.2024, 14.21 Uhr
von Eric Leimann

Mit "In Her Car" startet eine ganz besondere Serie aus der Ukraine. Lydia (Anastasia Karpenko) beschließt nach Kriegsausbruch Menschen mit ihrem Auto durch das Land zu fahren. Beklemmend sind nicht nur die Schicksale der Bewohner, auch der Blick auf die zerstörte Gegend und die vielen Soldaten tun ihr Übriges. 

Quer durch das Kriegsgebiet

Es ist schon ein beklemmendes Gefühl, der Psychotherapeutin Lydia (Anastasia Karpenko) bei ihrem "Kriegsdienst" zuzusehen. Der besteht nämlich – selbst gewählt – darin, Menschen, die dringend irgendwo hin müssen, kostenlos im Privatwagen durchs Land zu fahren: an die Grenze nach Polen oder der Republik Moldau, aber auch mal nahe an die Front im Osten des Landes. Beklemmend ist dies nicht nur wegen der zehn gezeigten Schicksale in ebenso vielen, knapp halbstündigen Episoden, sondern weil man weiß, dass das Roadmovie "In Her Car" tatsächlich in der Ukraine gedreht wurde.

Wenn Lydia und ihre Passagiere eine Militärkolonne überholen, von Soldaten an gesperrten Straßen angehalten werden oder zerstörte Gebäude passieren – dann ist man sich nie wirklich sicher: Wurde dies für die Serie so inszeniert oder hat man die Szene mehr oder minder dokumentarisch "mitgenommen".

Die ersten fünf durch eine Rahmenhandlung rund um Lydias eigene Geschichte verbundenen Episoden stehen ab Mittwoch, 21. Februar, in der ZDF Mediathek. Linear sind sie ab Dienstag, 27. Februar, um 23.05 Uhr, bei ZDFneo zu sehen. Die Folgen sechs bis zehn sind dann später im Jahr 2024 zu sehen.

Mehr als nur gut gemeinte politische Solidarität

Geschrieben wurde das Format "In Her Car", das zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion vom 24. Februar 2022 erscheint, von Eugen Tunik. Hinter dem Projekt stehen jedoch auch mehrere öffentlich-rechtlicher Sender Europas: ZDFneo, FTV (Frankreich), SRF (Schweiz), DR (Dänemark), NRK (Norwegen), RUV (Island) und SVT (Schweden) wollen allesamt am 21. Februar auf Sendung gehen, um gemeinsam an den Krieg mitten in Europa zu erinnern und nebenbei die ukrainische Filmbranche vor Ort zu unterstützen.

Trotzdem erschafft die Serie mehr als nur gut gemeinte politische Solidarität. Gerade in der ukrainischen Version mit Untertiteln entsteht ein authentisches und facettenreiches Schicksals-Potpourri, das während eines noch andauernden Krieges direkt aus einem Land im Ausnahmezustand kommt. Oft sind es dabei kleine Szenen oder Geschichten, die sich im Gedächtnis festsetzen. So zum Beispiel, wenn Lydia eine Dorfstraße entlang läuft und ihr zwei alte Frauen begegnen, die schwer beladen Vorräte transportieren. Im Hintergrund heult – wie so oft in der Serie – eine Sirene.

Ungewöhnliche Serie vor erschreckendem Hintergrund

"War das jetzt der Anfang oder das Ende vom Alarm?", fragt die eine. "Ach, weiß ich jetzt auch nicht", antwortet die andere. "Und hast du Kontakt zur russischen Verwandtschaft", will die erste Frau wissen. "Ja, aber denen haben sie ja alle das Gehirn gewaschen", meint die zweite. Mit politischen Statements wie diesem hält sich "In Her Car" trotzdem zurück. Vielmehr erzählen die Einzelschicksale der Episoden den Krieg als kritischen Teilchenbeschleuniger von Beziehungen: Darf ein starker junger Mann, der bald Vater wird, sich vor dem Kriegsdienst drücken? Soll man die junge Freundin des Ex-Ehemanns an die polnische Grenze fahren? Wie lebt es sich als schwuler Offizier in einer latent homophoben Kriegsgesellschaft?

Und warum musste Lydias geliebte Schwester eigentlich sterben, als ihr Bus 2014 in der Region Luhansk beschossen wurde? "In Her Car" zeichnet Bilder, die anders sind als das, was man sonst von Dramen mit Kriegshintergrund gewohnt ist. Auch das macht die Serie zu etwas Besonderem.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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