Frank Beyer

Lesermeinung
Geboren
26.05.1932 in Nobitz, Thüringen, Deutschland
Gestorben
01.10.2006 in Berlin, Deutschland
Sternzeichen
Biografie
Hannes Balla alias Manfred Krug, Anführer einer Zimmermannsbrigade durchschaut, wie es mit der Planwirtschaft beschaffen ist: Die Arbeitskräfte sind prima, das angelieferte Baumaterial ist Schrott. Alle wissen es, aber nur Balla verbrennt sich den Mund. Gemeinsam mit dem neuen Bauleiter Horrath und der jungen, attraktiven Ingenieurin Kati Klee bringt er neuen Wind auf die Baustelle. "Spur der Steine", 1966 in der DDR uraufgeführt, wird nach drei Tagen aus dem Kinoprogramm genommen - wegen antisozialistischer Ideen - so hieß es damals. Für Beyer eine wesentliche Erkenntnis in seiner Karriere, zumal sein Film - wie zahlreiche andere - erst 1989 ins Kino kommt.

Seit dieses Verbotes steht Beyer in ständiger Auseinandersetzung mit den Kulturverantwortlichen der DDR. Er wird aus der staatlichen Filmprouktion DEFA entlassen und erhält einen Arbeitsvertrag am Theater in Dresden. Bei seinen Arbeiten als Fernsehregisseur erwehrt er sich immer wieder Behinderungen und erwirkt schließlich 1980 die Erlaubnis, TV-Projekte in der Bundesrepublik zu realisieren. Seither dreht er bis zur Wende in Ost- und Westdeutschland. Der Sohn eines kaufmännischen Angestellten und einer Verkäuferin studiert Theaterwissenschaft, beginnt seine künstlerische Karriere als Theaterpraktikant und Dramaturg an Provinzbühnen und geht dann für fünf Jahre an die Prager Filmhochschule (FAMU).

Während seiner Studienzeit assistiert er Kurt Maetzig, beispielsweise für "Schlösser und Katen" (1957). Sein Abschlussfilm ist zugleich das Spielfilmdebut: "Zwei Mütter" (1957), eine eigenwillige Adaptation von Bertolt Brechts "Der kaukasische Kreidekreis": die Geschichte von den beiden Frauen, die sich um das Mutterrecht eines Kindes streiten, spielt bereits - wie viele Frank-Beyer-Filme - vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges mit der Belastung durch den Nationalsozialismus. Frank Beyer, dreht antifaschistische Filme wie "Nackt unter Wölfen" (1963) und "Jakob der Lügner" (1974). Geht es im ersten Film um Widerstand und Solidarität im Konzentrationslager Buchenwald, so steht im Mittelpunkt von "Jakob" ein tragikomischer Held, der durch seine Lügen von der baldigen Rettung das Überleben in unmenschlicher Situation erträglich macht ...

Spätestens seit "Karbid und Sauerampfer" (1963), einer kauzigen Reise mit Hindernissen quer durch die DDR, hat er sich als Komödienregisseur etabliert. Neben Gerhard Klein, Joachim Kunert und Konrad Wolf ist er der wichtigste Regisseur der DDR. Seine Filme kommen im Osten und Westen gleichermaßen an, sind aber nicht selten politisch umstritten. So wird im Frühjahr 1977 "Das Versteck" in der DDR nicht aufgeführt, weil Hauptdarsteller Manfred Krug nach Westberlin gezogen ist. Ein Jahr später wird der Film nach harten Auseinandersetzungen Premiere haben. Wieder ein Jahr später wird der TV-Parabel "Geschlossene Gesellschaft" erst nach umfassenden Schnitten zur Aufführung freigegeben, da er "die gesellschaftlichen Verhältnisse grob entstelle".

"Der Aufenthalt" wird 1983 auf Grund von polnischen Protesten aus dem Berlinale-Wettbewerb zurückgezogen. Es geht um einen jungen deutschen SS-Mann, der in polnischer Kriegsgefangenschaft unschuldig des Mordes angeklagt wird. 1989, im Jahr der Wende, läuft bei den Berliner Filmfestspielen "Der Bruch" nach einem Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase: Berlin, 1946. Ein Ganoventrio hat es auf einen Tresor abgesehen. Der ehemalige Marinekoch Graf liefert den Plan, der arbeitslose Gauner Lubowitz organisiert die Sache. Zur Ausführung holt er den Profi Markward, der als atheistischer Grabprediger ein biederes Leben führt. Zur Tarnung mieten Graf und Lubowitz einen schäbigen Büroraum, gründen eine Scheinfirma und drehen in aller Gemütsruhe das Ding. Doch die Polizei hat Lunte gerochen und der Kommissar, ein alter Sozi mit Misstrauen gegenüber dem Kapital, verdächtigt den Bankdirektor. Als der sich schuldlos erweist, notiert Kommissar Kollmorgen das gelassen: "Nicht jeder Klassenfeind ist ein Kassendieb". Eine kleine Diebesgeschichte mit Neigung zum Anachronismus. Doch die beiden Macher sind Profis und Tüfteler zugleich: in der Liebe zum Detail, in kleinen, feinen, sehr genauen Beobachtungen liegt die Würze: Jede einzelne Figur hat ihr Eigenleben, ihre Persönlichkeit, ihren Pfiff. Der atheistische Grabprediger Markward (Rolf Hoppe) mit dem Schalk in den Augen, der Halbprofi und trockene Witzbold Lubowitz (Otto Sander) und der schmalzige Galan Graf (Götz George) wollen so gar nicht zusammenpassen und trotzdem schaffen sie den Coup - aus Glück.

Später dreht Frank Beyer vorwiegend TV-Filme mit gesellschaftskritischen und politischen Themen wie etwa 1991 "Ende der Unschuld" nach einem Buch von Wolfgang Menge über die Deutschen und ihre Atombombe. 1992 folgt "Sie und Er" nach Klaus Poche über die Krise einer Ehe, wenn die erwachsenen Kinder aus dem Haus sind. 1995 dreht er "Nikolaikirche", die Verfilmung von Erich Loests Roman über eine Familie im Kreuzfeuer der Wende, und 1997 betont er in seiner Neuverfilmung von Carl Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick" (mit Harald Juhnke), das Schlitzohrige, Ganovenhafte, das bei Helmut Käutners klassischer Verfilmung mit Heinz Rühmann nicht so stark anklang. Schließlich drehte er den Film "Abgehauen" über Manfred Krugs Leben und den Abgang des Schauspielers aus der DDR.

Weitere Filme von Frank Beyer: "Wetterfrösche", "Rosnicky" (Kurzfilme von 1954), "Das Gesellschaftsspiel" (Kurzfilm), den l1. der TV-Serie "Fridericus Rex" (beide 1957), "Eine alte Liebe" (1959), "Fünf Patronenhülsen" (1960), "Königskinder" (1962), "Rottenknechte" (1971), "Die sieben Affären der Dona Juanita" (1973), "Der König und sein Narr" (1980), "Die zweite Haut" (1981), "Bockshorn" (1983), "Der Verdacht" (1991), "Das letzte U-Boot" (1992), "Das große Fest" (1992) und "Wenn alle Deutschen schlafen" (1994).

Interview anlässlich von "Sie und Er" (1992)

Als Ihr damals das "Versteck" gedreht habt, Jurek Becker, Jutta Hoffmann, Manfred Krug und Du, war das eigentlich doch eine sehr gemeinsame Arbeit, eine gemeinsame Erfahrung, die Ihr da verarbeitet habt. Also etwas anderes als "Sie und Er"?

"Sicher, ist das eine andere Arbeitsweise, obwohl in den Grundzügen doch einiges sehr ähnlich ist. Mit Poche verbindet mich eine lange Freundschaft und auch ein Großteil meines Ensembles gehört zu meinem eigenen Erfahrungsbereich. Ich habe ja immer mit anderen Leuten gearbeitet, quasi mit Leuten von "außen", wenn man das mal so sagen darf."

Gab es eine besondere Arbeitsweise mit dem deutsch-deutschen Ensemble?

"Nun, Du weißt ja, dass ich schon bei "Der König und sein Narr" und später ganz besonders beim "Bruch" mit einem gemischten deutschen Team Erfahrungen gemacht habe und das hatte ja jedesmal seinen ganz besonderen Reiz. Zuletzt beim "Bruch" war es eben das Zusammentreffen von so starken Kalibern wie Hoppe auf der einen und George und Sander auf der anderen Seite, und da sie alle Profis waren, ging das ganz besonders gut. Diesmal habe ich wieder mit Profis zu tun und wieder ist es eine ganz eigene, ereignisreiche und schöne Arbeit. Dabei ist es natürlich wichtig, dass im Detail alles stimmt."

Du bist es ja eigentlich gewohnt mit 35 mm-Film zu arbeiten, denn bei der DEFA wurden ja auch die Fernsehfilme auf Kinoformat gedreht. Ist das eine arge Umstellung?

"Nun, ich hatte ja 1980 "Der König und der Narr" von Ulrich Plenzdorf mit Kieling und George auf 16mm-Format gedreht und zuletzt auch "Ende der Unschuld", das geht ja alles auf 16 mm, aber das wird ja möglicherweise nicht so bleiben, wenn das HDTV sich durchsetzt und wenn man jetzt das Kodakmaterial auf dem wir drehen, auf der Leinwand zeigt, dann sieht das aus wie das frühere Ultrarapid, also ganz flimmernd, grobkörnig, aber fürs Fernsehen, für den normalen Schirm reicht das 16 mm ja schon aus."

Und wie ist das mit der magnetischen Aufzeichnung?

"Ich habe da ganz in den Anfängen schlechte Erfahrungen gemacht, ich habe damals vor dem Bildschirm gesessen wie das Kaninchen vor der Schlange und habe nicht gewusst, soll ich das nochmal drehen oder war es so gut. Ich bin damit nicht fertiggeworden und hatte mir damals geschworen, nie mehr damit zu arbeiten. Beim Film wird das in kleinen Stücken gemacht, man kann das beliebig wiederholen, damit ist das für mich so ein Zwitter gewesen zwischen Theater und Film, aber man arbeitet ja heute viel damit.

Eine Reihe von Kollegen haben ja auch einen Fernsehschirm an der Kamera. Ich mag das auch nicht, ich brauche immer den direkten Kontakt zu den Schauspielern. Ich kann nicht auf den Bildschirm gucken, während die etwas spielen. Aber das will alles gar nichts besagen, wenn man das viele Jahre gemacht hat, ist man halt unbeweglicher, sich an etwas Neues zu gewöhnen. Aber ich muß es ja gar nicht, weil diese Filmtechnik sich auch im Fernsehen hält und möglicherweise sogar verstärkt. Es ist ja auch technisch alles noch so unfertig, weil die Entwicklung ja noch fast so ist, wie bei den Lichtton-Zeiten, wo man den Ton auch erst hörte, wenn er durchs Kopierwerk gegangen war. Aber auf der anderen Seite bin ich doch schon geübt genug, um in diesem Ausschnitt zu denken, wenn ich durch die Kamera gucke."

Thematisch ist das ja nicht ganz so ungewöhnlich, Du hast ja auch schon Liebes- und Krisengeschichten wie "Das Versteck" gedreht.

"Ich habe verschiedentlich schon Liebesgeschichten von ganz erwachsenen Leuten gedreht oder auch Krisengeschichten. Hier finde ich es ganz interessant, weil der Ausgangspunkt sehr normal und alltäglich ist: ein Ehepaar dessen Kinder aus dem Haus sind und das nach langen Jahren wieder allein ist, muss jetzt wieder neu und allein anfangen zu leben und das gelingt ihm ganz schlecht, weil sie bestimmte Dinge falsch machen."

Was hat Dich an dieser Geschichte gereizt?

Ja, dass das etwas ganz Normales, Natürliches und Verständliches ist, wenn die Kinder aus dem Haus gehen und einen Sog hinterlassen. Wir erzählen das ja ganz differenziert, denn bei uns freuen sich die beiden ja erst mal auf den Zustand, daß sie jetzt Dinge machen können, die sie früher nicht machen konnten, aber sie übersehen eben auch, dass sie in der Familie eben auch verschiedene Dinge verdrängt haben. Durch die Anwesenheit der Kinder sind Konflikte verdrängt worden und das kommt zum Ausbruch. Der Mann hat da zusätzlich noch eine Krise in der beruflichen Entwicklung und so kommt eins zum anderen und so wird das doch eine sehr konfliktreiche Geschichte."

Filme mit Frank Beyer

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