Romanverfilmung in der ARD

Zweiteiler "Der Turm": Porträt eines versinkenden Staats

von Wilfried Geldner

Der Roman "Der Turm" begleitet eine Familie während der letzten Jahre der DDR. Nun wiederholt die ARD die zweiteilige Verfilmung mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle.

ARD
Der Turm
Drama • 19.08.2020 • 20:15 Uhr

"Geschichten aus einem versunkenen Land", lautet der Untertitel von Uwe Tellkamps preisgekürtem Bestseller "Der Turm", der 2008 erschien. Der Roman beschreibt anhand einer Familie die letzten sieben Jahre der DDR. Einer Familie, die man in der DDR nicht gerne in den Mittelpunkt rückte, da sie wenig mit dem Ethos des Arbeiter- und Bauernstaats zu tun hatte. Christian Schwochows geglückte Verfilmung, die ihre erfolgreiche Erstausstrahlung im Oktober 2012 als Zweiteiler hatte, wird nun im Ersten wiederholt – Teil zwei folgt am Mittwoch, 26. August,, 20.15 Uhr.

Im Zentrum der Tellkamp-Verfilmung steht der erfolgreiche und selbstbewusste Chirurg Richard Hoffmann (Jan Josef Liefers), der sich berechtigte Hoffnungen macht, demnächst Klinikchef zu werden. Wie es scheint, ein Kraftmensch. Ein Rebell 40-plus, der sich nimmt, was er will. Das zeigt sich bereits in der ersten Filmszene beim Weihnachtsbaumklau im winterlichen Baumschulwald. Dass die Tannen bereits "für verdiente Genossen" reserviert sind, stört Richard ebenso wenig wie andere Konventionen des Staates. Hallo! Sind wir hier immer noch in der DDR? Ja, wir sind es, und das bekommt Hoffmann auch bald zu spüren. Sein gewagtes Doppelleben wird ihm nämlich zum Verhängnis.

Der Mediziner lebt mit zwei Frauen abwechselnd. Neben seiner Frau Anne (Claudia Michelsen) und dem zu Beginn der Handlung kurz vor dem Abitur stehenden Sohn Christian (Sebastian Urzendowsky) gibt es noch die ausgedehnte Affäre mit der Kliniksekretärin Josta Fischer (Nadja Uhl). Ihr entstammt eine kleine Tochter, was an Heiligabend zwei Bescherungen notwendig macht.

Richards Sohn Christian will Medizin studieren, weshalb er sich zum "freiwilligen" Wehrdienst bei der NVA verpflichten muss. Christians Onkel Meno (Götz Schubert) muss als Lektor einerseits die Vorgaben der Kulturbürokratie beachten, andererseits fühlt er sich kritischen Autoren verpflichtet und vor allem zu der rebellischen Schriftstellerin Judith Schevola (Valery Tscheplanowa) hingezogen.

Der Titel "Der Turm" bezieht sich auf eine real existierende Parallelgesellschaft der DDR, die in Dresden hoch über der Stadt im Viertel "Weisser Hirsch" überwinterte. Hier gab es Hausmusik und Diskussionszirkel, das politische Gespräch vermischte sich mit dem Schöngeistigen. Regisseur Christian Schwochow, der bereits für seinen Debütfilm "Novemberkind" (2008) gefeiert wurde, bewarb sich als Bewunderer des Romans mit einem derart glühenden Statement bei der ARD, dass man dem auf Rügen geborenen, in Ost-Berlin aufgewachsenen Filmemacher die Verfilmung übertrug.

Mit Jan Josef Liefers und Claudia Michelsen sind unter anderen zwei gebürtige Dresdner im Hauptcast, die das Beschriebene mit reichlich eigener Lebenserfahrung füllen konnten. Aber auch in den Nebenrollen ist der Film grandios besetzt. Drehbuchautor Thomas Kirchner schaffte es, die Atmosphäre des Romans ins Filmgenre zu übertragen. Tellkamps 2008 mit dem Deutschen Buchpreis bedachtes Werk wurde als "ultimativer DDR-Roman" gelobt. Ebenso verhält es sich mit dem Film, der die Geschichte eines notwendigen Niedergangs anhand einer bürgerlichen Familie zeigt.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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