Komödie in der ARD

"Schönes Schlamassel": Wer ist hier Jude?

von Eric Leimann

Eine Frau ist besessen von allem Jüdischen und verliebt sich in einen Arzt. Was sie nicht weiß: Er ist eigentlich gar kein Jude. Dieser Film hätte furchtbar schiefgehen können, funktioniert aber erstaunlich gut.

ARD
Schönes Schlamassel
Komödie • 02.09.2020 • 20:15 Uhr

Seit 2004 gibt es in Hollywood die sogenannte "Black List". Eine Rundmail, auf der Experten über noch unverfilmte Stoffe abstimmen, die aber großes Potenzial in sich tragen. Oft befinden sich Drehbücher auf dieser Liste, die schon seit Jahren von Studio zu Studio, von Produzenten zu Produzenten wandern – doch bisher konnte sich noch niemand für die oft etwas ungewöhnlichen, aber eben verheißungsvollen Stoffe entscheiden. Oft werden aus doch noch realisierten Storys, die einst auf dieser Liste standen, große Film-Hits. Beispiele sind "The Revenant", "Juno" oder "The Kings Speech". Es ist dem Autor dieser Zeilen nicht bekannt, ob etwas Vergleichbares unter deutschen TV-Produzenten existiert – aber wenn, dann könnte die Idee zu "Schönes Schlamassel" durchaus auf einer solchen "Black List" gestanden haben.

Verbürgt ist jedenfalls, dass sich an der unter der Federführung des Bayerischen Rundfunks entstandenen romantischen Komödie mehrere Drehbuchautoren abgearbeitet haben, ehe der 90-Minüter in der Version von Peter Probst und Wolfgang Murnberger (auch Regie) realisiert wurde. Tatsächlich liest sich der Plot wie etwas, das furchtbar schiefgehen hätte können: Die Freundinnen Anne (Verena Altenberger) und Laura (Lisa Wagner) lernen die beiden Arztkollegen Tobias (Lasse Myhr) und Daniel (Maxim Mehmet) kennen. Sonnyboy und Frauenverschleißer Tobias ist Jude, während der schüchtern-sperrige Daniel chronisch seiner Ex hinterher trauert, die sich mittlerweile für eine Frau entschieden hat.

Weil Tobias, der das Date mit Anne initiiert hat, mehr auf die coolere Blondine Laura abfährt, bleibt für Daniel besagte Anne übrig. Anne hat sich mit ihrem Buchladen auf jüdische Literatur spezialisiert, ist ehrenamtliche Helferin in einem jüdischen Altenheim und unterstützt darüber hinaus auch den jüdischen Autor Schlomo Wisniewski (Dieter Hallervorden). Sie kommt aus einer wohlhabenden Familie, die im Dritten Reich von jüdischen Enteignungen und Zwangsverkäufen profitiert haben könnte.

Vielleicht liebt Anne deshalb alles Jüdische, was auch eine Art Protest gegen ihre privilegierte Familie (Peter Prager und Kirsten Block als Eltern) sein könnte. Als Daniel Annes Faible erkennt, gibt er sich ebenfalls als Jude aus. Der Plan funktioniert, Anne ist sofort Feuer und Flamme. Die beiden werden ein Paar, ebenso wie Tobias und Laura. Leider verpasst Daniel den Moment, Anne die Wahrheit über seinen Schwindel zu erzählen. Und so nimmt eine Geschichte ihren Lauf, die von einem "Schlamassel" in den nächsten führt.

Es fallen einem nicht allzu viele deutsche Komödie ein, die souverän – und auch noch witzig – mit jüdischer Kultur spielen. Seit "Alles auf Zucker!" von Dani Levy (sechs deutsche Filmpreise 2005) hat sich auch kaum jemand an solche Stoffe herangetraut. Zu viele Fettnäpfchen zwischen politischer Korrektheit und Desinteresse für den Stoff könnten einem Erfolg im Wege stehen. Auch wenn "Schönes Schlamassel" nicht an "Alles auf Zucker!" herankommt, eine sehr gelungene romantische Komödie ist der Film trotzdem geworden. Die Dialoge sitzen und das bezaubernde Spiel der Münchener "Polizeiruf"-Kommissarin Verena Altenberger sticht aus dem insgesamt sehr gut aufgelegten Schauspiel-Ensemble (übrigens ohne "echte" Juden) noch mal heraus. Erfreulich ist auch, dass landläufige Ideen, wie jüdisches Leben heute in Deutschland auszusehen hat, ignoriert oder gar angenehm gebrochen werden. So ist "Schönes Schlamassel" nicht nur romantisch und lustig, sondern auch eine wunderbar beiläufige Erzählung wider kulturelle Klischees und vorschnelle Urteile.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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