ARD-Film

"Wendezeit": Spionage vor dem Mauerfall

von Eric Leimann

Der Agentenfilm "Wendezeit" orientiert sich lose am Fall der "Rosenholz-Dateien" und vermischt dabei Wahrheit und Fiktion auf recht kühne Weise. Wer das akzeptieren kann, bekommt zumindest einen spannend inszenierten Thriller geboten.

ARD
Wendezeit
Agententhriller • 02.10.2019 • 20:15 Uhr

Der DDR-Geheimdienst HVA, ausgeschrieben Hauptabteilung Aufklärung, gilt bis heute als eine der effizientesten Informationsbeschaffungs-Maschinen der Menschheitsgeschichte. Etwa 10.000 Inoffizielle Mitarbeiter soll die Behörde im Inland gehabt haben, ungefähr 2.000 Quellen waren es außerhalb Ostdeutschlands. Eine – fiktive – Auslandsmitarbeiterin spielt Petra Schmidt-Schaller in "Wendezeit": Doppelagentin Saskia Starke lebt seit Jahren mit ihrem Mann (Harald Schrott), einem Halbamerikaner, und den zwei mittlerweile halbwüchsigen Kindern in einer Villa im Westen Berlins. Im dortigen CIA-Büro, ihrem Arbeitsplatz, gilt sie als scharfsinnige und loyale Mitarbeiterin. Dabei lebt Saskia, die eigentlich Tatjana heißt, schon lange ein Doppelleben. Ihre Tarnung droht aufzufliegen, als im Herbst 1989 in der DDR die Dämme brechen und das System sich aufzulösen beginnt.

Auch die West-Berliner CIA-Filiale hat mittlerweile erreicht, dass sich ein Maulwurf im Haus befindet. Der misstrauisch-scharfsinnige Spionage-Abwehrspezialist Jeremy Redman (sehr stark: der dänische Schauspieler Ulrich Thomsen, "Das Fest") wird nach Deutschland beordert, um das faule Ei in den eigenen Reihen aufzuspüren. Gleichzeitig droht Saskia aufzufliegen, weil DDR-Agenten versuchen, die Seiten zu wechseln und sich diesen Status mit dem Verkauf brisanter Informationen erkaufen wollen. Die Agenten-Dateien der HVA, in der sämtliche Klarnamen der Stasi-Agenten verzeichnet waren, sind bekannt als "Rosenholz-Dateien". Tatsächlich gelangten diese Dateien während der Wendezeit in die Hände der CIA. Erst 2003 wurden sie der deutschen Regierung übergeben. Seltsamerweise fehlt darin ein schmaler Korridor des alphabetisch angelegten Namensverzeichnisses.

Im von Silke Steiner geschriebenen und Sven Bohse ("Ku'damm 59") inszenierten 120-Minuten-Thriller wird nun über mögliche Ursachen der Lückenhaftigkeit und überhaupt den Weg der Rosenholz-Dateien spekuliert – an der Schnittstelle von hanebüchener Fiktion und Wahrheit. Die Geschichte der Doppelagentin ist schon eine ziemliche, wenn auch spannend inszenierte Räuberpistole. Außerdem ist die Mischung zwischen fiktiver Agenten-Geschichte und dem "Angebot" einer möglichen Erklärung des Geheimnisses rund um die Rosenholz-Dateien schon ein bisschen kühn. Auch die Anlage der Figur Saskia/Tatjana irgendwo zwischen familiär-schizophrenem Identitätsdrama und einer "James Bond"-artigen DDR-Superheldin gilt es zu akzeptieren.

Sofern man diese und andere Ungereimtheit zu schlucken bereit ist, kann man mit "Wendezeit" spannende zwei Stunden verbringen: Die Darsteller überzeugen, neben Petra Schmidt-Schaller ragt vor allem der dänische Großschauspieler Ulrich Thomsen heraus, der in der Rolle nicht nur aussieht wie der viel zu früh verstorbene Philip Seymour Hoffman, sondern den Jäger der Hauptfigur auch mit einer ähnlich beeindruckenden Präsenz verkörpert. Das Thema des Films wird das Erste am Vorabend des "Tags der Deutschen Einheit" noch weiter beschäftigen. Um 22.45 Uhr verschreibt sich auch "Maischberger" der deutsch-deutschen Spionagesache.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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