Wildtierärztin und Artenschützerin im Interview

"Terra X"-Moderatorin Hannah Emde:"Wenn man einer Sumatra-Kobra begegnet, ist das natürlich nicht ungefährlich"

07.04.2024, 11.04 Uhr
von Aylin Rauh

Hannah Emde ist die neue Moderatorin bei "Terra X". Die Wildtierärztin und Artenschützerin war bereits auf der ganzen Welt unterwegs. Im Interview steht Hannah Emde Rede und Antwort: Wie blickt sie auf das Artensterben und die Klimakrise?

Die Fazination für die Tierwelt

Sei es als Wildtierärztin, Artenschützerin oder Gründerin ihres gemeinnützigen Vereins "Nepada Wildlife e.V.": Hannah Emde ist engagiert in dem, was sie tut. Und sie glaubt an das, was sie tut. "Diese Faszination für Tiere, die hatte ich schon immer", erklärt die 32-Jährige im Interview, "es ist Wahnsinn, was die Natur uns alles gibt." So wird einmal mehr deutlich, warum sie ideal zu "Terra X" passt, wo sie zukünftig die Reihe "Faszination Erde" (Start: 7. April, 19.30 Uhr, ZDF) moderiert. Über die Anfrage habe sich die Autorin "riesig gefreut, weil ich mit diesem Format viel mehr Menschen erreichen kann". Als Wildtierärztin arbeitete sie bereits an den verschiedensten Orten dieser Welt und assistierte in Forschungsprojekten: "Eine Insel, die mich sehr geprägt hat, ist Borneo. Eine beeindruckende Urwaldinsel mit extremer Artenvielfalt."

Doch im Interview schlägt sie auch ernstere Töne an: "Wenn wir so weitermachen, also Klima- und Artenkrise weiterhin ignorieren, dann werden wir unsere Lebensqualität verlieren. Ein großer Teil der Menschheit wird nicht überleben können."

prisma: Für "Terra X: Faszination Erde" reisten Sie nach Thailand, zu den Galapagos-Inseln und nach Gabun. Warum haben Sie sich für diese Orte entschieden?

Hannah Emde: Wir überlegen in der Wissenschaftsredaktion des Formats gemeinsam, welche Länder und Ökosysteme spannend sind oder wo ich bereits Kontakte oder Projekte mitbringe, für die ich gearbeitet habe. Gabun war faszinierend, ein eigentlich eher unbekanntes Land, wo der menschliche Einfluss sehr gering war. Wir konnten Schimpansen und Gorillas in der freien Wildbahn beobachten. Oder die Galapagos-Inseln, davon träume ich, seit ich ein Kind bin. Super war es auch, Thailand durch die 'Terra X'-Brille zu entdecken, weil man die Gegend sonst nur als Urlaubsland kennt.

prisma: Wie kamen Sie zu dem Job als "Terra X"-Moderatorin?

Emde: Ich habe schon vorher etwas mit Medien gemacht, darunter die Doku-TV-Serie 'Hannah goes wild' (in der ARD-Mediathek, d. Red.). Außerdem habe ich zwei Bücher zum Thema Artenschutz geschrieben. Zu der Zeit, als ich angefragt wurde, war ich Beraterin bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, d. Red.): Dort habe ich mich mit Gesundheitsrisiken im Wildtierhandel beschäftigt. Als die 'Terra X'-Redaktion auf mich zukam und fragte, ob ich 'Faszination Erde' moderieren möchte, freute ich mich riesig, weil ich mit diesem Format viel mehr Menschen erreichen kann.

prisma: Wie waren die Dreharbeiten?

Emde: Durch meine Arbeit war ich in den letzten Jahren viel unterwegs, aber die verschiedenen Orte im Rahmen von 'Terra X' zu erleben, war etwas Besonderes. Mit einem Filmteam unterwegs zu sein, ist etwas ganz anderes. Sonst war ich manchmal drei Monate auf einer Forschungsstation, zum Beispiel auf Borneo, und wartete tagelang, bis ein Tier vorbeikommt. Jetzt haben wir bei den Dreharbeiten einen strengen Zeitplan und sehen unglaublich viel.

"Diese faszinierende Welt ist so schützenswert"

prisma: Was möchten Sie als Moderatorin bewirken?

Emde: Ich will das Publikum auf diese Reisen mitnehmen, das Format ist eine tolle Möglichkeit dafür. Es hat nicht jeder das Privileg, auf die Galapagos-Inseln zu reisen oder die Zeit – oder vielleicht die Lust -, mit Blutegeln durch den Schlamm zu waten wie in Gabun. Die Menschen lernen hoffentlich all diese Orte so lieben wie ich. Ich durfte sogar mit Meerechsen und Pinguinen schwimmen. Auf der anderen Seite haben wir natürlich einen Aufklärungsauftrag. Das Publikum soll zum Beispiel verstehen, wie die Geologie und der Vulkanismus in Zentralafrika mit der Vielfalt im Meer zusammenhängen. Das machen wir nicht auf trockene Schulbuchart, sondern mit tollen Bildern und Forschenden, die wir vor Ort treffen. Diese faszinierende Welt ist so schützenswert.

prisma: Hauptberuflich sind Sie Wildtierärztin ...

Emde: Ich habe sechs Jahre lang Tiermedizin in Hannover studiert und mit Staatsexamen abgeschlossen und sehr früh angefangen, Praktika und Projekte außerhalb meiner Komfortzone zu machen, so wie im Dschungel von Madagaskar oder in Guatemala. Dort habe ich nur mit Wildtierärzten zusammengearbeitet und so diese Arbeit kennengelernt. In der Wildtiermedizin geht es weniger um das einzelne Tier, sondern man schaut sich die ganze Population in Zusammenhang mit dem Lebensraum an. Darum geht es ja im Artenschutz. Wir wollen nicht, dass nur der einzelne Orang-Utan überlebt, sondern die ganze Art. Dafür schauen wir, ob die Tiere genug Lebensraum haben oder welche Bedrohungen es für sie gibt.

prisma: Was treibt Sie in Ihrer Arbeit an?

Emde: Das Thema Artenschutz. Es war mein großes Hobby. So habe ich 2017, noch als Studentin, den gemeinnützigen Verein 'Nepada Wildlife e.V.' mit Freunden und Fachleuten gegründet, weil wir selbst etwas im Artenschutz bewegen wollten. Mittlerweile unterstützen wir weltweit Projekte weltweit und setzen Bildungsmaßnahmen hier in Deutschland um. Wenn ich auf einem Forschungsschiff unterwegs bin und neben dem Boot plötzlich ein Orca hochkommt, dann bin ich so glücklich, dass ich das erleben darf. Solche Naturerfahrungen machen mir deutlich, dass es sich lohnt, die Tierwelt mit ihren Lebensräumen zu erhalten. Das ist es, was mich antreibt.

"Ganz klar ist, dass die großen Player mitspielen müssen"

prisma: Sie sind auch Artenschützerin. Hat sich bezüglich des Artensterbens in den letzten Jahren etwas getan?

Emde: Es ist viel zu wenig! Ich finde, es wird unterschätzt, wie sehr Klima- und Artenkrise miteinander verbunden sind – und voneinander abhängen. Die Klimakrise beschleunigt die Artenkrise. Wenn Tiere in ihren Lebensräumen nicht mehr überleben können, dann sterben sie aus. Und damit gerät das Netz der Biodiversität, wo jede Art voneinander und von den Lebensräumen abhängt, aus dem Gleichgewicht. In Deutschland haben wir seit Jahren ein großes Insektensterben, mit allen Konsequenzen etwa für die Vogelwelt, das ist bekannt. Aber die großen Maßnahmen dagegen, die sehe ich nicht.

prisma: Wie kann man dieses Problem lösen?

Emde: Ganz klar ist, dass die großen Player mitspielen müssen. Was man wählt, wo man sein Kreuz setzt, hat natürlich Einfluss. Es hilft immer, sich die politischen Programme anzuschauen – auch bei den Europawahlen. Da haben wir auf jeden Fall Macht, jeder Einzelne von uns. Ebenso wie bei unserem Konsum. Ich will das nicht auf jeden Einzelnen abwälzen, aber ich finde diese Selbstwirksamkeit total wichtig. Dass wir halt spüren: 'Okay, ich muss keine Tierärztin oder kein Biologe sein, um gegen das Artensterben zu kämpfen'. Sondern auch, indem ich darauf achte, was ich einkaufe, weil es nicht immer die exotische Ananas aus Costa Rica sein muss.

prisma: Was könnte sich Deutschland von anderen Ländern abschauen, was den Artenschutz angeht?

Emde: Ich finde es schwierig, wenn Deutschland anderen Ländern vorschreibt, wie sie ihre Arten schützen sollen, weil wir selbst unseren ursprünglichen Lebensraum verloren haben. Wir waren mal komplett bewaldet und hatten überall Bären, Wölfe oder Luchse – das haben wir nicht mehr. Es gibt die ersten Projekte, damit der europäische Luchs zurückkommt, aber wir haben kaum Raum dafür. Das ist ja immer das Problem im Artenschutz. Bei uns im Verein ist es immer ganz wichtig, dass wir nicht als deutscher Verein in ein Land kommen und sagen 'Wir machen jetzt hier Artenschutz'. Wir kommen dahin, suchen lokale Fachleute und Organisationen, die ihre Arten schützen wollen. Diese unterstützen wir, indem wir Gelder, Expertise und Kommunikation zur Verfügung stellen. Das finde ich viel wichtiger, als zu sagen: 'So muss es gemacht werden.

"Dieses Bewusstsein für die Natur habe ich nicht einfach mitgebracht, sondern gelernt"

prisma: Mit einem Blick auf die heutige Jugend – finden Sie, dass Kinder und Jugendliche den Bezug zur Natur verlieren?

Emde: Nein, da bin ich überhaupt nicht so schwarzmalerisch. Wenn ich meine Vorträge in Schulen für Kinder und Jugendliche halte, spüre ich Faszination und Neugierde bei ihnen. Sie lassen sich anstecken und wollen danach alle Orang-Utans retten oder Nebelparder schützen (lacht). Kinder und Jugendliche brauchen nur den richtigen Zugang und dürfen nicht vom Krisenmodus überrannt werden. Sie brauchen die Chance, selbstwirksam zu handeln. Und ich finde, da haben alle Eltern und Schulen eine Verantwortung, diese Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Aber das Interesse muss erst mal geweckt werden.

prisma: Und, wie kann das Interesse geweckt werden?

Emde: Man könnte einen Aufenthalt in der Natur mit coolen Sachen verbinden, zum Beispiel mit einer Challenge, oder man beobachtet ein besonderes Tier. Ich bin fest davon überzeugt, dass man diese Faszination bei jedem wecken kann. Man braucht einfach die richtigen Zugänge – wie einen TikTok-Star, der Bock hat, eine Challenge in der Natur zu starten. Ich sage nicht, dass das leicht ist, aber ich versuche mit meiner Arbeit, eine Faszination bei den Menschen zu wecken.

prisma: Sie haben durch Ihre Arbeit bestimmt einiges gesehen und lernen können. Was möchten Sie Ihren Mitmenschen davon unbedingt mitgeben?

Emde: Den sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen. Ich bin auch im Überfluss in Deutschland aufgewachsen, wo ich einfach in den Supermarkt gehen kann. Aber durch den Austausch mit Menschen aus anderen Ländern habe ich den respektvollen Umgang wieder gelernt. Ich war völlig überrascht, als der Forschungsassistent plötzlich in den Wald ging, mit einem großen Strauß Farne wiederkam und sagte: 'Den können wir heute Abend essen'. Und ich dachte mir nur: 'Alter, was? Man kann Farne essen? Wie cool!' Dieses Bewusstsein für die Natur habe ich nicht einfach mitgebracht, sondern gelernt. Und das ist etwas, was ich weitergeben möchte.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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