Serie bei Amazon Prime

Warum "Nine Perfect Strangers" kein neues "Big Little Lies" ist

von Julian Weinberger

Schon bei "Big Little Lies" war Nicole Kidman in einer Serienadaption eines Romans von Liane Moriarty zu sehen. Auch ihre neue Serie "Nine Perfect Strangers" basiert auf einem Roman von Moriarty – doch das Ergebnis ist durchwachsen.

Wiedergeburt, ein neues Ich, eine bessere Version von sich selbst: Derlei Ziele und Versprechungen werden in der neuen Serie "Nine Perfect Strangers" (ab 20. August, Amazon Prime Video) beinahe wie ein Mantra heruntergebetet. Die Serie, eine Adaption eines Bestsellers der australischen Autorin Liane Moriarty, schickt neun gestresste Großstädter auf einen Selbstheilungstrip. Ihr Ziel: Tranquillum House, ein so pittoreskes wie mysteriöses Luxus-Resort irgendwo im Nirgendwo. Dort verspricht Masha (Nicole Kidman) den Weg zum inneren Frieden. Doch wer ist die ominöse Erscheinung mit dem russischen Akzent? Und viel wichtiger: Was zur Hölle hat sie vor?

Ihr liege es am Herzen, Menschen zu heilen, doch das gehe nur mit Schmerz und Qualen, sagt Masha. Gelitten haben viele der Gäste schon genug, wie die acht Episoden der Serie sukzessive aufdecken. Das Ehepaar Napoleon (Michael Shannon) und Heather (Asher Keddie) lebt seit dem Suizid ihres Sohnes nur mehr nebeneinander her, während Tochter Zoe (Grace van Patten) ihrem unterdrückten Schmerz über den Verlust ihres Zwillingsbruders keine Luft verschaffen kann.

Dann wäre da der Ex-Football-Profi Tony (Bobby Cannavale), ein Macho sondergleichen, der sein verletzungsbedingtes Karriereende nie verdaut hat. Stattdessen betäubt er sich mit Tabletten – auch, um die Erinnerungen an ein dunkles Geheimnis zu vertreiben. Carmelle (Regina Hall) hat dagegen mit ihrem Körper, Betrug in der Ehe und einem Aggressionsproblem zu kämpfen. Die Gruppe Urlauber komplettieren die frustrierte Autorin Francis (Melissa McCarthy), der geheimnisvolle Lars (Luke Evans) und Influencerin Jess (Samara Weaving), die mit Ehemann Benjamin (Melvin Gregg) eine Beziehungskrise durchlebt.

Smoothies, Sonne und Vogelgezwitscher: Auf den ersten Blick wirkt in Tranquillum House alles perfekt. Privilegierten Großstädtern bei einem Wellnesstrip zwischen Meditation, Schreitherapie und Sackhüpfen zuzusehen, ist aber selbstverständlich nicht alles, was "Nine Perfect Strangers" in petto hat. Erste Skepsis über die vermeintliche Vollkommenheit des Resorts kommt beim Publikum wie auch bei den Gästen schnell auf. Was soll das, eine Blutabnahme zur Begrüßung? Und die seltsamen Sitzungen mit Masha voller esoterisch angehauchter Lebensweisheiten?

Viele Fragen, wenig Antworten

"Nine Perfect Strangers" wirft in der ersten Serienhälfte eine Menge Fragen auf. Antworten oder zumindest Hinweise, wo die Reise hinführen könnte, gönnt Regisseur Jonathan Levine ("Long Shot – Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich") dem Publikum kaum. So tappt man vor dem Bildschirm unweigerlich im Dunkeln. Geheimnisse, die sich nur langsam offenbaren, haben in Serien zweifelsohne einen Reiz – allerdings nur bis zu einem gewissen Maße. Die Dramaserie übertreibt es jedoch mit ihrer geheimnisvollen Aura und zieht sich erzählerisch teilweise wie Kaugummi.

Nicole Kidmans Figur Masha fügt sich darin nahtlos ein. Mit ihrer fließend weißen Kleidung und den wallenden, blonden Haaren inszenieren die Serienmacher sie als Unschuld in Person. Masha war einst klinisch tot, in ihrem alten Leben als arbeitswütige Geschäftsfrau – mehr verraten bisweilen eingestreute Erinnerungsfetzen nicht. Dafür werden Zuschauerinnen und Zuschauer stille Beobachter, wie Masha ihre Gäste per Videokameras bei ihrem Urlaub überwacht. Guru oder Betrügerin? Seelenheilerin oder Ausbeuterin? Kidman verkörpert Masha derart undurchschaubar, dass sie genauso wenig greifbar wird wie die ganze Serie.

Dabei schien bislang die Kombination aus dem Hollywoodstar in der Hauptrolle, Produzent David E. Kelley und einer Romanvorlage von Liane Moriarty eine Qualitätsgarantie zu bedeuten. Das Meisterwerk "Big Little Lies" gehört zum Besten, was an Serienunterhaltung in den letzten Jahren zu sehen war. Und auch die HBO-Produktion "The Undoing" konnte in ähnlichem Setting trotz flacherer Spannungskurve noch überzeugen. Mit "Nine Perfect Strangers" beschleunigt sich der erzählerische Abwärtstrend nun rasant. Da bleibt nur die Hoffnung auf eine dritte Staffel von "Big Little Lies".


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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