Doku-Serie über "Krieg und Alltag auf der Krim"

Unterwegs mit einer Amateur-Striptease-Gruppe auf der Krim

01.12.2023, 12.43 Uhr
von Hans Czerny

Eine zusammengewürfelte Amateur-Striptease-Gruppe belustigt mit ihrer Show die Touristen auf der Krim. Doch der Krieg ist auch in dem Urlaubsort angekommen. 

Drei Jahre lang, von 2021 bis 2023, also noch vor Putins Überfall, tingelt eine zusammengewürfelte Amateurshow, die als "Striptease-Weltmeisterschaft" firmiert, über die von Russen und Ukrainern besuchte Urlaubsinsel Krim, um Touristen Ballermann-like zu amüsieren. Der Krieg ist zunächst noch weit weg für die Truppe der Performerinnen in der sechsteiligen Dokuserie "Russian Wonderland – Krieg und Alltag auf der Krim", doch bald schlagen wenige Kilometer weiter die Bomben ein, nahe Strände sind bereits vermint und abgesperrt. ZDFinfo zeigt die sechsteilige Doku am Freitag, 1. Dezember, ab 8.45 Uhr. Ab Mittwoch, 22. November, sind die Filme für zwei Jahre in der Mediathek zu sehen.

"Striptease-Weltmeisterschaft" in Zeiten des Krieges

Auch wenn im Teaser Putin und Biden starke Sprüche klopfen: Das meiste spielt hier eher im Abseits, jenseits der Politik. Eine Strip-Show ist unterwegs, wir nehmen als TV-Zuschauer hinter den Kulissen teil. Es ist ein hartes Geschäft, vom Akquirieren der Zuschauer bis zur mühseligen Performance. Manche, wie die Studentin Anja, steigen bald wieder aus. Nur scheinbar bleibt die "Striptease-Weltmeisterschaft" lange Zeit unberührt vom Krieg in der Ukraine.

Spartak, der Leader der Truppe in der sehr ausführlich geratenen Doku-Reihe (sechsmal 30 Minuten) von Dmitri Vologdin und Frank Müller, mausert sich im Verlauf der Serie auf unerwartete Weise vom tumben Tor, dem das harte Geschäft über alles geht, zum weisen Philosophen. Während er anfänglich damit beschäftigt ist, seine aus mehreren GUS-Staaten rekrutierte Truppe "weltmeisterlich" zu verkaufen und dazu den jungen Frauen falsche Nationalitäten zuordnet, läuft der Leader Spartak später zu allerlei bedenklichen Reflexionen über den Zusammenhalt seiner Truppe auf. Spartak lässt dabei merklich Vorsicht walten, der politische Krim-Status zwischen Russland und der Ukraine will beachtet sein. Putin hatte bekanntlich schon 2014 behauptet: "Die Krim kehrt in den Heimathafen zurück. Nach Russland."

Strafe fürs Karaoke-Liedchen

Wie es denen ergeht, die auch nur in einem patriotischen Karaoke-Liedchen wider den Stachel löcken, machen gelegentlich eingespielte Videos deutlich, die stramm formierte Jugendliche beim Strafsingen Russland-treuer Verse zeigen. So ist es nicht verwunderlich, dass Spartak sagt; "Ich bleibe neutral." Später sagt er kritisch: "Es macht ja keinen Sinn, wenn meine Kinder später noch darunter leiden müssen, was andere angefangen haben." Allenfalls "vor Marsmenschen" habe er Angst, so tönt er. Dass auf der Krim bereits 2014 grüne Männchen einmarschiert sind, hat er da offensichtlich vergessen.

Trotz aller – sehr gemäßigten – körperlichen Zurschaustellung bleiben er und seine Truppe in der Doku allenfalls ein Zeichen für die Ferien-verhangenen Zustände an den Stränden der Krim. Etwas nassforsch mischt sich eine Kommentatorinnen-Stimme gelegentlich immer mal wieder mit dem Hinweis ein, wieviele Monate es noch "bis zum Kriegsausbruch" vom Februar 2022 seien. Zuletzt, 2023, sagt sie: "Die nächste Saison wird nicht so wie diese sein."

So bleibt es dem zugespielten Kommentar überlassen, die neuesten Geschichte zu rekapitulieren – von der Revolte auf dem Maidan 2013 bis zur Explosion auf der Krimbrücke. Die von Stalin einst vertriebenen Krimtataren bekommen filmisch sogar einen besonderen Platz eingeräumt, einer von ihnen erzählt anschaulich von der Vertreibung unter Stalin und der beschwerlichen Rückkehr nach Jahrzehnten.

Keiner weiß, wie es weitergeht

Die Stripperinnen machen ihre Sache mit Körperverbiegungen und Pole-Akrobatik gut. Die Spannung bezieht diese Langzeitaufnmahme letztlich aber daraus, dass wir uns hier in einem Zustand des unsicheren Schwebens befinden. Keiner weiß, wie es weitergehen wird. Jetzt warten sie alle auf eine neue Saison in ihrem harten Urlaubsgeschäft und hoffen auf Besserung.

Spartak bleibt "im Inneren des Orkans", da fühle er sich am wohlsten, so behauptet er. Aygun, eine Muslima, sagt; "Ich muss wieder mal in die Moschee." Sie glaubt, dass "Männerverführen Sünde" sei – und Aljona, ein weiteres Mitglied, kümmert sich mit unglaublich viel Hingabe um ihr zerebral behindertes Kind, es ist ihr eigentlicher großer Job.

2023 waren nur noch halb so viele Touristen auf der Krim wie im Jahr zuvor, heißt es im Kommentar. Da besuchten den Sehnsuchtsort russischer Urlauber seit Puschkin, Dostojewski und Tolstoi noch neun Millionen Menschen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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