ARTE-Doku

"Ein Tag in Dresden 1946": Wie die Trümmerfrau zur Ikone wurde

von Sven Hauberg

Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten Ruinen und Trümmer das Stadtbild von Dresden. Eine sehenswerte Dokumentation bei ARTE führt mitten hinein in die zerstörte Stadt.

ARTE
Ein Tag in Dresden 1946
Dokumentation • 09.12.2021 • 20:15 Uhr

Dresden im Jahr 1946: Fast jedes dritte Haus ist zerstört, Tausende Flüchtlinge aus den Ostgebieten drängen sich in den Ruinen der Stadt, über die nun die Besatzer aus der Sowjetunion herrschen. Hier lebt Elli Göbel, 31, Mutter zweier Kinder. Elli (Henrike von Kuik) ist die fiktive Protagonistin der sehenswerten ARTE-Dokumentation "Ein Tag in Dresden 1946", die unterhaltsam und informativ Dokumentarisches und Inszeniertes miteinander vermengt. Der Film von Sigrun Laste und Arne Peisker zeigt, wie die Menschen in jenen auch als "Wolfszeit" bekannten Jahren jeden Tag aufs Neue ums Überleben kämpften und wie aus den Trümmern, die der Krieg hinterlassen hatte, ein neues Land entstand.

Ellis Mann ist an der Ostfront gefallen, ihre Eltern sind bei der Flucht nach Dresden verstorben, und wo ihre Schwester abgeblieben ist, weiß sie nicht. Mit ihren Kindern wohnt sie zur Untermiete bei einem Rentnerehepaar, dem sie jede Woche einige ihre Essensmarken abgeben muss. Die Versorgungslage in der Stadt war damals schlecht, sagt der Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder, was auch eine "Strafaktion gegen den Feind" war, also der Russen gegen die Deutschen.

Doch die Menschen wussten sich zu helfen, und so gab es zum Abendessen eben "Russenbrot mit Stalinschmiere"; Glasminen wurden zu Einweckgläsern umfunktioniert und Stahlhelme zu Nudelsieben. "Die Not und der Bedarf war so groß, dass sich die Fantasie sehr schnell Wege gesucht hat", erklärt die Historikerin Marita Krauss.

In authentisch wirkenden Spielszenen nimmt die Dokumentation den Zuschauer mit auf Schwarzmärkte, auf denen Zigaretten die wichtigste Währung waren, und auf die Straßen zu den Trümmerfrauen. Auch die Protagonistin Elli schuftet hier Tag für Tag – erst 1957 war Dresden trümmerfrei. Es ist ein harter Job, den vor allem Frauen erledigen.

"Die Trümmerfrau wurde zu einer Ikone", erklärt die Historikerin Leonie Treber. Sie erklärt aber auch, dass das Bild, das wir heute von der Trümmerfrau haben, falsch ist. Denn viele der Fotos, die damals gemacht wurden, waren "gestellt", so Treber: Weil schon während des Krieges Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge eingesetzt wurden, um Schutt wegzuschaffen, brauchte die harte Arbeit ein neues Image – die strahlend lächelnde Trümmerfrau war geboren.

Im Anschluss an "Ein Tag in Dresden 1946" zeigt ARTE um 21.05 Uhr die Dokumentation "Ein Tag in Köln 1629". Der Film von Sigrun Laste nimmt die Zuschauer mit in die größte Stadt im Heiligen Römischen Reich, vor deren Toren der Dreißigjährige Krieg tobt.

Ein Tag in Dresden 1946 – Do. 09.12. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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