Vorabendserien

Warum sind "Hubert ohne Staller" und "Die Rosenheim-Cops" so erfolgreich?

von Frank Rauscher

"Die Rosenheim-Cops" sind nun schon seit 20 Jahren im Dienst, seit zehn Jahren ermittelt Hubert – erst mit, dann ohne Staller, aber immer mit zahlreichen Zuschauern. Doch was ist eigentlich das Erfolgsgeheimnis der Wohlfühlkrimis?

"Bitte bleiben's ganz ruhig, fassen's nichts an. Wir kommen!" – Die Dame, die sich da mit dem stoischen Charme der Bürokraft eines Heizungs- und Sanitärbetriebs meldet, heißt Miriam Stockl. Es geht jedoch mitnichten um einen Rohrbruch, sondern um Leben und Tod: Frau Stockl sitzt am Telefon der fiktiven Rosenheimer Mordkommission, einem Mikrokosmos, in dem solche Mordmeldungen an der Tagesordnung sind und in etwa so außergewöhnlich wie eine leckende Heizung.

Dass so gut wie jede Folge der Serie "Die Rosenheim-Cops" so oder so ähnlich beginnt, gehört genauso zum Basiswissen der rund fünf Millionen treuen Fans des ZDF-Vorabendkrimis wie das, was als Nächstes unweigerlich folgt: "Stocki", ihres Zeichens die wichtigste Kriminalsekretärin der Welt, die den Kollegen im Rosenheimer Revier beileibe nicht nur "frisch aufgebrühten" Kaffee und Kekse aus der Dose reicht, sondern absurderweise auch Notrufe entgegennimmt, legt auf, schnaubt gestresst und greift dann erneut zum Hörer, um dem gerade noch gemütlich im Freien (!) am Tisch mit Alpenpanorama (!) frühstückenden Kommissar Stadler zu informieren: "Es gabat a Leich!"

Die berühmten vier Worte, sie sind das Initialzündung einer jeden Episode des Krimi-Dauerbrenners. Aber was heißt hier Krimi! Jeder echte Kommissar hält sich den Bauch vor Lachen. Der größte Witz beginnt ja schon in der Früh: Ein neuer Fall kommt immer gerade recht zum morgendlichen Dienstbeginn rein. Und "Herr Stadler", ein TV-Ermittler mit der Ausstrahlung eines oberbayerischen Großgastronomen, zeigt sich davon nicht weiter beeindruckt. Er beißt noch mal beherzt in seine Brezn und brummt dann etwas Unaufgeregtes der Marke "Na guat, dann pack' mer's halt." vor sich hin.

Ruhe statt Hektik

Man kann nicht gerade sagen, dass das Ganze jetzt Fahrt aufnehmen würde. Im Gegenteil. Bierruhe – dein Name ist Stadler! Und was für den von Dieter Fischer kongenial verkörperten Cop gilt, kann man getrost über die ganze Serie sagen: Die Hektik ist hier nicht dahoam. Der Fall wird sowieso gelöst – im Stil eines bürokratischen Aktes, ohne emotionales Gewese, mehr oder weniger nebenbei.

Das ist, wollte man objektiv über einen "Fernsehkrimi" urteilen, natürlich zum Haareraufen. Jedoch ist die Lakonie bereits ein Geheimnis hinter dem unfassbaren Erfolg dieses Fernsehserie gewordenen Bauerntheaters. Redundante Storys, wie aufgesagt wirkende Dialoge? – Wen kümmert es! Die TV-Kommissare aus dem ländlichen Chiemgau tuckern damit seit zwei Jahrzehnten so zuverlässig wie ein Deutz-Trekker durchs Vorabendprogramm.

Obwohl oder gerade weil sich ein TV-Krimi kaum weiter von der Wirklichkeit des Polizeialltags entfernen kann, fühlt man sich in dieser absonderlichen Parallelwelt als Zuschauer bestens aufgehoben – wahrscheinlich würden die meisten Fans am liebsten sogar direkt in diesen Wohlfühl-Serienkosmos einziehen, wenn sie denn könnten. Um dann pflichtschuldig nichts tuend einer Tätigkeit nachzugehen, wie sie auf dem Revier die beneidenswert beschäftigungslosen Empfangsdamen Lange (Sarah Thonig) und Grasegger (Ursula Maria Burkhart) ausführen. Ein bisschen Nägel feilen, im Tee rühren, den Flurfunk vorantreiben ... – Ja, das hätte was.

Es muss ja nun wirklich nicht gleich der Part des umtriebigen Polizeihauptmeisters Michi Mohr (Max Müller) sein, dem Einzigen weit und breit, der auf diesem Provinzrevier wirklich etwas wegackert. Und jene Frau Stockl (herzerfrischend gespielt von Marisa Burger) ist ohnehin ein Unikat. Eines, mit dem vermutlich jede zweite Zuseherin sofort tauschen würde. Wer in den 80er-Jahren beruflich sozialisiert wurde, weiß das jedenfalls noch zu schätzen: eine Sekretärin vom Schlage "heimliche Chefin", aber immer ein offenes Ohr für alles und jeden – so hübsch, aber scheinbar ohne eigenes Privat- und Liebesleben und loyal bis zum Gehtnichtmehr. Ja, wo gibt's denn so was heute noch?

Am 9. Januar 2022 sind es genau 20 Jahre, seit die Serie – damals mit dem unvergessenen, am 20. Januar 2020 verstorbenen Joseph Hannesschläger und Markus Böker in den Ermittlerrollen Hofer und Satori – erstmals ausgestrahlt wurde. So ein langes Leben ist TV-Formaten nur im außerordentlichen Erfolgsfall beschert. Ein Blick auf die Quoten der jüngeren Staffeln zeigt, dass die Resonanz in Zeiten der Pandemie sogar noch einmal angezogen hat. In haltlosen Zeiten scheinen viele ein bisschen Halt auch in einem Fernsehformat zu suchen. Warum auch nicht! Hier bekommt man verlässlich, was man erwartet: Entspannung, Ablenkung, Konstanz. Die Fernseh-Experimente finden anderswo statt.

So viel Erfolg wird belohnt: Kurz vor dem Jubiläumstag spendiert das ZDF seinem sonst immer dienstags, 19.25 Uhr, und in Wiederholungen auch nachmittags laufenden Kultformat mal wieder einen 90-Minüter zur Primetime. Das Winterspecial "Die Rosenheim-Cops – Mörderische Gesellschaft" mit den Ermittlern Stadler und Hansen (Igor Jeftić) ist am Mittwoch, 29. Dezember, um 20.15 Uhr, zu sehen.

"Ich glaube, die 'Rosenheim-Cops' funktionieren so gut, weil jede Folge wie ein Märchen ist", erklärt aus diesem Anlass die Stockl-Darstellerin Marisa Burger (48). Das beginne schon mit dem ersten Satz: "Es gabat a Leich" – das sei doch "wie 'Es war einmal" ... – Am Schluss einer Folge – die Festnahme ist der Zuständigkeitsbereich von Michi Mohr – heißt es immer: "Wenn Sie bitte mitkommen würden!" Das, schmunzelt Marisa Burger, "funktioniert genauso wie: 'Und wenn sie nicht gestorben sind".

Es sind hier eben nicht die meist völlig unerheblichen und absurd konstruierten Fälle, sondern ohne Frage das äußerst liebevoll inszenierte Figurenkabinett, das das Publikum bei der Stange hält. Auch Marie Hofer (Karin Thaler) oder der Polizeichef Gert Achtziger (Alexander Duda) und sowieso Christian K. Schaeffer als "Times Square"-Kneipier Jo Caspar gehören zum Liebenswertesten, was in Deutschlands TV-Revieren sein Unwesen treibt. Schöner als Marisa Burger es sagt, könnte man es nicht formulieren: "Die Stockl könnte zum Beispiel das Schneewittchen sein. Die Polizisten sind die sieben Zwerge, die draußen arbeiten und sich dann bei der Stockl Speis und Trank holen. Dann gibt es noch die Nebenschauplätze mit den Bufforollen, das sind die Frau Grasegger und die Frau Lange." Und das Wichtigste: "Am Schluss siegt das Gute, und der Täter hat immer eine schlechte Tugend, zum Beispiel Habgier oder Neid." Für die Schauspielerin ist die Sache daher klar: "Die Rosenheim-Cops' sind ein modernes Märchen."

Die im Januar 2002 erstmals ausgestrahlte Kultserie mag von manchen belächelt werden, doch das halten die Macher locker aus. Denn ihr Krimi ist schon seit Jahren das, was andere Formate gerne wären: eine echte Marke. Und wie bei jeder Marke besteht auch für die Verantwortlichen der gemütlichen Oberbayern-Geschichten die wesentliche Herausforderung darin, sie fürsorglich zu behandeln: sie zu pflegen und hin und wieder anzupassen, ohne ihren Kern anzukratzen. Was leichter klingt, als es ist.

Es menschelt und die Landschaft ist schön

Das Wichtigste: Nur nicht die eigene DNA verraten! Zum Selbstverständnis von Vorabendserien wie "Die Rosenheim-Cops" oder auch des ARD-Pendants "Hubert ohne Staller" (seit 2011 im Programm, ab Mittwoch, 12. Januar 2022, 18.50 Uhr, gibt es neue Folgen) gehört es jedenfalls, dass man eines nicht sein will: ein TV-Krimi wie andere. Das Erfolgsrezept dieser Regiokrimis hat weniger mit Spannung zu tun als vielmehr mit einem Gefühl von Vertrautheit und einer gewissen Nahbarkeit der Protagonisten – vom heimeligen Flair und der in ganz Deutschland geschätzten Kulisse des oberbayerischen Voralpenlandes einmal abgesehen. Es menschelt, und das Publikum kennt und mag seine Pappenheimer und Sympathieträger.

Schauspieler Max Müller, der seit 2002 als beflissener Beamter Mohr bei den "Cops" mitmischt, bringt es auf den Punkt: "Der Krimi ist im Grunde wurscht. Ein Mord muss seriös erzählt werden, aber es geht bei uns doch viel mehr um das Zwischenmenschliche – immer mit einem Augenzwinkern." Als weitere Erfolgsfaktoren macht er "die schöne Landschaft, die bayerische Lebensart, wunderbare Schauspieler und Regisseure, die dieses Stück Vorabendunterhaltung sehr ernstnehmen", aus. Und: "Wir müssen auch über den Begriff 'Heimat' reden: Wir geben allen, die das wollen, etwas Verlässliches, ein Stück Zuhause, ein wenig Identität."

Joseph Hannesschläger, für die meisten Fans für alle Zeiten der "Rosenheim-Cop" schlechthin, sah in einem seiner letzten Interviews ein "ähnliches Muster wie bei der volkstümlichen Schlagermusik, die ja sehr erfolgreich ist": Viele Leute, sagte der bayerische Schauspieler, "wollen sich in ihrer Freizeit gerne mit Dingen beschäftigen, die sie kennen, die keine bösen Überraschungen in sich bergen, bei denen alles seinen gewohnten Gang geht: einfach etwas Verlässliches mit einem gewissen Wohlfühlfaktor".

Nun noch flott zur ARD und vom Chiemgau rüber ins Fünf-Seenland, nach Wolfratshausen, wo die chaotischste Polizistentruppe, die das deutsche Krimifernsehen je auf die Menschheit losgelassen hat, ermittelt. "Hubert ohne Staller", wie das Format seit dem Ausstieg von "Staller" Helmfried von Lüttichau heißt, ist etwas derber, bei Weitem humorvoller und anarchistischer als das Chiemgau-Pendant, versteht sich aber fraglos ebenfalls als "Wohlfühlkrimi". Dass dieses noch nicht wirklich offiziell definierte Genre gerade so gefragt ist, hat für Schauspieler Michael Brandner, der den degradierten ehemaligen Polizeichef Girwidz spielt, "mit diesen Zeiten zu tun: Alle sind irgendwie gestresst oder überfordert – da kommt so eine Stunde Entspannung mit ein paar Trotteln, die sich vor landschaftlich reizvoller Kulisse ein bisschen im Weg stehen, gerade recht." Der 70-Jährige versichert: "Heutzutage die Leute zum Schmunzeln zu bringen, ist das Beste, was man für sein Karma tun kann. Mich macht der Job glücklich." Und das merkt auch der Zuschauer.

Der Fall spielt keine Rolle

Auch bei "Hubert ohne Staller" gibt es diese kleineren Rollen, die dem ganzen Chaos um Girwidz, Hubert (Christian Tramitz) und Polizeichefin Sabine Kaiser (Katharina Müller-Elmau) Struktur und Halt geben. Da ist allen voran Riedl: "Ein Mann mit Nehmerqualitäten", so charakterisiert der Schauspieler Paul Sedlmeir den von ihm seit zehn Jahren gespielten gutmütigen, aber auch hoffnungslos trotteligen Polizeimeister.

"Hubert ohne Staller" sei deshalb so erfolgreich, "weil der Fall an sich eigentlich keine Rolle spielt", befindet Schauspielerin Katharina Müller-Elmau. "Und auch das Opfer nicht: Meistens liegt irgendeine Mutti mit Gucci-Klamotten gemeuchelt in der Starnberger-See-Villa ... Sei's drum. Nicht wer ermordet wird, ist hier wichtig, und im Grunde geht es auch nicht darum, warum überhaupt ermittelt wird, sondern in aller Regel nur darum, wie wir ermitteln. Und das ist so verrückt und chaotisch, dass es trägt." Wer bei den "Rosenheim-Cops" schmunzelt, hält sich bei "Hubert ohne Staller" den Bauch vor Lachen. Der Erfolg gibt beiden Dauerbrenner-Serien recht.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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