Die Liebe zwischen Fonny (Stephan James) und Tish (KiKi Layne) steht unter keinem guten Stern.
Im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung werden die Werke von James Baldwin wieder häufiger gelesen. Jetzt verfilmte Barry Jenkins seinen Roman "If Beale Street Could Talk".

Beale Street

KINOSTART: 07.03.2019 • Drama • USA (2018) • 120 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
If Beale Street Could Talk
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
USA
Budget
12.000.000 USD
Einspielergebnis
20.572.691 USD
Laufzeit
120 Minuten

Filmkritik

Eine Straße als Schicksal
Von Diemuth Schmidt

Oscargewinner Barry Jenkins adaptierte mit "Beale Street" eine emotionale Liebesgeschichte seines Lieblingsautors James Baldwin.

Der Schriftsteller James Baldwin (1924 – 1987) gilt als einer der bedeutendsten schwarzen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und zählte zu den zentralen Vordenkern der US-Bürgerrechtsbewegung. Mit dem oscarnominierten Film "I Am Not Your Negro" setzte ihm Raoul Peck 2017 ein großartiges Denkmal. Doch Baldwin beeindruckte nicht nur als sprachgewandter (legendär waren seine Talkshow-Auftritte) und wütender Kämpfer gegen den amerikanischen Rassismus, er lebte in seinen Geschichten auch seine romantische Seite aus. Das beweist sein Roman "If Beale Street Could Talk" über ein schwarzes Pärchen, das zu Unrecht mit der Justiz in Konflikt kommt und seine Liebe verteidigen muss. Oscargewinner Barry Jenkins ("Moonlight") adaptierte das Werk unter dem Titel "Beale Street" als grandios inszenierten und gespielten Film.

Keiner sollte seinen Liebsten durch eine Glasscheibe sehen müssen. Diese Feststellung trifft die junge Frau Tish (Neuentdeckung KiKi Layne) beim Besuch ihres Verlobten Fonny (Stephan James aus "Zeit der Legenden") im Gefängnis. Die beiden sind zwei Seelenverwandte, die sich seit dem Sandkasten kennen, nun innig lieben und von einer gemeinsamen Zukunft träumten. Doch ihre Pläne wurden jäh durchkreuzt, als es zu Fonnys Verhaftung kam – für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Von seiner Unschuld ist Tish überzeugt.

Die Erzählstimme gehört in dieser Verfilmung Tish, die frei zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und herspringt. Denkt sie an glückliche Zeiten, werden diese von Barry Jenkins in intensiven, farbgewaltigen und exakt inszenierten Bildern auf die Leinwand gebracht. Der Ort der Handlung ist das ärmliche Viertel Harlem in den 70er-Jahren. Die "Beale Street", an die James Baldwin dachte, existiert real in New Orleans, dem Ort, an dem Louis Armstrong, aber auch der Vater James Baldwins geboren wurden. Baldwin sah in ihr jedoch keinen geografischen, sondern einen schicksalhaften Ort. Für ihn sei jeder farbige Amerikaner in der Beale Street geboren, einem Schwarzenviertel irgendeiner amerikanischen Stadt. Sie sei wie ein Erbe zu verstehen.

Oscar für Regina King

Mit dieser Hinterlassenschaft müssen sich auch Fonny und Tish herumschlagen. Durch Tishs frühe Schwangerschaft kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Familien. Während Fonny schon hinter Gittern sitzt, treffen in einer grandiosen Szene, die (auch zahlenmäßig) von Frauen dominierten beiden Familien zusammen. Die bigotte Mutter Fonnys (Aunjanue Ellis) und seine Schwestern prangern dabei Tish angebliche Bösartigkeit und Dummheit an, die sie mit jedem Wort jedoch selbst verkörpern.

Dagegen wirken Tishs Eltern Joseph (Colman Domingo) und Sharon (Regina King, die bei der diesjährigen Oscar-Verleihung als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde) wie ein von Liebe und Zusammenhalt dominierter Gegenpol. Tishs mitfühlende Mutter zeigt sich bereit, sehr weit für das Glück ihrer Tochter, ihres künftigen Schwiegersohns und für das ungeborene Kind zu gehen. Sie reist sogar bis in die Slums von Puerto Rico, um jene Frau aufzusuchen, die Fonny vergewaltigt haben soll.

Ihrer immer runder werdenden Tochter Tish bleiben währenddessen nur die Besuche im Gefängnis bei einem immer schmäler werdenden Fonny. Sie rettet sich in ihre Erinnerungen an Momente des Glücks, als sie nach langer Suche endlich jemanden fanden, der sie überhaupt als Mieter für etwas, das man kaum Wohnung nennen kann, akzeptierte. Das ist fein eingebaute Sozialkritik – wie auch jene grandiose Dialogszene, in der ein Jugendfreund Fonnys, ein Mann von mächtiger Gestalt, in leisen Andeutungen davon erzählt, wie er im Knast gebrochen wurde.

Regisseur Jenkins stellt diese himmelschreienden Ungerechtigkeiten der wertvollen und über allem erhabenen Liebe von Fonny und Tish gegenüber. Das sind zwei, die es sich leisten wollen, den Platz, den ihnen die weiße Gesellschaft zuweist, zu ignorieren. Dabei kann sich Jenkins ganz auf seine Hauptdarsteller verlassen, die in ihrer eigenen Sphäre schweben – unterstützt von einem souligen und symphonischen Soundtrack. Mit "Beale Street" gelang Jenkins ein wunderschön inszenierter Film, der die Wut über strukturellen Rassismus und das Versagen des Rechtsstaats mit einer zauberhaften Liebesgeschichte dämpft und das weiße Amerika durch die Integrität von Tishs Familie sehr dunkel aussehen lässt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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